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Sicherheitskonzept für FußballstadienHört der Spaß jetzt auf?

Pyrotechnik, Nacktkontrollen, Kollektivstrafen: Die Deutsche Fußball-Liga will ein neues Sicherheitskonzept beschließen. Die Debatte darum ist irrational.

So ist das aber auch kein Spaß Bild: imago/City-Press

BERLIN taz | Es könnte eigentlich eine ganz harmlose Veranstaltung werden, findet Volker Goll. Unter anderen Umständen würde man sich am Mittwoch in Frankfurt auf der Vollversammlung der Deutschen Fußball-Liga, wo die Vertreter der 36 Vereine des Ligaverbandes zusammenkommen, schnell über die Notwendigkeit von sicherheitspolitischen Maßnahmen einigen – auf fachlich sachlicher Ebene. Aber nüchtern und rational wird hierzulande schon lange nicht mehr über Gewalt im Fußball diskutiert.

„Da ist eine große Symbolik auf allen Seiten im Spiel“, konstatiert Goll von der Koordinationsstelle Fanprojekte, die zu zwei Dritteln vom Staat und zu einem Drittel vom DFB finanziert wird. Die Landesinnenminister haben parteiübergreifend eine Art Notstand ausgerufen. Strengere Maßnahmen, so ihre Forderung, müssen am Mittwoch auf der DFL-Versammlung unverzüglich verabschiedet werden, um den zunehmenden Gewalttaten wirkungsvoll begegnen zu können.

Die organisierte Fußballanhängerschaft sieht mit der für den 12. Dezember geplanten Abstimmung das Ende der deutschen Fankultur nahen. Die Fans fühlen sich durch populistische Politiker und rückhaltlose Sportfunktionäre in die Enge getrieben. Die derzeitige Debatte wird als Existenzkampf begriffen. In den letzten beiden Wochen wurde dies durch eine 12 Minuten und 12 Sekunden lange Grabesstille in den Stadien verdeutlicht.

DFL-Verbandschef Reinhard Rauball wiederum warnte in den vergangenen Tagen, am Mittwoch gehe es um die Autonomie des Fußballs. Paradoxerweise forderte er die Vereine um der Unabhängigkeit willen auf, im Sinne der Erwartungen der Politiker abzustimmen.

Die Debatte hat Tradition

Einmal im Jahr, wenn es in einem Bundesligastadion zu besonders aufsehenerregenden Ausschreitungen kommt, wird plötzlich erregt eine Grundsatzdebatte über Gewalt im Fußball geführt. Das hat Tradition. Warum aber konnte die diesjährige Debatte zu einer solch radikalen Zuspitzung führen?

Volker Goll misst der Pyrotechnikdebatte eine große Bedeutung zu. Die Fans wähnten sich im vergangenen Jahr im Dialog mit dem Deutschen Fußball-Bund über die Legalisierung von Pyrotechnik im Stadion. Der Verband schloss diese aber im Herbst 2011 kategorisch aus und erklärte, man sei von den Fans missverstanden worden. Seither würde Pyrotechnik als Waffe des Protests eingesetzt werden, erklärt Goll. „Das ist, wie wenn man dem Lehrer die lange Nase zeigt, und der regt sich dann prompt darüber auf. Das ist eine grotesk überhöhte Debatte.“

Eine weitere Beschleunigung erfuhr die irrationale Auseinandersetzung im Sommer dieses Jahres. Beim Relegationsspiel zwischen Fortuna Düsseldorf und Hertha BSC Berlin wurden nicht nur Bengalos gezündet und aufs Spielfeld geworfen. Zudem überwanden – in Vorfreude auf den bevorstehenden Aufstieg in die Erste Liga – feierwillige Fortuna-Fans die Zäune und stürmten versehentlich vorzeitig den Platz.

