Sicherheit an israelischem Flughafen: Geheimdienst darf E-Mails prüfen
Sicherheitsbeamte am Flughafen Ben-Gurion dürfen Reisende auffordern, deren E-Mail-Konto zu öffnen. Die Initiative dafür kam von einer Bürgerrechtsorganisation.
JERUSALEM taz | Wer auf dem Flughafen Ben-Gurion landet, kann von Sicherheitsbeamten dazu aufgefordert werden, das eigene E-Mail-Konto zu öffnen. Israels Generalstaatsanwalt Jehuda Weinstein entschied Mitte der Woche, nichts gegen diese umstrittene Handhabe des inländischen Geheimdienstes Shin Beth zu unternehmen.
Aufgrund der Schwierigkeiten, „relevante Informationen über ausländische Bürger einzuholen“, so heißt es in seiner Begründung, diene die „Befragung an den Grenzübergängen durch Shin-Beth-Beamte“ dem Zweck, Verdachtsmomente zu entkräften. Die Entscheidung folgt einer Eingabe der israelischen Bürgerrechtsorganisation „Association for Civil Rights“ (ACRI).
Israel ist mit den umstrittenen Einreiseregelungen vor zwei Jahren in die Schlagzeilen geraten, als rund 200 pro-palästinensische Aktivisten am Flughafen abgefangen wurden, die an einer Protestveranstaltung gegen die Gaza-Blockade und die Besatzung teilnehmen wollten. Ein Teil der Reisenden musste umgehend die Heimreise antreten, mehrere Aktivisten wurden für Tage im Gefängnis festgehalten. Regierungschef Benjamin Netanjahu rechtfertigte dies damals damit, dass man „öffentlichen Aufruhr“ habe verhindern wollen.
„Nur in Ausnahmefällen“, so betonte Generalstaatsanwalt Weinstein, werde ein Reisender dazu aufgefordert, sein E-Mail-Konto zur Kontrolle zu öffnen. Dazu sei es nicht nötig, das Passwort offenzulegen. Niemand werde zur Kooperation gezwungen, hieß es, allerdings könne eine Verweigerung zum Verbot der Einreise führen. ACRI reichte die Eingabe ein, nachdem im vergangenen Frühjahr und Sommer mehrere Fälle der Schikanierungen am Flughafen bekannt wurden. Einem Bericht der Zeitung Haaretz zufolge, waren die Opfer vor allem Touristen mit arabischen Namen.
„Wie ein Fenster zur Seele“
Die 25jährige New Yorker Architektin Najwa Doughman, die dem Bericht zufolge palästinensische Vorfahren hat und schon zum dritten Mal nach Israel reiste, musste stundenlange Befragungen über sich ergehen lassen sowie peinliche Untersuchungen ihrer Kleidung und ihres Gepäcks. Obschon Doughman ihr E-Mail-Konto öffnete, verwehrten ihr die Beamten die Einreise und verwiesen sie nach weiteren mehreren Stunden hinter verschlossenen Türen des Landes.
In zwei anderen Fällen mussten Reisende, die den Beamten den Zugang zu ihren E-Mail-Konten verweigerten, ebenfalls die Rückreise antreten. Bei den Flughafenbehörden, hieß es, dass das israelische Innenministerium für die Einreisegenehmigungen zuständig ist, und dass das Vorgehen der Beamten rechtmäßig gewesen sei.
Der Anwältin der Bürgerrechtsorganisation Lila Margalit leuchtet diese Erklärung nicht ein. „So wie ich das israelische Recht verstehe, wäre in jedem anderen Zusammenhang ein Untersuchungsbefehl nötig“, schreibt sie in Reaktion auf die Entscheidung Weinsteins. Der Posteingang eines E-Mail-Kontos sei „wie ein Fenster zur Seele“ eines Menschen, kritisierte die Bürgerrechtsaktivistin den Eingriff in die Privatsphäre der Reisenden.
Die Sicherheitsprozeduren an Israels Grenzübergängen bieten immer wieder Anlass zu Protest. Besonders lästig ist die Befragung durch das überwiegend sehr junge und bisweilen flegelhafte Sicherheitspersonal bei der Ausreise. Erst vor gut einem Jahr kam es zu einem Eklat mit dem französischen Filmemacher Claude Lanzmann, der im Anschluß an das übliche Verhör die Sicherheitsbeamtin von hinten umarmt und geküsst haben soll, bevor er für kurze Zeit festgenommen wurde.
Lanzmann dementierte sexistische Absichten. Er habe die Situation lediglich entspannen wollen. „Ich kenne die Sicherheitsmaßnahmen nur zu gut“, erklärte er damals gegenüber Haaretz. Die fragliche Beamtin hätte übertrieben und sich „sadistisch verhalten“, ohne Rücksicht auf sein Alter.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
„Männer“-Aussage von Angela Merkel
Endlich eine Erklärung für das Scheitern der Ampel