Share Deals bei Immobilienfirma: SPD zeigt Akelius an
Die Bundestagsabgeordnete Cansel Kiziltepe (SPD) hat die Steuerfahndung alarmiert. Ihr Verdacht: Akelius soll in Neukölln Steuern hinterzogen haben.
Immobilien-Firmen sind dafür berüchtigt, mittels sogenannter Share Deals die beim Kauf von Häusern fällige Grunderwerbssteuer sowie das kommunale Vorkaufsrecht in Milieuschutzgebieten auszuhebeln. Aufgrund von Steuerschlupflöchern ist das bislang völlig legal – im vorliegenden Fall hat Akelius nach dem Dafürhalten von Kiziltepe allerdings die Grenze zur Illegalität überschritten. Sie bat die Steuerfahndung um die Prüfung der Vorgänge. Akelius wollte sich auf Nachfrage der taz nicht zu den Vorwürfen äußern. Eine Anzeige sei dort noch nicht bekannt, man halte sich an geltendes Recht.
Kiziltepe hat da so ihre Zweifel. Sie sitzt als Finanzpolitikerin für die SPD Friedrichshain-Kreuzberg im Bundestag und will in dieser Legislatur das Steuerschlupfloch um Share Deals schließen. Bislang scheitert sie dabei bislang nach eigener Aussage allerdings am Koalitionspartner CDU/CSU, die mit „fadenscheinigen Argumente wirksame Änderungen verhindern“, wie Kiziltepe der taz am Freitag sagte.
Auch um wieder Schwung in diese Debatte zu bekommen, habe sie sich dazu entschlossen, ihre Anzeige öffentlich zu machen. Zuvor hatte sie Freitagfrüh entsprechende Unterlagen bei der Steuerfahndung eingeworfen.
Schamlos und dreist
„Akelius treibt nicht nur die Mieten aggressiv in die Höhe, sondern versucht sich auch schamlos um jeden Steuercent zu drücken“, schrieb sie auf Twitter. Mit diesem dreisten Share Deal in Neukölln sei der schwedische Immobilieninvestor jedoch zu weit gegangen.
Empfohlener externer Inhalt
Bei Share Deals gründen Unternehmen eigene Unterfirmen, denen Sie dann bestimmte Immobilien zurechnen. Wenn Sie dann lediglich Firmenanteile und nicht die Immobilien oder Häuser als solche verkaufen, bleibt der Grundbucheintrag derselbe, sodass keine Grunderwerbssteuer fällig wird.
Zumindest dann nicht, wenn die Firma über einen Zeitraum von fünf Jahren nicht mehr als 94,9 Prozent der Anteile erwirbt und der Rest einem unabhängigen Co-Investor gehört. „Beim Erwerb des Hauses in der Boddinstraße scheint der Co-Investor aber alles andere als unabhängig zu sein“, sagt Kiziltepe.
Bei diesem Share Deal sei der auf Zypern ansässige Co-Investor Giannis Beta Ltd. ungewöhnlich eng mit Akelius verknüpft: Die Geschäftsführer der Firma seien auch in unterschiedlichen Positionen für Akelius tätig – unter anderem im Stiftungsrat der Akelius Stiftung auf den Bahamas und im Vorstand der schwedischen Muttergesellschaft.
Share Deals: Die sogenannten Share Deals („Anteilskauf“) sind die große Unbekannte des Immobilienmarkts. Der englische Begriff bezeichnet einen einfachen Verkaufstrick in der Immobilienbranche, mit dem sich die großen Player oftmals der Grunderwerbssteuer entziehen. Der Verkäufer überträgt dafür das Haus in eine eigens dafür gegründete Firma und verkauft dann einfach die 94,9 Prozent der Anteile dieser GbR oder GmbH, den Rest kauft eine andere (Schein)-Firma oder verbleibt für einen Zeitraum von 5 Jahren beim Vorbesitzer. De facto wird dann kein Haus und auch kein Grundstück verkauft, sondern nur Anteile an einer Firma. Der Eintrag im Grundbuch ändert sich nicht und es wird keine Steuer fällig.
Blinder Fleck: Mit Share Deals lassen sich auch das in Berlin existierende kommunale Vorkaufsrecht in sozialen Erhaltungsgebieten umgehen, die besonders von Mietsteigerungen und Verdrängung bedroht sind. Denn in diesen Milieuschutzgebieten kann der Bezirk zwar einen Verkauf von Immobilien untersagen und selbst zugunsten städtischer Wohnungsgesellschaften zuschlagen, aber nur, wenn er das auch mitbekommt. Bezirke erfahren von Immobilienverkäufen aber nur, wenn ein Notar den Grundbucheintrag ändert – genau das aber passiert bei einem Share Deal nicht. Die Grunderwerbssteuer gilt in der Immo-Branche aufgrund der Schlupflöcher auch als „Dummensteuer“.
Ebenso sei der zypriotische Investor an Teilen der Akelius Gruppe beteiligt. „Für einen normalen Menschen liegt der Eindruck nahe: Das sind zwei Teile einer Unternehmensgruppe“, sagt Kiziltepe. „Der Anzeige ist eine gründliche Recherche vorausgegangen – die Steuerfahndung soll das jetzt bitte prüfen“, fordert Kiziltepe. Sie hoffe, dass nun auch wieder Schwung in das Gesetzesvorhaben komme.
„Kein Mensch kann verstehen, warum normale Bürger beim Hauskauf Grunderwerbssteuer zahlen müssen, große Konzerne diese Steuer aber legal umgehen können. Den Finanzämtern entgehen so jährlich Milliarden“, so Kiziltepe. Berlins Finanzsenator Kollatz (SPD) hatte den jährlichen Schaden für die Hauptstadt vergangenes Jahr auf 100 Millionen Euro geschätzt (taz berichtete).
Die in der großen Koalition auf Bundesebene regierende SPD will das Grunderwerbssteuerrecht reformieren. Kiziltepe strebt eine Herabsenkung des Schwellenwerts für Grunderwerbssteuer beim Erwerb von Wohnungsgesellschaften auf 75 Prozent an sowie eine Ausweitung des Erwerbszeitraumes auf zehn Jahre. Ein früher geplanter Gesetzesentwurf, der die Schwelle auf 90 Prozent herabsetzen wollte, gehe nicht weit genug, sagte Kiziltepe am Freitag. Das hätten sämtliche Experten bei Anhörungen zum Thema im Bundestag bestätigt.
Im übrigen zeige dies aber auch der vorliegende Fall: Hier habe Akelius bereits die ursprünglich geplante Gesetzesnovelle mit der Herabsenkung auf 90 Prozent antizipiert. So habe eine Gesellschaft 89,9 Prozent der Anteile an der Boddinstraße 8 gekauft und der Co-Investor aus Zypern 10,1 Prozent.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Interner Zwist bei Springer
Musk spaltet die „Welt“
Kaputte Untersee-Datenkabel in Ostsee
Marineaufgebot gegen Saboteure
BSW-Anfrage zu Renten
16 Millionen Arbeitnehmern droht Rente unter 1.200 Euro
Deutsche Konjunkturflaute
Schwarze Nullkommanull
Nach dem Anschlag von Magdeburg
Wenn Warnungen verhallen
Psychiater über Kinder und Mediennutzung
„Die Dinos bleiben schon lange im Schrank“