Mitte Juli kamen dann auf Druck der Politik die DFL und Vereine zum Sicherheitsgipfel zusammen. Im Beisein von Innenminister Hans-Peter Friedrich sollten die Klubs einen Verhaltenskodex unterschreiben, der ihnen erst ein Tag zuvor zugefaxt worden war. Eine Absprache mit der Fanszene war nicht möglich. Und auch bei der Ausformulierung des verschärften Sicherheitsentwurfs mit dem Titel „Sicheres Stadionerlebnis“ , den die DFL mit Klubvertretern ausarbeitete, ließ man die Fanvertreter außen vor.

Vollständiges Entkleiden war zuviel

Das Ergebnis war ein Papier, das die sowieso schon gereizten Fans auf die Barrikaden trieb. Öffentlich wurde vor allem die Kritik an den geplanten Containern aufgegriffen, in denen sich ausgesuchte Fans sogenannten Vollkontrollen unterziehen sollen. Das vollständige Entkleiden vor Stadioneintritt, das vereinzelt schon durchgeführt wurde, schien dadurch legalisiert zu werden.

Aber das Papier enthielt weitere strittige Punkte, die von der Arbeitsgemeinschaft Fananwälte als „rechtswidrig und unverhältnismäßig“ gegeißelt wurden – etwa die von der DFL geforderte Weitergabe von personenbezogenen Daten durch die Polizei und die Kollektivstrafen bei Verstoß gegen noch aufzustellende „Fanvereinbarungen“.

Aufgrund des massiven Protests zuletzt kommunizierten die DFL-Funktionäre allerdings ungewöhnlich intensiv mit den Klubanhängern und modifizierten ihr Konzept. Fanforscher Jonas Gabler findet diesen Prozess höchst spannend. Auf Fanseite würden das zwar viele als Taktiererei betrachten – aber „es kann auch einen guten Prozess in Gang bringen“. Die DFL-Funktionäre würden den Protest mittlerweile durchaus ernst nehmen. Aus dem Zusammenstoß der letzten Wochen könnte positive Energie entstehen – wenn die Innenminister das zulassen.

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12 Kommentare

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  • MT
    Mal Tee

    Einige Kommentare hier sind nicht zu ertragen und wären eigentlich eher in den Spalten der BILD oder Mopo zu erwarten. Da gehören Polemik und Unwahrheiten nämlich hin.

     

    Hier träumt doch der eine oder andere von einer gewaltfreien Gesellschaft. Hach, die Welt ist so einfach.

  • G
    GcSP

    an einem Wochenende Oktoberfest passieren mehr Straftaten und es gibt mehr verletzte als an 2 Spieltagen der ersten und zweiten Bundesliga! vielleicht sollte man mal darüber sprechen die Meinungs mache von Politik und Pseudo Medien ist zum Kotzen der 0 8 15 Ballermann Tourist wird geduldet aber Fussball Fans sind alle Verbrecher? vielleicht sollte die DFL mal drüber nach denken das der Sport von den Fans lebt und nicht umgekehrt...

  • TS
    Thomas Sch.

    Wenn man hört, was seit Wochen dazu gesagt wird, ist man erstaunt über die Fantasielosigkeit der Beteiligten: Konzeptpapier, Geld und Dialog. Das ist alles. Im Konzeptpapier steht dann bestimmt, man bräuchte mehr Geld und Dialog, die Geldforderung bezieht sich sicherlich auf das Herstellen weiterer Konzeptpapiere und das Ermöglichen des Dialoges und die Forderung nach mehr Dialog ergibt, daß man mehr Geld brauche und überdies ein neues Konzeptpapier. Man faßt sich an die Birne. Und dabei denken alle noch, sie würden was Schlaues von sich geben. Auf die Idee Krawallmacher als solche zu benennen und ggf. sogar auch zu bestrafen, kommt keiner. Was läuft denn hier für ein Film ab ?

  • B
    Bitbändiger

    Was Sie hier schreiben, Johannes Kopp, ist eine sehr entschärfte Version (c & p) der Abhandlung Ihres Kollegen Rüttenauer in der gestrigen (11.12.) Papierausgabe. Und über die bin ich aus allen Wolken gefallen. Gehört der Kollege evt. selbst irgendeiner "ULTRA"-Bande (von "Fans" rede ich in dem Zusammenhang nicht) an?

