Signa-Pleite in Berlin: Das Imperium zerfällt
Die Insolvenz beim Immobilien- und Kaufhauskonzern hat auch große Auswirkungen auf Berlin. Manche sehen im Scheitern aber auch eine Chance.
Die Investitionsruinen
Trotz der verworrenen Unternehmensstruktur samt Einzelhandelssparte und zahlreichen Firmenbeteiligungen lässt sich das Kerngeschäft der Signa-Holding mit drei Worten zusammenfassen: kaufen, entwickeln, verkaufen. Besonders hatte es das Unternehmen auf Immobilien in besten Lagen mit großem Wertsteigerungspotenzial abgesehen.
Das sich im Bau befindliche „P1“ in der Passauer Straße ist ein Paradebeispiel für diese Strategie. Das 60er-Jahre-Parkhaus gegenüber dem Luxuskaufhaus KaDeWe ließ Signa bereits im letzten Jahr abreißen, um es durch einem Büroneubau zu ersetzen. Den hätte das Unternehmen nach Fertigstellung für ein Vielfaches weiterverkauft – wäre da nicht die Insolvenz. Signa kann die Rechnungen nicht mehr begleichen, seitdem stehen die Kräne auf der Baustelle still.
Ähnlich sieht es bei dem am Spreebogen gelegenen Großprojekt „Glance“ aus. Dort wurde bislang nur die Baugrube fertig, bevor die Bauarbeiten eingestellt wurden. Auf dem ehemaligen Industriegebiet wollte Signa ebenfalls Büros errichten.
Auch die Fertigstellung des „Femina-Palasts“ im ehemaligen Hotel Ellington in der Nürnberger Straße wird sich auf unbestimmte Zeit verzögern. Eigentlich wollte Signa in dem in den 1920er Jahren errichteten Baudenkmal Einzelhandel, Büros und Gastronomie platzieren.
Wie lange der Baustopp andauert, hängt vom Verlauf des Insolvenzverfahrens ab. Die Gefahr, dass nach einer etwaigen Auflösung der Insolvenzmasse langjährige Spekulationsruinen entstehen, besteht durchaus. Ob die Projekte dann weitergebaut würden, hinge dann von den neuen Eigentümer:innen ab. Im ungünstigsten Fall gäben die sich noch mit einer stabilen Wertanlage in Form eines baurechtlich erschlossenen Grundstücks zufrieden. Den Bezirken wären in einem solchen Fall die Hände gebunden: „Wir können niemanden zum Bauen zwingen“, sagt Tempelhof-Schönebergs Baustadträtin Eva Majewski (CDU) der taz.
Majewskis Amtskollege in Charlottenburg-Wilmersdorf, Christoph Brzezinski (ebenfalls CDU), ist optimistisch, dass dieser Worst Case nicht eintreten wird. „Ich rechne nicht damit, dass wir einen lang andauernden Baustopp haben werden“, schätzt der Baustadtrat die Zukunft des „Glance“ ein.
Für Brzezinskis Einschätzung spricht, dass Signa in den letzten Monaten bereits einige Projekte verkaufen konnte: Erst im November übernahm der Logistikunternehmer und Milliardär Klaus-Michael Kühne – nebenher Investor beim Fußball-Traditionsverein Hamburger SV – das „Be Berlin“, einen weiteren Bürobau in der Schicklerstraße. Auch das im Bau befindliche „Mynd“-Hochhaus, für das ein Teil des Kaufhofs am Alexanderplatz abgerissen wurde, verkaufte Signa schon im Juni gewinnbringend an den Investitionsfonds Commerzreal.
Das Geschäftsmodell von Signa kann auf Berlins Immobilienmarkt trotz Baukrise weiterhin funktionieren. Die Gründe für den Kollaps liegen vor allem beim auf Schulden und überhöhten Immobilienbewertungen basierenden Wachstumskurs des Unternehmens. Das System funktionierte, solange Geld billig war. Mit steigenden Zinsen brach Benkos Kartenhaus in sich zusammen.
Die Zankäpfel
Deutlich mehr Handlungsspielräume hat die Politik bei den noch in Planung befindlichen und höchst umstrittenen Großprojekten am Hermannplatz und am Ku’damm. Auch hier wieder dasselbe Spiel: Karstadt-Gebäude abreißen und durch einen deutlich größeren Neubau ersetzen. Besonders am Hermannplatz stießen Signas Pläne, eine Rekonstruktion des monumentalen Art-déco-Vorgängers von 1929 errichten zu wollen, auf erhebliche Widerstände aus Zivilgesellschaft und Bezirkspolitik. Auch am Ku’damm lief nicht alles rund: Für Pläne, auf dem Areal drei Hochhäuser errichten zu wollen, erhielt Signa zunächst eine Absage, weil die sich nicht ins Stadtbild fügten.
