: Sieht so ein deutscher Offizier aus?
■ Anti-Kriegs-Protest wird zur Gerichtsposse: Weil er in Hauptmannsjacke gegen Krieg demonstrierte, droht André K. eine Geldstrafe / Der beharrt auf satirische Meinungsäußerung
„Unbefugtes Tragen einer Uniform ist ein sensibles Delikt“, belehrte gestern vorm Bremer Amtsgericht der Staatsanwalt den 28-jährigen Schlosser André K. „Da geht es um mehr als um Ladendiebstahl und einfache Körperverletzung.“ Während sich zahlreiche ZuhörerInnen im Gerichtssaal darüber entgeistert Luft machten, kam er schon zur Konsequenz: Den Angeklagten soll es teuer kommen, dass er anlässlich der SPD-Wahlkampfveranstaltung mit Bundeskanzler Schröder letzten Sommer in einer Hauptmannsjacke aus der Requisite der Theatertruppe „Roter Pfeffer“ samt rotem Barrett vom Flohmarkt zum Anti-Kriegs-Protest erschien. Nur gegen 20 Tagessätze, Gesamtwert 2.500 Mark, wäre der Bremer Staatsanwalt bereit, das Verfahren einzustellen. „Dieses Maß würde aber garantieren, dass sie in die nächste Instanz gehen können“, betonte er zugleich.
Dass André K. und sein Anwalt Bernhard Docke die nächste Instanz tatsächlich anrufen werden, wenn der Richter das Verfahren am Donnerstag nicht doch zumindest teilweise auf Staatskosten einstellt, machten sie gestern deutlich. André K. nämlich will auf seinem Recht auf freie und satirische Meinungsäußerung bestehen. Dafür wolle er auch keine Anwaltskosten zahlen. „Ein echter Hauptmann hätte doch kein Schild zur Kundgebung mitgenommen, auf dem steht: Für den Sieg im Dritten Weltkrieg“, appellierte er an die Einsicht des Gerichts. „Es gab doch keinen Dritten Weltkrieg. Das wusste jeder.“ Auch habe jeder erkennen können, dass er nicht echt war. „Das wusste auch der Polizist, der mich festnahm.“
Polizeimeister O. bestätigt als Zeuge, dass André K.s erste Frage nach der Festnahme an der Absperrung zum Platz war: „Glauben Sie denn, dass ich ein echter Hauptmann bin?“ Aber das sei nicht relevant. Relevant sei gewesen, „dass jeder Laie glauben konnte, dass es sich mit dieser Jacke um einen Hauptmann handelt.“ Man habe ja nur den Oberkörper gesehen. Zugegeben, auch das Gesicht mit den vielen Piercings und Ringen – die er im Protokoll nicht vermerkt hatte. Er habe fürchten müssen, dass die Leute anhand von Zeitungsbildern sagen würden: „Jetzt gehen schon die Offiziere demonstrieren.“ Protest dürfe sein, schloss er. Aber nicht in Uniform. Sowas habe ihn schon während seiner zehnjährigen Dienstzeit bei der Luftwaffe gestört.
„Ich hatte in den Nachrichten gehört, dass die Zivilbevölkerung in Jugoslawien bombardiert worden war“, erklärte dagegen André K. die Motive seines Auftritts im Juni 1999. Er habe gegen den NATO-Angriffskrieg in Jugoslawien protestieren wollen. Nein, die Bundeswehr wollte er nicht lächerlich machen, beantwortet er die scharfe Nachfragen des Staatsanwaltes. „Das war kein Klamauk.“ Ihm sei es einzig und allein um die Rolle des Militärs gegangen. „Die Uniform sollte plakativ und symbolisch für die Gattung Militär stehen“, erläuterte er.
Auf die Fragen von Richter und Staatsanwalt, welche Rangabzeichen er wo an der vermeintlichen Uniform – ohne Schlips aber mit T-Shirt, in einfacher Hose und Winterstiefeln – getragen habe, zuckte der Angeklagte immer wieder ratlos die Schulter. „Damit kenne ich mich nicht aus. Ich wusste auch nicht, dass Uniformtragen strafbar ist. Ich war nie beim Bund. Vielleicht lernt man das da.“
Auf diese – glaubwürdige – Ahnungslosigkeit seines Mandanten stützte der Verteidiger sein Plädoyer auf Freispruch. Objektiv liege kein Vorsatz vor. Andrè K. habe sich keine Vorteile durch unbefugtes Tragen einer Uniform verschaffen wollen. Auch subjektiv habe er nicht annehmen können, dass ihn jemand in seinem Aufzug tatsächlich für einen Hauptmann halten würde.
Eva Rhode
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