Silvester: Zum Böllern zu blöd oder zu böse

Zur Prävention von Böllerunfällen setzt die Feuerwehr erstmals Streetworker ein. Ihre Zielgruppe: die Migrantenkids in Neukölln und Kreuzberg.

Messer, Gabel, Böller, Licht ... nicht von ungefähr werden Feuerwerkskörper nur an Volljährige abgegeben Bild: AP

Wer Silvester schon einmal in Kreuzberg oder Neukölln gefeiert hat, der weiß, wie abenteuerlich der Heimweg nach Mitternacht sein kann. Kreuz und quer sausen die Kracher an einem vorbei, Balkonsimse brennen und Mülleimer sind von Riesen-Chinaböllern zerbeult. Besonders beliebtes Böllerziel: die Ein- und Ausgänge von U-Bahnstationen.

Die meisten Feuerwerksunfälle betreffen nach Angaben der Johanniter Rettungshilfe die Augen. Horst Wilms, Bundesarzt der Johanniter, rät, das betroffene Auge bei einer Verletzung mit einem sauberen Tuch zu verbinden und dann schnell den Rettungsdienst alarmieren.

Zudem warnt der Johanniter-Arzt vor Ohrverletzungen: Silvesterböller seien lauter als Presslufthammer und könnten ein Knalltrauma auslösen und dabei die Innenohren unheilbar schädigen, so Wilms.

Oft vorkommende Verletzungen zu Silvester sind außerdem Verbrennungen von Händen und Fingern. Der Rat des Fachmanns hierbei: Verbrennungen sofort mit Wasser kühlen, am besten zwischen 10 bis 15 Minuten lang. Blutet es neben der Verbrennung, geht hingegen die Wundversorgung vor. Bis der Rettungsdienst kommt, sollte der Verletzte vor dem Unterkühlen geschützt werden.

Der Spaß ist jedoch spätestens dann vorbei, wenn einer dieser Böller nicht nur jemanden trifft, sondern in unmittelbarer Nähe auch explodiert. Verbrennungen im Gesicht, Hörschäden oder abgerissene Finger - jedes Jahr verletzen sich in Berlin über 500 Menschen durch Feuerwerkskörper. Die Erfahrung der vergangenen Jahre habe gezeigt, dass besonders häufig Jugendliche mit Migrationshintergrund unter den Verletzten seien, sagte Landesbrandschutzdirektor Wilfried Gräfling. Und in der Tat: Wie eine Studie der Vivantes-Kliniken festgestellt hat, gab es im vergangenen Jahr die meisten Unfälle in den migrantenreichen Ecken von Kreuzberg und Neukölln.

Deshalb haben sich Feuerwehr, Polizei und die Vivantes-Kliniken zusammengeschlossen und in diesem Jahr in Kooperation mit der Bundesagentur für Arbeit 30 Streetworker angeheuert, die Arabisch oder Türkisch sprechen. Sie sollen in den Tagen vor Silvester an belebten Plätzen und vor Geschäften vor allem in Kreuzberg und Neukölln mit Infoständen stehen, um über die Gefahren von Feuerwerkskörpern aufklären. Das habe es noch nie gegeben, sagte Gräflin. Er persönlich wolle das Projekt intensiv im Auge behalten und im neuen Jahr darüber berichten.

Vivantes hatte vergangenes Silvester erstmals 106 Patienten befragt, die wegen Böllerverletzungen eingeliefert wurden. Das Ergebnis der Erhebung: Mit einem Anteil von 16 Prozent hätten überproportional viele Unfallpatienten eine türkische Herkunft gehabt, wie ein Kliniksprecher mitteilte. Fast drei Viertel der Verletzten waren Männer im Alter von ungefähr 20 Jahren, die Hälfte der Verletzungen war fremdverschuldet und verletzt waren sie meist am Kopf und an den Händen. "Die einen sind zu dumm, mit Böllern umzugehen, und die anderen zu böse", sagte Vivantes-Rettungsstellenleiter Peter-Michael Albers. Er berichtet, dass besonders Explosionsverletzungen schwierig zu behandeln sind. Oft litten die Betroffenen noch Jahre später an den Schäden.

Dennoch sprachen sich sowohl Polizei als auch Feuerwehr gegen ein generelles Verbot von Silvesterböllern aus. "Wenn man vernünftig damit umgeht, ist das Risiko von Verletzungen gering", sagte Landesbrandschutzdirektor Gräfling.

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