Sexualstrafrecht in Spanien: Nur Ja heißt Ja
In Spanien verabschiedet das Parlament ein Gesetz, was den Straftatbestand sexueller Aggression auch in Beziehungen deutlich ausweitet.
Das Paragrafenwerk stammt aus der Feder der Gleichstellungsministerin Irene Montero aus den Reihen der Unidas Podemos. Die spanische Koalitionsregierung aus Sozialisten und Linksalternativen unter Pedro Sánchez reagiert damit unter anderem auf ein Verbrechen aus dem Jahr 2016. Damals vergewaltigte eine Gruppe von fünf Männern auf dem bekannten Volksfest San Fermin in Pamplona eine junge Frau mehrmals und filmte sich gar dabei. Da sich das Opfer nicht wehrte, sahen die Richter nur Missbrauch und keine sexuelle Aggression, also eine Vergewaltigung, gegeben. Es kam überall im Land zu Massenprotesten unter dem Slogan „Nur Ja ist Ja!“
Eine Unterscheidung zwischen Missbrauch und Aggression wird es künftig nicht mehr geben. Gibt es keine Zustimmung, ist es eine Vergewaltigung, auch wenn sich das Opfer nicht wehrt. Die Strafen auf Vergewaltigung fallen mit bis zu 15 Jahren wesentlich höher aus als beim jetzt abgeschafften Missbrauchstatbestand. „Die Frauen haben endlich ein Gesetz, das ihre sexuelle Freiheit garantiert“, erklärte Montero. Es hatte über zwei Jahre gedauert, bis das Werk den Weg durch alle Instanzen nahm.
Das neue Gesetz legt den Begriff der sexuellen Aggression breit aus. Nicht nur direkte Übergriffe gelten als sexuelle Gewalt, sondern auch Belästigungen, Exhibitionismus, sexuelle Provokation, sexuelle Ausbeutung, der Missbrauch Minderjähriger jeglicher Art, weibliche Genitalverstümmelung, Zwangsehe, Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung sowie die Verbreitung sexueller Gewaltakte in digitalen Medien oder sexuelle Erpressung etwa in Netzwerken und Chats. Auch Werbung für Prostitution ist nun verboten.
Doch damit nicht genug. Der Straftatbestand der Vergewaltigung wiegt schwerer, wenn die Frau etwa mit K.o.-Tropfen willenlos gemacht wurde. Auch wenn der Täter der Partner oder Ex-Partner ist, kommt dies erschwerend hinzu. Für die Opfer wird es Hilfsprogramme geben. Vor Gericht wird alles getan, damit das Opfer nicht ein zweites Mal leiden muss. Sichtschutz gehört ebenso dazu, wie die Möglichkeit im Voraus auszusagen, damit bei der Verhandlung dann nur noch die Aufnahme abgespielt wird. Zusätzlich zu den Haftstrafen wird ein Recht auf Schadensersatz eingeführt.
Das Gesetz wurde vom Parlament mit 201 gegen 140 Stimmen bei drei Enthaltungen verabschiedet. Die konservative Partido Popular und die rechtsextreme Vox stimmten geschlossen dagegen. Die Vox-Abgeordnete Carla Toscano erklärte, es sei „für einen Mann unmöglich, die Zustimmung zu beweisen.“ „Das Justizsystem ist gezwungen, Frauen ohne Beweise zu glauben“, fügt sie hinzu. Das sei eine „Waffe, um sich zu rächen“. Außerdem befürchtet sie, dass künftig der Brauch, Frauen auf der Straße Komplimente hinterherzurufen, kriminalisiert würde.
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