     

    Zunächst mal: Ich habe es SATT, mit meinem Steuergeld Woche für Woche Hunderttausende (wenn's reicht) Euros mitzufinanzieren, damit die Polizei verhindert, dass ein widerlicher, grölender, kotzender, besoffener Pöbel Züge zerlegt, durch Innenstädte marodiert, "Feinde", Unbeteiligte und Polizisten attackiert. Natürlich ist das nur eine Minderheit der Zuschauer. Aber sie ist da, setzt sich durch und prägt das Bild.

     

    Fußball hatte mal was mit Sport zu tun. Im Sport galt "Fairnis", will heißen: Man respektiert/achtet den Gegner, anerkennt seine Leistungen. Man pfeift ihn nicht schon vor Spielbeginn aus und grölt die "gegnerische" Nationalhymne (egal, wie man zu Hymnen steht) nicht nieder. Und damit rede ich jetzt vermutlich schon über eine Mehrheit heutiger Fußball-Zuschauer. Und schäme mich meiner tiefen Verachtung nicht.

     

    Dass irgendwo (z.B. in der taz) auch nur hypothetisch darüber nachgedacht wird, mit den "Ultras" über die "Legalisierung von Pyrotechnik in den Stadien" zu reden oder gar zu verhandeln, setzt der Liebdienerei noch die Krone auf. Wird man demnächst auch mit der Mafia darüber verhandeln, wo sie Drogen verticken und Schutzgelder erpressen dürfen?

     

    Ich war übrigens auch mal an Fußball interessiert. Die heutigen Gladiatorenkämpfe sind allerdings nur noch ein Wettstreit der Betriebswirtschaftler in den Vereinsführungen. Der Staat sollte deshalb endlich Prioritäten setzen und Rückgrat beweisen:

     

    - Lasst den Pöbel in den Stadien sich unbehelligt gegenseitig die Köpfe einschlagen,

     

    - zeigt außerhalb der Stadien die Härte, die sonst nur gegenüber (angeblich) "linken" Demonstranten polizeiüblich ist (meine Lebenserfahrung lehrt mich: Wo ein ansprechbarer Intellekt nicht mehr auffindbar ist, hilft allenfalls noch eine heftige mechanische Einwirkung auf den verbliebenen Hohlkörper),

     

    - bittet die Vereine, die ja auch drittklassigsten Ballquälern Millionengehälter zu zahlen in der Lage sind, endlich zur Kasse.

     

    Wenn das alles nichts hilft: Das, zu dem der Fußball inzwischen verkommen ist, zu verbieten, würde die Menschheit wahrlich nicht zurückwerfen.

  • AB
    Arne Babenhauserheide

    In Ägypten haben Fußballfans die Demonstranten gegen Schlägertrupps geschützt.

     

    Will man das hier in Deutschland schon im Vorfeld verhindern?

  • FR
    Frau Runzel

    Was ein schlechter Titel...

    Bei näherer Betrachtung des Themas geht es doch eindeutig um den Versuch (!) in Zusammenarbeit mit den Fans (!) Gewalt aus den Stadien und (bestenfalls) aus dem gesamten Phänomen Fußball zu schaffen!

    "Hört der Spaß jetzt auf" ist einfach eine vollkommen verfehlte Bezeichnung, da einfach derbes Fehlverhalten und Straftaten aufhören sollen und natürlich nicht der Spaß am Fußballfieber...

  • S
    Socke

    "Zudem überwanden – in Vorfreude auf den bevorstehenden Aufstieg in die Erste Liga – feierwillige Fortuna-Fans die Zäune und stürmten versehentlich vorzeitig den Platz. "

     

    Soll das Satire sein? "stürmten versehentlich" "Vorfreude" und "feierwillige Fans" ????

     

    Vielleicht sollte sich der Autor noch mal die Videos der entsprechenden Spiele anschauen.

