Sicherheitsgutachten zu Shell: Neue Pannenserie unwahrscheinlich
Bei Shell gab es in den letzten Jahren eine Pannenserie. Nun hat das Umweltministerium NRW die Sicherheitslage untersucht. Der Ölkonzern hat offenbar dazugelernt.
DÜSSELDORF dpa | Eine Serie von Chemie-Unfällen bei der Shell Rheinland Raffinerie wird es nach Einschätzung unabhängiger Gutachter in der bisherigen Größenordnung wahrscheinlich nicht mehr geben. Experten, die das nordrhein-westfälische Umweltministerium beauftragt hatte, bescheinigen Shell, bereits erhebliche Anstrengungen unternommen zu haben, um Sicherheitsrisiken zu minimieren.
Das geht aus dem am Donnerstag in Düsseldorf vorgestellten Gutachten hervor. „Eine Häufung von Ereignissen wie in den vergangenen Jahren ist erheblich unwahrscheinlicher geworden“, heißt es in dem 166 Seiten starken Bericht. Eine wesentliche Ursache für mehrere Pipeline-Lecks waren demnach unzureichende Inspektionsintervalle. Das Sicherheitsmanagement sei „nicht ausreichend robust gewesen“, folgerte der Leiter des Gutachterteams, Prof. Christian Jochum. Rechtsverstöße seien aber nicht festgestellt worden.
Die gravierendsten Folgen hatte 2012 ein Pipeline-Leck in Wesseling: Damals war über vier Wochen mehr als eine Million Liter Kerosin unbemerkt ins Erdreich gesickert. „Wenn die defekte Kerosinleitung nach dem heutigen Stand der Technik betrieben worden wäre, wäre der Schaden sehr viel früher entdeckt worden“, stellte NRW-Umweltminister Johannes Remmel (Grüne) fest. Er forderte von der Bundesregierung erneut, den Bestandsschutz für alte Anlagen aufzuheben. „Es muss einen Zeitraum geben, nachdem Alt-Anlagen ausgetauscht werden.“
Raffinerie-Direktor Thomas Zengerly hielt dagegen: „Von einer generellen Verfallsgrenze halte ich nichts.“ Es müsse aber alles getan werden, damit Altanlagen keine Gefährdung darstellten. Dem sei Shell bei der Pannenserie zwischen 2012 und 2014 nicht gerecht geworden. „Wir haben die Ambition, nicht nur dir größte Raffinerie Deutschlands zu sein, sondern auch die sicherste“, sagte der Manager. „Da sind wir noch nicht.“
Zwischen 2012 und 2014 hatten sich Unfälle und Betriebsstörungen gehäuft: Vor einem Jahr war im Werk Godorf ein Tank mit krebserregendem Toluol explodiert. 2013 waren dort zwei Arbeiter bei einer Verpuffung schwer verletzt worden. „Es gibt nicht den einzelnen Fehler, auf den sich alle Ereignisse der letzten Jahre zurückführen lassen“, stellte Jochum fest. Lediglich bei den Leitungsleckagen zwischen Oktober und Dezember 2012 könne man sagen, dass wegen unzureichender Überwachung Korrosion zu spät erkannt worden sei.
Risikopotenzial ausgeklammert
Die Gutachter raten vor allem dazu, die Mitarbeiter besser zu schulen, zu sensibilisieren und die Kommunikation mit Nachbarn und Sicherheitsbehörden zu verbessern. Ihr Bericht gibt über 60 Empfehlungen. Vieles sei von Shell bereits angestoßen worden, stellte Jochum fest. „Verschiedene Probleme haben wir daher nicht mehr vorgefunden.“ Jetzt müsse dafür gesorgt werden, dass alles umgesetzt werde, mahnte der Bund für Umwelt und Naturschutz. Das Risikopotenzial der Ballung von Öl- und Chemie-Betrieben im Kölner Süden sei ausgeklammert worden, kritisierte er in einer Mitteilung.
Shell habe seit 2013 bereits alle 17.000 Leitungen mit wassergefährdenden Stoffen inspiziert, berichtete Zengerly. Die Nordtrasse, wo das Kerosin 2012 ausgetreten war, werde für zehn Millionen Euro oberirdisch verlegt. Die Rheinland Raffinerie verfügt über 60.000 Leitungen mit einer Gesamtlänge von rund 8.400 Kilometern. „Einmal Nürnberg-Nordkap und zurück“, erklärte ein Sprecher. Die Kosten für die Umweltschäden bezifferte Zengerly auf einen zweistelligen Millionenbetrag. Zudem habe Shell eine Geldauflage in Millionenhöhe gezahlt.
In Wesseling seien inzwischen etwa 270.000 Liter Kerosin, gut ein Viertel des ausgelaufenen Flugzeug-Treibstoffs, abgepumpt worden. „Das wird Jahre, wenn nicht Jahrzehnte dauern“, sagte Remmel. „Eine Gefahr für das Grundwasser ist derzeit nicht feststellbar.“
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