Sicherheit beim G20-Gipfel: Polizeieinsatz läuft aus dem Ruder
20.000 Beamte reichen nicht. Die Hamburger Polizei ordert Verstärkung aus anderen Bundesländern. An ihrem Vorgehen wird massiv Kritik geübt.
![Ein Mann steht gekrümmt im Strahl eines Wasserwerfers Ein Mann steht gekrümmt im Strahl eines Wasserwerfers](https://taz.de/picture/2117159/14/18735432.jpeg)
Aus mehreren Bundesländern wurden Hundertschaften in die Hansestadt geschickt, allein aus Berlin zwei. Die bundesweit bekannte Partyeinheit blieb laut eines Sprechers der Berliner Gewerkschaft der Polizei allerdings zu Hause.
Hintergrund für den Hilferuf waren offenbar die Ausschreitungen, die nach der Erstürmung einer Demonstration am Donnerstagabend begonnen hatten und Freitagfrüh schwere Ausmaße annahmen. Vermummte liefen in unterschiedlichen Stadtteilen durch die Straßen und steckten Autos in Brand. Sie errichteten Barrikaden, warfen Fensterscheiben ein. Laut Spiegel sah die Polizei am Freitagmorgen eine „Gefahr für Leib und Leben“.
Mit 20.000 BeamtInnen findet derzeit in Hamburg ohnehin schon einer der größten Polizeieinsätze der deutschen Geschichte statt. Über die Sicherheitsstrategie gibt es seit Wochen Debatten. Nachdem militante Gruppen mit Krawall gedroht hatten, kündigte die Polizei eine harte Linie an. Seit Beginn der Gipfelproteste geht sie massiv gegen zahlreiche Demonstrationsversuche vor.
![](https://taz.de/picture/2049194/14/G20_logo_final.jpeg)
Am 7. und 8. Juli treffen sich in Hamburg die Staatschefs der größten Industrie- und Schwellenstaaten zum G20-Gipfel. Die taz berichtet dazu in einem laufend aktualisierten Schwerpunkt und ab dem 1. Juli mit täglich 8 Sonderseiten.
„Komplett auflösen ist unverhältnismäßig“
Streit gibt es nun um die Frage des Vorgehens zu Beginn der militanten „Welcome to Hell“-Demonstration am Donnerstagabend, deren Verlauf allgemein als Richtungsentscheidung für die kommenden Tage gewertet wurde. Hunderte Beamte waren begleitet von Wasserwerfern und hartem Pfeffersprayeinsatz in die Demonstration gestürmt ehe diese sich in Bewegung setzen konnte. Vorausgegangen waren dem einige Personen, die ihre Vermummung nicht ablegen wollten und einzelne Flaschenwürfe.
Laut Marcel Kuhlmey, Professor an der Hochschule für Wirtschaft und Recht in Berlin, wich das Vorgehen der Polizei von der bundesweit üblichen Strategie bei Demonstrationen ab. „Eigentlich geht die Polizei nicht in eine Versammlung rein, um nicht zu provozieren“, so der ehemalige Polizist. Es sei „grundsätzlich unverhältnismäßig“, eine komplette Versammlung aufzulösen, nur weil einige der Demonstranten nicht friedlich sind.
Kuhlmey, der unter anderem Einsatzlehre unterrichtet, kann aber auch die Angst der Polizeiführung nachvollziehen, dass gewaltbereite Demonstranten in die Nähe des Veranstaltungsortes ziehen und dort Schaden anrichten. Insofern sei das Vorgehen nachvollziehbar. Die Polizei sei in einer „misslichen Lage“ gewesen, weil der Ort schlicht für eine solche Veranstaltung ungeeignet sei. Bei der Demonstration schallte es zu Beginn aus dem Lautsprecherwagen, man werde den G20-Gipfel zum Desaster machen.
Für Kritik sorgte auch, dass Insassen eines Busses von der Polizei aufgefordert wurden, ihre Handys zu entsperren. Es sollten offenbar die IMEI-Nummern der Geräte ermittelt werden. Dabei darf die Polizei nicht ohne Weiteres auf Mobiltelefone zugreifen. Sie betont, es seien keine Apps oder persönliche Daten ausgelesen worden.
„Definitiv kein Planungsfehler“
Die Hamburger Polizei wies auch die grundsätzliche Kritik zurück. Eine Sprecherin sagte, dass weitere Einheiten angefordert würden, sei „definitiv kein Planungsfehler“.
Die Bilanz in Zahlen blieb bis zum Freitagmittag überschaubar. Bis 13 Uhr meldete die Polizei lediglich 45 Festnahmen zur Identitätsfeststellung. Nur 15 Personen mussten anschließend in Gewahrsam – wenig, angesichts der teils heftigen Ausschreitungen. In der zentralen Gefangenensammelstelle ist Platz für 400 Personen. Bis zu dieser Uhrzeit waren laut Polizei 159 Beamte verletzt worden, unklar blieb zunächst wie schwer. Auch auf Seiten der DemonstrantInnen gab es Hunderte Verletzte, etwa durch den Einsatz von Pfefferspray.
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