Signa in der Krise: Es könnte auch anders kommen
Die nächste Insolvenz Galeria-Karstadt-Kaufhofs scheint nur eine Frage der Zeit. Initiativen drängen auf alternative Nutzungen für die Warenhäuser.
Der wohl prominenteste Streitfall dieser Debatte ist der Hermannplatz. Hier plante Signa eigentlich eine komplette Entkernung und umfassende Erweiterung des Karstadt-Gebäudes, mit einer Rekonstruktion der historischen Art-déco-Fassade des Vorgängerbaus von 1929. Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey warnte in der Parlamentsdebatte am Donnerstag vor einem Scheitern des Projekts: „Jeder, der glaubt, der Hermannplatz könne so bleiben, wie er ist, sollte mal da hingehen.“
Die Initiative Hermannplatz fordert hingegen, endgültig mit Signa zu brechen und Warenhausimmobilien wie am Hermannplatz zu vergesellschaften. Der Initiative geht es nicht um Stillstand, sondern um gemeinwohlorientierte Alternativen: Statt eines Warenhauses könne dort ein „Andershaus“ entstehen, sagt Niloufar Tajeri, Architektin und Aktivistin der Initiative. „Es ist eine Utopie, in der man die Nahversorgung anders organisiert – ohne Konzerne, aber mit dem Wohl der Gemeinheit im Sinn.“
Das „Andershaus“ wäre genossenschaftlich organisiert, die Galeria-Beschäftigten würden bei dem Konzept das Warenhaus selbst betreiben. „Jeder Mitarbeitende weiß, welche Abteilung gut läuft und welche nicht und wie Logistikketten funktionieren“, erklärt Tajeri. Dieses Wissen werde bei Signas derzeitigen Top-down-Management kaum beachtet, einer der vielen Gründe für die Krise. Auch wäre das „Andershaus“ nicht nur auf Konsum, sondern auch auf Nachhaltigkeit ausgelegt: So könne man Angebote für Verleih und Reparatur schaffen, schlägt Tajeri vor.
Signa braucht dringend Kapital
Mit ihrer Idee der gemeinwohlorientierten Nutzung der Warenhäuser ist die Initiative nicht allein. Auch die Opposition forderte in ihrem gemeinsamen Antrag am Donnerstag eine Vergesellschaftung und gemeinwohlorientierte Nutzung als Alternative.
Die Stadtentwicklungspolitikerin Katalin Gennburg (Linke) wirbt schon seit der letzten Galeria-Pleite im März für das Konzept der „Sorgezentren“, das viele Ähnlichkeiten mit dem „Andershaus“ besitzt: Nahversorgung ohne Profitorientierung, dazu einfachen Zugang zu Betreuungsangeboten wie Kitas und Altenpflege.
Utopisch blieben solche Ideen vor allem aufgrund der Eigentumsfrage: Eigentümer:innen wie Signa waren nur selten an dieser wenig Profit versprechenden Nutzung ihrer Immobilien interessiert. Doch nun könnte die Krise des Konzerns eine realistische Chance zur Umsetzung bieten.
Um die drohende Insolvenz abzuwenden, braucht Signa dringend frisches Kapital und verkauft daher, was geht. Der Ausverkauf des Unternehmens betrifft auch die Galeria-Standorte. Erwartbar ist, dass Signa auch das Karstadt-Projekt am Hermannplatz verkaufen wird, sobald der Senat dort Baurecht geschaffen hat.
Umstrittener Deal
Das aktuell laufende Bebauungsplanverfahren basiert auf dem „Letter of Intent“ (LOI) genannten Deal aus dem Jahr 2020. Im Zuge der ersten Galeria-Insolvenz gab Signa mehrjährige Bestandsgarantien für vier schließungsbedrohte Filialen. Im Gegenzug sicherte der damals rot-grün-rote Senat zu, die Planungen für die umstrittenen Bauprojekte an den Standorten Hermannplatz, Alexanderplatz und Kurfürstendamm voranzutreiben.
„Wenn ein neuer Investor kommt, wissen wir nicht, was daraus wird“, kritisiert Tajeri. Auch wäre dieser nicht an die Abmachungen des LOI gebunden und hätte kaum Anreize, bei einem Neubauprojekt die Filiale eines Warenhauskonzerns mit einzuplanen, der seit Jahren von einer Insolvenz in die nächste rutscht.
Mit der Aufkündigung des LOI und dem Stopp des Bebauungsplanverfahrens könnte Signa nicht bauen, und es bliebe dem Konzern kaum etwas anderes übrig, als an den Senat zu verkaufen, sagt Tajeri: „Die Senatsverwaltung hat einen Hebel in der Hand, aber sie nutzt ihn nicht.“ Der Senat hält weiterhin an den Vereinbarungen des LOI fest, mit der Begründung, alles tun zu wollen, um die Kaufhäuser samt Arbeitsplätzen zu erhalten.
Wie einfach es gehen kann, zeigte Cottbus im Juli: Die Stadt übernahm die dortige Galeria-Filiale, nun ziehen dort das Stadtarchiv, der Bürgerservice und Einzelhändler ein.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Preiserhöhung bei der Deutschen Bahn
Kein Sparpreis, dafür schlechter Service
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren
Künftige US-Regierung
Donald Trumps Gruselkabinett
Housing First-Bilanz in Bremen
Auch wer spuckt, darf wohnen