Simonis zehn Jahre nach „Heidemord“: „Ich hoffe immer noch“

Vor zehn Jahren wurde Heide Simonis (SPD) auch im vierten Wahlgang nicht Ministerpräsidentin von Schleswig-Holstein. Ein Gespräch über Loyalität.

Vier Wahlgänge, danach Rückzug: „Das ist schon etwas Besonderes“. Bild: dpa

taz: Frau Simonis, nach Ihrer gescheiterten Wahl zur Ministerpräsidentin vor zehn Jahren haben Sie gehofft, der Heckenschütze aus Ihrem Lager würde sich irgendwann zu erkennen geben. Haben Sie inzwischen aufgegeben?

Heide Simonis: Nein, ich hoffe immer noch. Spätestens auf dem Totenbett sollte es herauskommen.

Am Anfang haben Medien den damaligen SPD-Finanzminister Ralf Stegner verdächtigt.

Ich habe ihn nie im Verdacht gehabt. Stegner war immer ein sehr loyaler Mitarbeiter.

Warum haben Sie sich damals zu einem vierten Wahlgang verleiten lassen? Warum sollte jemand, der Sie schon dreimal über die Klinge springen ließ, es beim vierten Mal nicht tun?

Da müssten Sie Franz Müntefering und Altbundeskanzler Gerhard Schröder ebenfalls fragen. Beide hatten gebeten, dass wir eine weitere Abstimmung unternehmen. Kurz darauf waren ja Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen, und die Kollegen meinten, es wäre kein gutes Signal, aufzugeben. Aber es war ja dann doch auch so kein gutes Signal.

Ist es nicht ganz normales politisches Risiko, bei einer solch wackeligen Koalitionsmehrheit von einer Stimme nicht gewählt zu werden?

Natürlich. Es hätte nur rechtzeitig das Signal kommen müssen: „Du wirst nicht gewinnen.“ Nach dem dritten Wahlgang gab es noch eine geheime Probeabstimmung im Fraktionssaal, bei der alle wie die Zinnsoldaten gestanden haben. Alle stimmten für mich. Bei der Wahl im Parlamentssaal war dann aber ein Zinnsoldat nicht mehr in der Lage, das Kreuz an der richtigen Stelle zu machen. Dieses hinterhältige Abstimmungsverhalten war mehr als schäbig.

71, war bis 2005 SPD-Ministerpräsidentin von Schleswig-Holstein. Am 17. März 2005 konnte sie nicht die erforderliche Mehrheit der Stimmen auf sich vereinen. Ihr fehlte genau eine Stimme.

Die Barschel-Affäre in den achtziger Jahren, danach der skandalbedingte Rücktritt von SPD-Ministerpräsident Björn Engholm, später Ihre Abwahl. Warum immer Schleswig-Holstein?

Oder denken Sie an das Landeswahlrecht, das 2010 auf einmal nicht mehr mit der Verfassung vereinbar war, weil es zu viele Überhangs- und Ausgleichsmandate gab. Daraufhin gab es dann Neuwahlen. Hier oben leben halt doch ein paar Dickschädel.

Ist das klimabedingt?

Immer wenn die Zeitungen schreiben, dass irgendwo mal wieder was Seltsames passiert ist, denke ich: „Nicht! Bitte nicht schon wieder bei uns!“ Allzu oft ist es doch wieder in Schleswig-Holstein. Es gibt vernünftige Vorhaben, die schiefgehen können, weil sie nicht früh genug geplant werden. Aber dass man ein Wahlgesetz nicht richtig aufstellen kann, ist seltsam. Es war ja nicht das erste Wahlgesetz der Welt.

Gibt es denn Hoffnung für Schleswig-Holstein?

Wir sind doch mindestens sehr unterhaltend für Sie und die Republik.

Sie werden häufiger zum sogenannten Heidemord befragt. Welche Frage hassen Sie am meisten?

Jede. Aber ich muss ja zugeben: Vier Wahlgänge hinter sich zu bringen und trotzdem nicht gewählt zu werden, das ist schon was Besonderes. Ich kann nur jedem in einer ähnlichen Situation raten: Zwei Wahlgänge, dann muss Schluss sein.

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