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Simulierte Online-DurchsuchungPolitiker wollen Trojaner testen

Die Koalition plant eine Live-Vorführung des Online-Spähprogramms mit dem Spitznamen Bundestrojaner noch im Laufe des September.

Schnüffeln in "Eigene Dateien": Live-Show mit Bundestrojaner geplant Bild: dpa

FREIBURG taz Die große Koalition will sich den Bundestrojaner demnächst live vorführen lassen. Das verabredete die Arbeitsgruppe unter Innenstaatssekretär August Hanning am Freitag, die derzeit über die Einführungen von Onlinedurchsuchungen verhandelt. Vertreter des Innen- und des Justizministeriums trafen sich mit Abgeordneten von CDU/CSU und SPD zur dritten Verhandlungsrunde.

Noch im September wollen sich die Politiker und Fachbeamten beim Bundeskriminalamt in Wiesbaden vorführen lassen, wie mit Hilfe einer Spähsoftware heimlich in fremde Computer eingedrungen werden kann. "Dann nehme ich meinen Laptop mit und hoffe, er ist hinterher noch heil", sagte gestern Dieter Wiefelspütz, der innenpolitische Sprecher der SPD, der taz.

In der Verhandlungsrunde wurde gestern erstmals ausführlich über rechtliche Fragen beraten. So sieht das Innenministerium keinen Bedarf für eine Grundgesetzänderung bei Einführung der Onlinedurchsuchung. Das Justizministerium hält nach Darstellung aus Teilnehmerkreisen tendenziell eine Änderung von Artikel 13 des Grundgesetzes für notwendig, der die Unverletzlichkeit der Wohnung festschreibt.

Immer größere Bedeutung gewinnt in den Verhandlungen die Frage, ob mit Hilfe des Bundestrojaners oder einer ganz ähnlichen Spähsoftware auch Internettelefongespräche - zum Beispiel via Skype - überwacht werden können. Für das Bundeskriminalamt hat das große Relevanz, weil solche Gespräche bei der Datenübertragung in der Regel verschlüsselt sind. Die Telekommunikationsüberwachung (TKÜ) müsste also an der Audioschnittstelle des Computers ansetzen; das Bundesinnenministerium spricht daher von "Quellen-TKÜ".

Die Frage ist nicht nur praktisch sehr relevant, sondern auch rechtlich. Denn nach Ansicht des Innenministeriums ist für die Quellen-TKÜ gar keine neue gesetzliche Grundlage erforderlich. Sie könnte also begonnen werden, sobald die entsprechende Software einsatzbereit ist. Das Justizministerium prüft noch, ob die Quellen-TKÜ eine neue Rechtsgrundlage erfordert, sagte eine Sprecherin gestern auf taz-Anfrage.

SPD-Fraktionschef Peter Struck sagte gestern vor Journalisten in seinem Wahlkreis, er mache jetzt die Verhandlungen über die Onlinedurchsuchung zur "Chefsache". Innenminister Schäuble solle nicht versuchen, einzelne SPD-Experten wie Dieter Wiefelspütz auf seine Seite zu ziehen. Von Wiefelspütz ist bekannt, dass er Onlinedurchsuchungen grundsätzlich befürwortet.

Struck sagte gestern: "Ich bin nicht gegen Onlinedurchsuchungen, aber ich will wissen, welche rechtlichen Voraussetzungen erforderlich sind." Das ist eigentlich genau die Linie von Wiefelspütz. An dem Treffen am Freitag nahm Struck nicht teil.

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