Showdown im Abgeordnetenhaus: Förderung wird Fall für den Rechnungshof
Kultursenatorin Sarah Wedl-Wilson bittet Behörde um Prüfung. Sie distanziert sich von Kritik des CDU-Abgeordneten Goiny an Haltung zu Antisemitismus.
taz | Als Vorwärtsverteidigung ließe sich wohl die Strategie der CDU am Donnerstag im Abgeordnetenhaus bezeichnen. 11.05 Uhr ist es, als im Plenarsaal die Fragestunde beginnt und aus der CDU-Fraktion – die als größte dabei stets auch als erste dran ist – an Kultursenatorin Sarah Wedl-Wilson die Frage nach dem Umgang mit Fördergeldern geht. Die hat zwar kein Parteibuch der CDU, ist aber von ihr ins Amt geholt worden und würde sich nun erstmals zu massiver Kritik auch an ihr selbst äußern müssen
Selten war vor einer solchen Fragestunde klarer, worum es darin vorrangig gehen würde: um die Vorwürfe zur mindestens höchst ungewöhnlichen, wenn nicht unkorrekten Verteilung von Fördergeldern an Projekte gegen Antisemitismus in der CDU-geführten Kulturverwaltung und die Rolle führender CDU-Abgeordneter dabei. Grüne und Linke würden definitiv danach fragen, und das weit aggressiver als die zahme Frage nach dem bloßen Umgang und der Nachfrage, was der Senat denn zu den jüngst aufgekommenen Vorwürfen sage.
Und so kann Wedl-Wilson, die im Mai von der Staatssekretärin zur Senatorin und Nachfolgerin des zurückgetretenen Joe Chilao (CDU) wurde, erst weiter ausholen und sich grundsätzlich beim Parlament für die Fördermittel gegen Antisemitismus bedanken. Erst dann versichert sie, die ja selbst in der Kritik ist: „Ich möchte hier aufräumen und ich stehe für Aufklärung.“
Auf die Nachfrage hin, wie sie denn zu den Vorwürfen steht, folgt die Information: „Ich habe ich den Landesrechnungshof um eine Prüfung des gesamten Vorgangs gebeten.“ Wenn formale Fehler passiert seien, „werden wir die beheben.“ Ihr Ziel sei, die Fördergelder „zügig und rechtssicher für geeignete Projekt auszugeben.“
Senatorin: Alles geprüft
Vor allem an der Zuschreibung „geeignet“ wecken taz-Recherchen zu Förderungsempfängern Zweifel. Ein Förderbescheid über 39.000 Euro ging etwa an die Immobilienfirma Fablhaft, nach eigenen Angaben ein „erfahrenes Unternehmen im Bereich der Immobilienverwaltung und Neubautenentwicklung“. Ihr Geschäftsführer ist laut Impressum: „Max Mustermann“, die Handelsregisternummer soll 12345 sein, die Umsatzsteuer-ID DE123456789.
In der Kritik steht, dass die Spitze der Kulturverwaltung – also erst Chialo, dann Wedl-Wilson – gut ein Drittel eines 10-Millionen-Fördertopfes gegen Antisemitismus ohne Einbindung der eigenen Fachleute vergeben haben soll. Dabei sollen sie sich an einer Liste orientiert haben, die von CDU-Fraktionschef Dirk Stettner und Christian Goiny kam, dem langjährigen haushaltspolitischen Sprecher der Fraktion. Wedl-Wilson widerspricht dem Vorwurf, die hauseigene Expertise außen vor gelassen zu haben: „Alle Projekte sind im Fachreferat geprüft worden.“
Goiny ist währenddessen nicht auf seinem Platz in der vierten Reihe der CDU-Fraktion zu sehen und doch gegenwärtig. Als nämlich die Grünen mit ihrer Frage an der Reihe sind, zitiert ihr Abgeordneter Daniel Wesener, einst Finanzsenator, nun ihr Sprecher seiner Fraktion für Kulturfinanzierung, eine Äußerung Goinys auf der Social-Media-Plattform Facebook.
Darin spricht der CDU-Politiker davon, dass der Kampf gegen Antisemitismus auch in der Kulturverwaltung auf Widerstände treffe. Mitgliedern einer Jury, die über einen Fördertopf entschied, hält er vor, ihre Haltung zum Antisemitismus sei „zumindest fragwürdig“. Ob der Senat diese Ansicht teile, will der Grünen-Abgeordnete Wesener wissen. Wedl-Wilsons Antwort kommt ohne Vorrede und Umschweife: „Wir distanzieren uns von diesen Äußerungen.“
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