Shabazz Palaces, HipHop aus der Zukunft: Paläste, größer als das Jetzt
Die Musik der Shabazz Palaces ist unwiderstehlich funky, kompliziert und tanzbar zugleich. Am Montag spielten sie im Berliner Gretchen.
Shabazzzz. Das klingt, wenn man das weiche s am Ende langsam und genüsslich aushaucht, sehr samten und verführerisch. Wie die Sounds und Rhythmen von Shabazz Palaces, die am Montagabend das Gretchen in Schwingung versetzen. Bis sogar die Säulen sachte twerken.
Das Duo hat im Sommer zwei Alben innerhalb kurzer Zeit bei Sub Pop veröffentlicht. „Quazarz: Born on a Gangster Star“ und „Quazarz vs. The Jealous Machines“. Ishmael Butler a.k.a. Palaceer Lazaro nannte sich in den Neunzigern, als er bei den Digable Planets rappte, noch Butterfly. Der Palaceer hat kurz geschnittene Haare und einen Bart. Seine Kombi ist moonwashed, die Hosen sehr kurz. Die Turnschuhe weiß, die Sonnenbrille groß.
Eine überdimensionierte Sonnenbrille – möglicherweise eine Hommage an George Clinton – hat auch Tendai „Baba“ Maraire auf der erkälteten Nase. Zwischendurch, sofern es die Zeit erlaubt, weil er vor allem für den Sound verantwortlich ist, trinkt der Mann mit den langen Dreads Tee.
Maschine und Tierfell
Maraire steuert seine Maschinen am liebsten per Drumstick und Pad. Er trommelt aber auch auf Tierfellen. Und manchmal, das sind die schönsten rhythmischen Momente, trommeln Maraire und Palaceer Lazaro gegeneinander an. Maraire auf seinen Trommeln, Butler auf einem Drumpad. Polyrhythmische Muster senden ihre präzisen Kommandos an die empfangenden Organe: „We expand the now. Let me show you how.“
Palaceer Lazaro rappt über die Liebe, über Geld und Blackness. Wenn er über die Bühne tanzt, sind die Echos afrikanischer Tänze nicht zu übersehen. „I practice in Blackness when macking my flows. This for an African niggas I know“, rappt er. Manchmal bewegen sich Palaceer und sein Partner Maraire synchron zu präzisen, kurzen Choreografien.
Palaceer tut alles mit einem Lächeln, das aus einer anderen technologischen Zeit zu kommen scheint. Breitwandkino in Technicolor. Während Palaceer rappt, haucht Maraire geisterhafte, filterverzerrte Melodien ins Mikro.
Die Familie der Lamellaphone
Maraire trägt eine Baseballjacke mit aufgestickten rechteckigen Glitzerelementen auf dem Rücken. Sein Gesicht ist konzentriert, während er seine komplexen Rhythmen trommelt und virtuos ein Instrument durch ein anderes ersetzt.
Tendai Maraire ist der Sohn des Mbira-Meisters Abraham Dumisani Maraire aus Simbabwe. Sohn Tendai hat, so sieht es aus, auch eine Mbira dabei. Mbiras gehören zur Familie der Lamellaphone, sie wurden schon vor dreitausend Jahren in Afrika gespielt. Dass Afrika für Shabazz Palaces eine wichtige Rolle spielt, verraten sie nicht nur mit ihren Rhythmen, sondern auch mit ihrem Namen.
Der Stamm von Shabazz
Shabazz Palaces klingt wie der Name einer Schwulen-Disco. Die Opulenz, die Körperlichkeit und die Sounds der Palaces knüpfen an die glamouröse Tradition von Disco an. Dabei, Widersprüche sollen vorkommen in der Welt, verweist der Name Shabazz auf keine besonders tolerante, körperfreundliche oder gar queere Tradition.
Malcolm X hatte den Namen El-Hajj Malik El-Shabazz angenommen, nachdem er von seiner Pilgerreise nach Mekka zurückgekehrt war. Nach der Lehre der nicht für ihren Liberalismus bekannten Nation of Islam hat Gott erklärt, Afroamerikaner seien die Nachkommen der Asian Black Nation. Genauer des Stamms von Shabazz, der einzige überlebende von dreizehn Stämmen, die vor 66 Trillionen Jahren auf der Erde lebten.
Durch die Musik der Shabazz Palaces geistern nur ferne Echos solcher Ideen, mit den sie spielen wie mit musikalischen Zitaten. Es ist eine oft außerirdisch, robotisch und kalt klingende und doch fröhliche, lebensbejahende Musik, die Shabazz Palaces auf die Bühne stellen als hyperartifizelle, grell blinkende, sanft alle Gliedmaßen animierende Sexmachine.
Cyberpunk, Cyberfunk. Gesegnet von der Déesse Du Sang.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!