: Sicherheits-Detektive
■ Unfallforscher spüren im Detail den Ursachen für Verkehrsunglücke nach
Hannover. Sie sind 22mal um die Welt gefahren – immer nur zu Verkehrsunfällen. Seit 25 Jahren spüren die Unfallforscher der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) Ursachen für Verkehrsunglücke auf. Mehr als 900.000 Kilometer haben sie in dieser Zeit zurückgelegt, 14.000 Unfälle dokumentiert.
Als Dietmar Otte mit seinen Mitarbeitern am 2. März 1973 startete, waren Deutschlands Straßen unsicher wie nie. „Damals verzeichnete die Unfallstatistik mit fast 20.000 Verkehrstoten einen Höchststand“, sagt der Diplom-Ingenieur. Anlaß genug für die Bundesanstalt für Straßenwesen, das Projekt an der MHH einzurichten.
„Jeder Einsatz ist wie ein Kriminalfall“, so Otte. Man brauche Geschicklichkeit und Einfühlungsvermögen, um den Sachverhalt zu rekonstruieren. Und Geduld: Bis zu 3.000 Einzeldaten werden gesammelt und in die Datenbank eingegeben. „Uns interessiert, wo und wie sich ein Opfer verletzt haben könnte. Wir befragen die Betroffenen, fotografieren das Drumherum und skizzieren, wie sich das Fahrzeug auf der Straße bewegt hat.“An Bord des Einsatzwagens, der auch mit Blaulicht ausgestattet ist, ist neben den beiden Technikern auch immer ein Arzt, der die Rettungssanitäter bei der Erstversorgung unterstützen kann.
Von der Arbeit profitieren nicht nur die Verkehrsministerien, die Knotenpunkte entschärfen können, auch die Sicherheitsabteilungen der Industrie greifen auf die Ergebnisse zurück. „Wir machen auf Sicherheitsmängel aufmerksam und bringen Diskussionen in Gang“, sagt Otte. So wie 1980, als die MHH-Experten Fahrradunfälle untersucht hatten und zu dem Ergebnis gekommen waren, daß Helme einen Großteil an Kopfverletzungen verhindern können. „Die Meldung schlug damals ein wie eine Bombe.“Was damals für Aufruhr sorgte, ist heute in weiten Kreisen selbstverständlich: Der Fahrradhelm ist akzeptiert.
Otte sieht seine Arbeit als erfolgreich an. Mit gutem Grund: Der Negativrekord von 1973 ist bislang nie wieder erreicht worden. dpa
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