Sicherheitspolitik der USA: Bidens Weltsicht auf 48 Seiten

Die neue Nationale Sicherheitsstrategie der USA in einem Satz: Russland stellt die akuteste Bedrohung dar, China aber die bedeutsamere.

Joe Biden spricht an einem Rednerpult

Sieht China und Russland als Bedrohungen: US-Präsident Joe Biden Foto: Alex Gallardo/ap

BERLIN taz | Die am Mittwoch in Washington vorgestellte Nationale Sicherheitsstrategie der US-Regierung unter Präsident Joe Biden sieht China als die größte Bedrohung an. „Russland und die Volksrepublik China bedeuten unterschiedliche Herausforderungen“, heißt es darin.

Russland bedeutet eine akute Bedrohung des freien und offenen internationalen Systems, indem es rücksichtslos die Grundsätze internationaler Ordnung verletzt, wie der brutale Angriffskrieg gegen die Ukraine gezeigt hat. China hingegen ist unser einziger Konkurrent, der sowohl die Absicht hat, die internationale Ordnung zu verändern, als auch mehr und mehr die wirtschaftliche, diplomatische, militärische und technologische Macht, diesem Ziel näher zu kommen.“

Jede US-Administration muss eine Nationale Sicherheitsstrategie vorlegen, und die verschiedenen Dokumente legen stets die Weltsicht der jeweiligen Regierung dar – und den Zeitgeist.

Tenor des 48-seitigen Biden-Papiers: Die Nach-Kalte-Kriegs-Zeit ist endgültig vorbei, das kommende Jahrzehnt wird entscheidend für die Ordnung der Welt sein. Nicht nur, weil das die Zeitspanne ist, in der klimapolitisch entschieden gehandelt werden müsse, um das 1,5-Grad-Ziel noch irgendwie zu erreichen.

Die USA müssen reagieren, so das Papier

Sondern auch, weil sowohl der derzeitige Krieg gegen die Ukraine als auch der Ausbau der chinesischen Fähigkeiten in allen Bereichen ernsthafte Versuche darstellen, die in der UN-Charta skizzierte Ordnung zugunsten autokratischer Herrschaft zu verändern.

Russland habe sich in den letzten zehn Jahren für eine imperialistische Außenpolitik entschieden und stelle nunmehr eine unmittelbare Bedrohung von Frieden und Stabilität dar. China nutze seine technologischen Fähigkeiten und seinen steigenden Einfluss in internationalen Institutionen, um die Interessen seines eigenen autoritären Modells weltweit voranzubringen.

Darauf müssten die USA reagieren, heißt es im Papier, und zwar einerseits durch eine Vertiefung ihrer bestehenden Bündnisse, vor allem aber durch Investitionen sowohl in eine Modernisierung des eigenen Militärs als auch der Infrastruktur innerhalb der USA. Es sei immer unmöglicher, eine klare Linie zwischen Außen- und Innenpolitik zu ziehen: Demokratische Resilienz im eigenen Land und die Fähigkeit zu internationaler Führung und Stärkung von demokratischer Selbstbestimmung anderer Länder gegen übergriffige Ambitionen anderer Mächte bedingten sich gegenseitig.

Klar grenzt sich Biden im Papier auch von seinem Vorgänger ab: Zu einen betont das Papier mehrfach, wie wichtig es sei, die Ergebnisse demokratischer Wahlen anzuerkennen. Und an mehreren Stellen wird klar, dass Donald Trumps Mantra des „America first“ mit dem erweiterten Sicherheitsbegriff, den Biden anlegt, nicht vereinbar ist.

Die Veröffentlichung des Papiers war eigentlich bereits für den letzten Winter geplant, dann aber wegen des unmittelbar bevorstehenden russischen Angriffs auf die Ukraine verschoben worden. Jetzt wird darin konstatiert, dass die zu beobachtende Schwäche der konventionellen russischen Streitkräfte womöglich die Bereitschaft Russlands zum Einsatz taktischer Nuklearwaffen erhöhen könnte. Die USA würden jedoch „nicht erlauben“, mit dem Einsatz oder auch nur der Drohung mit Atomwaffen andere Länder unter Druck zu setzen. Was das aber genau heißt, steht nicht im Papier – und Biden selbst wollte auch auf Nachfrage in ­einem Interview mit dem Fernsehsender CNN nicht konkreter werden.

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