PR-Aktion des Ölkonzerns: Shell geht baden
Der Ölkonzern wollte in Berlin in einer PR-Veranstaltung sein Image aufpolieren. Am Ende mutierte der „Science Slam“ zu einer Anti-Shell-Aktion.
BERLIN taz | Im Fußball würde man sagen, bis zur 90. Minute sah alles ganz gut aus. Shell hat am Mittwochabend akademischen Nachwuchs ins Berliner Tempodrom geladen, zum „Science Slam“. Ein hippes Format mit Underground-Flair, in dem Studenten und junge Wissenschaftler in 10-minütigen Vorträgen spritzige Ideen, Theorien oder Erfindungen für eine bessere Welt möglichst lustig präsentieren.
Mit dabei und als letzter von sechs Beiträgen gesetzt ist ein Team um den Studenten Paul von Ribbeck mit folgender Idee: Ein Benzin-Auto, ausgestattet mit einer Art von neuartigem Katalysator, der das klimaschädliche CO2 gleich an Bord aus den Abgasen filtert. Ganz im Sinne eines multinationalen Ölkonzerns.
Einen Prototypen des Reinigungssystems haben sie gleich mitgebracht. Ein rollbarer Kasten, aus dem Schläuche führen. Ein Fake. Paul von Ribbeck heißt eigentlich Jean Peters, ein Berliner Politik-Aktivist und früherer taz-Kolumnist, der trotz zweier Master-Abschlüsse seinen Lebensunterhalt lieber als Clown verdient.
Es ist nicht der einzige Protest an dem Abend. Noch bevor Ex-MTV und heute ZDF-Kultur-Moderator Markus Kavka das Wort ergreift, steht ein Rapper auf und singt vom schwarzen Blut der Erde, das zum Himmel schreie, von Bohrungen in der Arktis und dem ölverseuchten Niger-Delta, in dem auch Shell fördert. Alles noch nach Plan, der hat sich bei den Veranstaltern angekündigt. Shell will ja kritisch diskutieren, erträgt die Gegner, so die Linie.
„Wir wollen das Auto der Zukunft bauen“
Ein Jury-Mitglied von Shell geht konstruktiv auf den Song ein, redet davon, wie groß die globalen Herausforderungen seien: „Wir müssen nach Alternativen suchen.“ Den ersten Vortrag hält Sven Benthin von der „Grünen Stadt Planungsgemeinschaft“, es geht, ernsthaft, um mehr Pflanzen in Städten doch auch hier: ein Haufen Anspielungen gegen Shell.
Empfohlener externer Inhalt
Benthin flucht über den Winter, zeigt Bilder von Snowboardern im Wüstensand und wünscht sich einen schnelleren Klimawandel. Auch der nächste Beitrag ist nur ein Vehikel für unverhohlene Kritik: Student Ian aus England erzählt was von Windmühlen und Batterien, eigentlich egal, am Ende ist eine Zitrone zu sehen und er verliest ein Manifest gegen Mineralölkonzerne.
Kavka nimmt es noch gelassen, die Jury klatscht gequält, freut sich danach über drei ernsthafte Vorträge über CO2-Abscheitung und Biosprit, bis Peters alias von Ribbeck seine Maschine präsentiert. „Wir wollen das Auto der Zukunft bauen“, sagt er und erzählt, wie er im Suff die bahnbrechende Idee eines klimafreundlichen Motors hatte.
Dann will er das Wunder präsentieren und drückt auf einen Knopf an seinem Gerät. Aus dem Inneren des Kastens ist ein Rattern zu vernehmen. Erst hebt sich der Deckel leicht, etwas quillt heraus. Peters bekommt scheinbar Panik, reißt den Deckel auf, eine Fontäne einer braun-schwarzen Flüssigkeit schießt heraus – Lebensmittelfarbe mit Wasser.
Keine Siegerehrung
Peters und sein Gehilfe sehen schnell aus wie zwei Ölbarone nach einer erfolgreichen Bohrung. Im Saal brandet Jubel auf, ein paar versuchen dagegen anzubuhen. Schließlich zieht Peters den Stecker und hält triefend eine Rede. „Hier kann man den Stecker ziehen, in der Arktis nicht“, sagt er.
Tumult, einer der Science Slamer schnappt sich ein Mikro und verteidigt Shell, einer aus dem Publikum brüllt zurück, man solle den Konzern zerschlagen, Kavka bricht die Sache ohne Siegerehrung ab. Er sitzt am Ende neben der Bühne und kritisierte die Aktion: „Ich finde es schade, dass die Leute, die hier mit Ernsthaftigkeit rangehen, ihrer Möglichkeiten beraubt werden.“
Shell sagt, der Science Slam sei nicht als PR, sondern als Plattform für junge Wissenschaftler gedacht. „Wir wollen den Dialog und respektieren andere Meinungen. Diese Aktion war dem Dialog aber nicht zuträglich“, sagte eine Sprecherin.
Hinter der Aktion steckt eine ganze Gruppe von Aktivisten. Ihnen geht es laut Peters nicht nur um Kritik an Shell, sondern auch um die Art des Protest: Die Zivilgesellschaft und Umweltverbände ließen sich mittlerweile auf zu viele Kompromisse mit Konzernen wie Shell ein. „Wer von einem radikalen Wandel spricht, der wird nicht mehr ernst genommen“, kritisiert Peters.
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