Doch Benko perfektionierte das Geschäftsmodell der Immobilienaufwertung, indem er durch gewieften Lobbyismus und fragwürdige Deals seine Projekte gegen alle Widerstände durchboxte. Berlin bildete da keine Ausnahme: Im Gegenzug für den Erhalt von vier Galeria-Filialen, die im Rahmen der ersten Insolvenz 2020 schließen sollten, sicherte der damals rot-rot-grüne Senat dem Unternehmen Baurecht bei den umstrittenen Immobilienprojekten zu und zog die Planungsverfahren an sich.
Nach der Insolvenz verkündete die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung eine „Planungspause“ für die beiden Projekte, hofft aber, beide notfalls mit einem anderen Investor verwirklichen zu können. „Wir werden in der jetzigen Situation in den beiden Verfahren keine weiteren formalen Schritte mehr vornehmen, bis klar ist, welcher leistungsfähige Partner bereitsteht, um die Planungsziele umzusetzen“, sagte Pressesprecherin Alexandra Hofer der taz.
Der vormals für die Planung zuständige Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg sieht die Pleite jedoch als Chance und fordert, das Planungsverfahren wieder an den Bezirk zurückzugeben und somit eigene Alternativen zu Signas Monumental-Plänen entwickeln zu können. „Eine Möglichkeit ist, dass der Bezirk nun eine städtebauliche Machbarkeitsstudie beauftragt, noch bevor ein neuer Eigentümer des Karstadtgebäudes in Erscheinung tritt“, schlägt Baustadtrat Florian Schmidt (Grüne) vor. „Dabei sollten die Nachbarschaft, aber auch die Mitarbeiter:innen von Karstadt stark beteiligt werden.“ Durch Planungshoheit bestünde zumindest theoretisch die Chance, die Warenhäuser zu rekommunalisieren. Diesen Schritt forderte bereits die Linkspartei.
Das Warenhausgeschäft
Mit der Insolvenz des Mutter-Unternehmens verdüstern sich auch die Zukunftsaussichten der dauerkriselnden Einzelhandelstochter Galeria-Karstadt-Kaufhof. Laut Medienberichten bereitet Signa einen Verkauf des Warenhauskonzerns vor, der in Berlin noch zehn Filialen betreibt. Die 200 Millionen Euro, die Signa im Zuge der letzten Galeria-Pleite in das Unternehmen investieren wollte, werden höchstwahrscheinlich nicht fließen. Galeria steht nun vor der Herausforderung, die dringend notwendige Modernisierung des Warenhauskonzepts ohne Hilfe von außen zu stemmen.
Ungewiss wird damit auch die Wiedereröffnung der Filiale am Leopoldplatz, die im Januar schließen soll. Zusammen mit der Versicherungskammer Bayern wollte Signa das Gebäude aufwendig für eine profitablere Mischnutzung umbauen. Die Filiale sollte eigentlich nach dem Umbau in ein paar Jahren wieder eröffnen. „Wir erarbeiten aktuell eine konstruktive Lösung“, sagt eine Sprecherin der Versicherungskammer auf taz-Anfrage, Genaueres könne man aktuell noch nicht sagen.
Doch Signas Pleite könnte auch Chancen für Galeria bieten: Im Zuge der Insolvenz bestätigte sich der Verdacht, dass die Galeria-Filialen überhöhte Mieten an den Mutterkonzern zahlen, umso die Immobilienbewertungen künstlich aufzublähen. Während Galeria im Insolvenzverfahren noch Staatshilfe kassierte, schüttete die Immobiliensparte üppige Dividenden aus. Mit einer neuen Eigentümerin hätte Galeria wieder Aussicht auf deutlich geringere Mieten.
Aufatmen können hingegen die Kund:innen des Luxuskaufhaus KaDeWe. Signas Geschäftspartner, die finanzstarke thailändische Central Group, sicherte bereits seine Unterstützung zu. Bereits im März kaufte Central die Hälfte der Immobilie und könnte sie im Ernstfall auch komplett übernehmen. Ohnehin schreibt das KaDeWe – im Gegensatz zu Signa – seit Jahren schwarze Zahlen.
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