    Wenn man als Familienvater seinen Söhnen das "Erlebnis" Fussball nicht mehr zumuten möchte, weil man sonst auch gleich dem jungen Sproß erlauben kann "Saw" oder "Final Destination" zu schauen, denn ANGST macht das was da abgeht sicherlich, dann hat das nichts mehr mit Fussball zu tun.

    Das dafür dann auch noch MASSIV Steuergelder ausgegeben werden müssen ist noch viel unverständlicher.

     

    Das die "Fanvertreter" das alles unmöglich finden, ist mir sowas von SCH...egal. "Hätte ich nicht hinkommen sollen", "Ist ein Lokalderby, da geht das halt zur Sache..." waren da Kommentare.

    Sorry, mit Sport hat das dann nix, gar nix mehr zu tun. Dann kann ich mich auch in eine Demo Antifa-gegen-Nazis stellen. Da werd ich auch, egal auf welcher Seite ich stehe, mit Sachen beworfen....

  • B
    Benga-No

    "Deutsche Fankultur"- was soll das sein? Nervende Bodybuilder-Hools, bengalogeile Ultra-Pubertierende? Was ist mit den Kindern, die vor solchen Spacken im Stadion Angst bekommen? St. Pauli hat eine tolle Fankultur- ohne diese verdammten Macho-Allüren o.g. Vollpfosten. Komplettes Bengalo-Verbot, Nacktkontrollen solcher Stadiongäste mit "Kategorie C"-T-Shirts wären durchaus sinnvoll. Der Spaß würde dann erst richtig losgehen, denn die echten Fans müßten kreativer werden. Bengalos kann jeder Spacken abbrennen.

  • FH
    freddy hanuk

    ja so ist`s schön...das volk wird weiter von der politik reglementiert. aber eine mehrheit der deutschen scheint ja drauf abzufahren in ihren rechten beraubt zu werden. also immer schön weiter merkel und konsorten wählen. dann wird alles gut! peace.

  • H
    hooligähn

    Eigentlich wäre es doch ganz einfach: Wenn die Fans sich nicht benehmen können, schicken die Vereine sie auf die "stille Treppe" vor dem Stadion und spielen im leeren Stadion - dann wird sich zeigen, wer abhängiger vom anderen ist.

    Wenn die Fans geloben, sich besser zu benehmen, lässt man sie dann auf Bewährung wieder rein; wenn das immer noch nicht klappt, holt man sich noch weitere Expertise bei der Super-Nanny.

     

    Fußballspielen ganz ohne Stimmung im Stadion; was in Leverkusen, Sinsheim oder München funktioniert, kann auch im Rest der Republik klappen.

     

     

     

    Allergikerhinweis: Dieser Kommentar kann Spuren von Meinung, Zynismus und/oder Erdnüssen enthalten.

  • MN
    Mein Name

    Wenn sich die Fans einigermassen normal benehmen und auf Gewalt und rassistisches Gegroele verzichten wuerden,haette sich das Problem in Luft aufgeloest.

     

    Aber das scheint ja ausserhalb jeder Diskussion zu sein.

  • T
    Thomas

    Gibt es wirklich noch "Fans" die zum Fussball gehen, wenn sie sich vorher ausziehen müssen (und dafür noch Eintrittsgeld bezahlen). Ach du sch... die Deutsch Fussballliga schafft sich ab.

     

    Mensch Leute das was die Funktionäre und Politiker wollen ist euer Geld !!!! (Wenn die Fan mit ihrer Pyrotechnik 40 Euro Eintritt pro Spiel bezahlen, dürfen sie sogar diese abbrennen).

     

    Geht mal nicht zum Fussball ins Stadion, geht einfach mal zum Verein um die Ecke, gebt denen doch euer Eintrittsgeld (manchmal auch noch viel billiger Eintritt).

     

    Wer will schon in Müchen, Bremen oder Berlin 40 Euro zahlen für 90 Minuten MILLIONÄREN!!! zu zuschauen, die sich bei Erfolg wichtiger nehmen als sie sind. DAS IST MIR FUSSBALL NICHT MEHR WERT.