Sharjah Biennale und Art Dubai: Kunst am Golf in getrübtem Glanz

Nach der Art Dubai präsentiert sich auch die Sharjah Biennale in den Vereinigten Arabischen Emiraten optimistisch. Trotz Finanzkrise will man die arabische Kunst stärken.

"Westbank Butterfly" - das Werk des algerischen US-Amerikaners Nida Sinnokrot schafft Sozialkritik aus Baumaschinen. Bild: Sharjah Biennale

Die mächtigen Lkw-Reifen, die die Hafenarbeiter im Golfemirat Sharjah auf der Mole stapeln, sind sorgfältig mit einer glänzenden Folie umhüllt. Im Licht der Mittagssonne, die die staubige Stadt noch fahler und die mageren Arbeiter noch schärfer zeichnet, liegen sie da wie gigantische Silbertaler, wie eine Fieberfantasie der Scheiche und Investoren. In diesen Tagen werden auch die Vereinten Arabischen Emirate (VAE) vom Albtraum der Wirtschaftskrise heimgesucht, besonders Sharjahs Nachbarstaat Dubai, in dem bis letztes Jahr das Immobilien-, Finanzdienstleistungs- und Mediengeschäft blühte. Nach außen macht man weiter wie zuvor, eröffnet Prestigeprojekte wie die Kunstmesse Art Dubai und die Sharjah Biennale mit dem üblichen Glanz.

Doch die wiederkehrende Besucherin entdeckt die Risse in der Fassade. Viele Baustellen, auf denen vor einem Jahr eifriger Betrieb herrschte, stehen still. In der Branche herrschen Zahlungsverzögerungen von neun Monaten, berichten die Zeitungen. Pro Monat würden 30.000 Arbeiter in ihre Heimatländer Pakistan, Indien, Sri Lanka oder die Philippinen abgeschoben, erzählt ein Pakistani. Dubai soll inzwischen 60 Milliarden Euro Schulden haben, nicht ganz so viel wie Berlin aber man nähert sich an.

Für die Entwicklung der Kunstszene und des Kunstmarktes hat dies unterschiedliche Auswirkungen: Während sich die Marktdynamik auf der Art Dubai deutlich abgeschwächt zeigte, gewann die inhaltliche Auseinandersetzung auf der Messe und auf der Sharjah-Biennale an Qualität.

Ziad Antar etwa hätte sich wohl kaum träumen lassen, wie aktuell seine Fotoserie zu Bauruinen in Sharjah wirken würde. Antar hat ehrgeizige Hotelprojekte aus den 1960ern und 1970ern in Beirut dokumentiert, als es der Libanon war, der die arabische Moderne verkörperte. Doch zuletzt dienten die Betonskelette nur noch als Unterschlupf für Hisbollahmilizen.

Auch Reem Al Ghaith aus Dubai setzt kritische Assoziationen zu ihrer Heimat frei. Die junge Kunsthochschulabsolventin, die die Vereinigten Arabischen Emirate auf der Venedig Biennale repräsentieren wird, hat eine Assemblage aus Pappkartons, Absperrband und Werkzeug geschaffen - eine wohl einmal sorglos gemeinte Szene mit Häusersilhouetten und Baustellen-Atmosphäre.

Rund 80 internationale Künstler sind bis 16. Mai in der Ausstellung und dem Film- und Performance-Programm der Sharjah Biennale zu sehen, davon rund 40 aus dem mesopotamischen, arabischen und nordafrikanischen Raum. Der öffentliche und private Raum bilden zentrale Themen, ebenso wie der Übergang von alten, tradierten Lebensweisen in neue, ungesicherte. Humorvoll ging es das slowenische Künstlerduo Nika Oblak und Primoz Novak an, das ein fiktives Schubkarrenrennen von Ljubljana nach Sharjah inszenierte. Jane und Louise Wilson kombinieren Aufnahmen aus der Industrieproduktion für Rolls Royce und Bombardier mit den Stimmen von bosnischen Flüchtlingen, also die freiwillige, luxuriöse Mobilität des Westens. Der algerischstämmige US-Amerikaner Nida Sinnokrot hat zwei Baggerschaufeln zusammenmontiert, so dass sie einander gegenseitig bedrohen und einen Menschen, der dazwischen geriete, zermalmen würden. Auch der Titel ist voll böser Ironie: "Westbank Butterfly".

Der Jurypreis der Biennale ging jedoch an eine hintergründige und sehr zarte Arbeit: Die frühere Meisterschülerin der Berliner Universität der Künste, Hamra Abbas, hat Porträts von 99 Koranschülern und -schülerinnen angefertigt. Dabei half eine weitere Ausbildung als Miniaturmalerin im pakistanischen Lahore der gebürtigen Kuwaiterin, die Köpfe der Kinder auf kleinstem Format ungemein präsent zu machen. Leider lässt die Meisterschaft einer Künstlerin wie Abbas die formalen Schwächen vieler anderer Teilnehmer umso deutlicher hervortreten.

Die Sharjah Biennale hat durch ein Förderprogramm den Künstlern die Möglichkeit gegeben, sich mit Projektideen zu bewerben; die angenommenen Projekte wurden automatisch Teil der Ausstellung. Einigen Arbeiten sieht man den guten Willen und die unzureichende Umsetzung doch sehr an. Aber auch mit dieser Einschränkung ist die neunte Sharjah Biennale (und die vierte unter der Direktion von Hoor Al Qasimi, der als Künstlerin und Kuratorin ausgebildeten Tochter der Sharjah-Emirs) ein Gewinn für die junge arabische Kunstszene. Sie bringt neue Impulse und ermöglicht den Bewohnern der Region, sich mit den Ästhetiken und Ansätzen von zeitgenössischer Kunst vertraut zu machen. Überrascht hat, dass der Direktor der Kulturbehörde von Dubai, Michael Schindhelm, bei keiner der Debatten auftrat. Die Gerüchteküche kolportiert, dass die Tage des deutschen Gastarbeiters am Golf gezählt seien.

Auch die Messe Art Dubai ist für den Prozess der Internationalisierung und Professionalisierung des Kunstgeschehens am Golf seit 2007 eine wichtige Plattform. Die Geschäftsaussichten für die dritte Ausgabe Mitte März waren von vornherein tief gehängt worden, und tatsächlich hatten es selbst Stargaleristen wie Lisson aus London schwer, ihre Starkünstler wie Anish Kapoor abzusetzen.

Es gab aber auch Ausnahmen. Der Berliner Galerist Michael Schultz etwa hatte ein großes, bunt bemaltes Auto aus Emaille von der chinesischen Künstlerin Ma Jun dabei, um das sich der Emir von Dubai und die Flughafengesellschaft von Quatar bemühten, am Ende machte der Flughafen das Rennen. Volker Diehl präsentierte den Ägypter Youssef Nabil mit glamourös- melancholischen Fotos von Shirin Neshat und anderen Künstlern aus dem mesopotamischen und arabischen Raum. Der Galerist aus Berlin und Moskau hat Nabil bei seiner ersten Art Dubai 2008 entdeckt. Es sind Beispiele, wie der neue Hype um Künstler aus dem arabischen Raum international an Fahrt gewinnt.

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