Skandal um nordirische Rapper Kneecap: Warten auf den Übersetzer
Die kontroverse Belfaster Rapcrew Kneecap verklagt die britische Staatssekretärin Kemi Badenoch. Sie habe den Künstlern Fördergeld vorenthalten.
Das Rap-Trio Kneecap aus dem katholisch geprägten Westen von Belfast hat die britische Staatssekretärin für Wirtschaft und Handel, Kemi Badenoch, verklagt. Der Gruppe waren von der britischen Phonoindustrie umgerechnet 17.000 Euro aus dem Programm zur Exportförderung britischer Musik zuerkannt worden, doch Badenoch, die dem rechten Tory-Flügel angehört, hat die Vergabe blockiert. Die Regierung kofinanziert das Programm.
Eine Sprecherin von Badenoch sagte: „Wir unterstützen Meinungsfreiheit voll und ganz, aber es ist kaum verwunderlich, dass wir kein Steuergeld an Leute verteilen, die das Vereinigte Königreich abschaffen wollen.“
Kneecap vermuten, es könnte etwas mit dem Tournee-Plakat von 2019 zu tun haben: Darauf ist ein Cartoon zu sehen, der Ex-Premier Boris Johnson mit der damaligen Ersten Ministerin Nordirlands, Arlene Foster, zeigt. Beide sind an eine Rakete gebunden, darunter sitzen zwei Kneecap-Mitglieder am Lagerfeuer. Der Titel der Tournee lautete: „Abschied von der Union.“
Brennender Landrover
Es waren vermutlich Politiker von Fosters Democratic Unionist Party (DUP), die Kneecap bei Badenoch angeschwärzt haben. Sie hatten sich bereits über ein Wandgemälde beschwert, das einen brennenden nordirischen Polizei-Landrover zeigt und vor einigen Jahren bei einem Konzert der Rapper enthüllt wurde.
Kneepcap besteht aus den Belfastern Mo Chara und Móglaí Bap sowie dem aus Derry stammenden DJ Próvaí, sie rappen hauptsächlich auf Irisch. Kneecap wurden in den letzten Jahren erfolgreich. Eine US-Tournee 2023 war restlos ausverkauft, und Badenochs Aktion hat in Großbritannien, Irland und in den USA für große Publicity gesorgt, die allemal mehr wert ist als die vorenthaltene Fördersumme.
Dabei fördert die britische Regierung alle möglichen Organisationen, die nicht unbedingt für die Union sind. Selbst Kneecap haben voriges Jahr 1,7 Millionen Euro von der britischen Nationallotterie über das British Film Institute sowie 815.000 Euro von Northern Ireland Screen für ihren Dokumentarfilm mit dem Titel „Kneecap“ kassiert.
Weltpremiere beim Sundance-Festival
Er basiert lose auf den Einzelbiografien und dem Werdegang der Gruppe. Rich Peppiatt führte Regie, Michael Fassbender tritt in einer Nebenrolle auf. Weltpremiere war im Januar beim US-Indiefilmfestival Sundance, wo der Film, der von Sony Pictures Classics gekauft worden ist, einen Publikumspreis gewann. Die Bandgeschichte ist allemal filmreif.
Kneecap entstand, als Móglaí Bap am Tag vor einer Demonstration für das Gesetz zur Förderung der irischen Sprache in Belfast zusammen mit einem Freund Graffiti sprayte. Der Freund wurde verhaftet, Móglaí entkam. Er hatte „Cearta“ – (Menschen-)Rechte – an eine Bushaltestelle getaggt. Der Freund weigerte sich bei der Polizei, Englisch zu sprechen, und verbrachte eine Nacht in der Zelle, um auf einen Übersetzer zu warten.
Das war die Inspiration für den ersten Kneecap-Song „C.E.A.R.T.A.“. Der Radiosender Raidió na Gaeltachta verbot ihn wegen „Drogenverweisen und Flüchen“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestellerautor will in den Bundestag
Nukleare Drohungen
Angst ist ein lautes Gefühl
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Eine ganz normale Woche in Deutschland