Siedlungsstreit zwischen Israel und EU: Netanjahu spricht von „Heuchelei“
Mehrere europäische Botschafter wurden in Israel einbestellt. Ministerpräsident Netanjahu ist die Kritik am Siedlungsbau leid.
JERUSALEM ap/afp | Israel hat im Streit mit der EU über die Siedlungspolitik die Botschafter mehrerer EU-Länder einbestellt. Außenminister Avigdor Lieberman wolle den Vertretern von Großbritannien, Frankreich, Italien und Spanien klarmachen, dass deren einseitige Unterstützung der Palästinenser „inakzeptabel“ sei, erklärte sein Sprecher am Freitag.
Deren „dauernde einseitige Einstellung“ ignoriere die Realität in der Region und gefährde den Friedensprozess. Vor einer Woche war bekannt geworden, dass Israel den Bau von mehr als 1.800 weiteren Wohnungen in Siedlungen in den besetzten Palästinensergebieten plant.
Daraufhin waren die Botschafter Israels in London, Paris, Rom und Madrid in die jeweiligen Außenministerien zitiert worden. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu bezeichnete die Kritik der EU, die mit Besorgnis auf die neuen Pläne reagiert hatte, am Donnerstag als „heuchlerisch“.
Die Behauptung, die Bauprojekte seien ein Hindernis für den Frieden, seien „Humbug“, sagte Netanjahu am Donnerstag in seiner Jahresansprache an ausländische Journalisten. Die EU habe zwar israelische Botschafter einbestellt, um gegen die Errichtung von „ein paar Häusern“ zu protestieren, jedoch bei Fehlverhalten aufseiten der Palästinenser nicht das Gleiche getan.
Balance und Fairness
„Wann bestellte die EU jemals palästinensische Botschafter ein, um sich gegen die Aufwiegelung zur Zerstörung Israels zu beschweren“?, fragte er. „Ich denke, dass es an der Zeit ist, diese Heuchlerei zu stoppen. Ich denke, dass es an der Zeit ist, dieser Diskussion etwas Balance und Fairness zu verleihen“, fügte er hinzu.
Nach Jahren der diplomatischen Eiszeit hatten sich Israel und die Palästinenser im Juli zu einer Wiederaufnahme von Friedensgesprächen durchgerungen. Die Palästinenser rückten dafür von ihrer Forderung nach einem totalen Siedlungsstopp ab, bekamen jedoch nach eigenen Angaben die Zusage, dass sich Israel zurückhalten würde.
Doch seitdem hat Israel mehrmals den Bau tausender neuer Siedlungen verkündet, unter anderem erst vergangene Woche. Das Vorgehen löste international Kritik aus. US-Außenminister John Kerry stellte Israels Interesse an einer Friedenslösung infrage.
Netanjahu beharrte indes darauf, dass die Bauprojekte von Beginn der Verhandlungen an „Teil des Deals“ gewesen seien. Im Westjordanland und Ostjerusalem leben rund 500.000 Israelis. Neben dem Gazastreifen sind das Gebiete, die die Palästinenser für ihren eigenen Staat beanspruchen. Netanjahu möchte allerdings Teile des Westjordanlands behalten und lehnt eine Teilung Ostjerusalems, wo sich muslimische, jüdische und christliche Stätten befinden, ab.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert