Sexualstraftäter Garry Glitter: Der Sound des Missbrauchs
Der Kinofilm „Joker“ verhandelt die Folgen von Kindes-missbrauch. Ein Song kommt von einem Sexualstraftäter. Fans kritisieren diese Wahl.
Der Superheldenfilm „Joker“ ist schon nach dem ersten Wochenende ein Kassenschlager, 150 Millionen Dollar wurden bereits eingespielt. Am Donnerstag startet der Film auch in Deutschland. Doch nun rufen zahlreiche Fans auf Twitter dazu auf, den Film zu boykottieren. Grund ist eine Schlüsselszene des Films, in der Joaquin Phoenix als Joker Treppenstufen heruntertanzt, während im Hintergrund „Rock and Roll Part 2“ gespielt wird, ein Song von Gary Glitter.
Der Glamrocker wurde im Frühjahr 2015 wegen sexuellen Missbrauchs an einem 13-jährigen Mädchen zu 16 Jahren Haft verurteilt. Paul Francis Gadds, wie Glitter mit bürgerlichem Name heißt, ist damals nicht zum ersten Mal durch pädophiles Verhalten aufgefallen. 1999 wurde er festgenommen, weil er pornografische Aufnahmen von Kindern heruntergeladen hatte. 2006 belästigte er in Vietnam zwei Mädchen im Alter von elf und zwölf Jahren und saß dafür zwei Jahre im Gefängnis.
Fans und Kritiker*innen sind empört, dass Warner Bros. wissentlich den Song eines mehrfach verurteilten Sexualstraftäters ausgewählt hatte, und befürchten nun, dass Glitter dadurch viel Geld verdienen könnte. The Sun berichtete, dass ihm die zwei Minuten im Film mehrere hunderttausend Pfund einbringen könnten.
Der Guardian berichtet zwar von weniger, rund 30 Prozent der Einnahmen, doch der Ärger in sozialen Netzwerken ist groß: „Sie bezahlen buchstäblich einen Sexualstraftäter dafür, seine Musik in einem Film über die Konsequenzen von Kindesmisshandlung zu spielen. Ich falle aus allen Wolken, das ist unmoralischer Bullshit“, hieß es in einem Tweet. Ein anderer schreibt: „Garry Glitter als Soundtrack ist der größte Horror.“
Regisseur gegen „woke culture“
Regisseur Todd Phillips ist nicht der Erste, der den Song als Soundtrack benutzt, auch Richard Linklater hat 2014 für seinen Film „Boyhood“ Glitters Musik gewählt. Zwar ist es nicht verboten, die Musik von Glitter weiterhin zu spielen, doch stellt sich in der Debatte die Frage, ob es moralisch vertretbar ist, die Lieder eines Sexualstraftäters zu spielen.
Zumal die Filmindustrie in der #MeToo-Debatte glimpflich davonkam: Kevin Spacey wurde freigesprochen, John Lasseter ist zu einem anderen Animationsstudio gewechselt, und Harvey Weinstein wird vermutlich auch davonkommen.
Empfohlener externer Inhalt
„Joker“-Regisseur Phillips kritisierte erst kürzlich die in amerikanischen Comedy-Formaten vorherrschende „woke culture“ – eine Kultur, die vermeintlich zu empfindlich auf rassistische, sexistische oder soziale Diskriminierungen reagiert.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Stellenabbau bei Thyssenkrupp
Kommen jetzt die stahlharten Zeiten?