Sexualisierte Gewalt in Osttimor: Alte Sünden?
Der Papst erwähnt bei seinem Besuch das Thema Missbrauch. Es ist aber an der Zeit, dass die Katholische Kirche über die Strukturen dahinter redet.
I n Osttimor hat Papst Franziskus wieder den Kampf gegen sexualisierte Gewalt angemahnt. „Wir alle sind gerufen, verantwortungsvoll zu handeln, um jeder Art von Missbrauch vorzubeugen“, schrieb er Vertreter*innen von Politik und Zivilgesellschaft anlässlich der dritten Station seiner Asien-Pazifik-Reise ins Stammbuch.
Auf die ziemlich konkrete Verantwortung der katholischen Kirche ging Franziskus jedoch nicht ein näher ein: Dieses Phänomen trete „überall auf der Welt zutage“. Trotz ihrer Vagheit sind diese Äußerungen pikant, weil Franziskus sie in Anwesenheit des Präsidenten José Ramos-Horta und des Premierministers Xanana Gusmão machte. Beide stehen in Verbindung mit Missbrauchsfällen, die in den vergangenen Jahren Osttimor erschütterten.
So wurde Richard Daschbach, ein US-amerikanischer Missionar und Leiter eines Kinderheims, 2018 als langjähriger Missbrauchstäter enttarnt. Gusmão besuchte den Priester anschließend im Hausarrest und verteidigte ihn öffentlich. 2022 wurden ähnliche Vorwürfe gegen Carlos Filipe Ximenes Belo laut, den ehemaligen Apostolischen Administrator von Dili. Er hatte 1996 gemeinsam mit Ramos-Horta den Friedensnobelpreis erhalten. Dazu sagte Ramos-Horta jüngst in einem Interview, dass der Papstbesuch nicht die Zeit sei, sich mit alten Sünden aufzuhalten.
Diese Fälle machen zweierlei deutlich: Einerseits besteht bei sexualisierter Gewalt häufig eine Art Komplizenschaft zwischen Kirche und Staat. Auch staatliche Institutionen müssen sich ihrer Verantwortung bewusst sein, wenn Missbrauch nicht vertuscht werden soll. Andererseits darf der besondere Kontext des Missbrauchs in der katholischen Kirche nicht vergessen werden. Daschbach und Ximenes Belo nutzten ihre Stellung als Priester aus, um Täter zu werden.
Sexualisierte Gewalt ist eben nicht nur eine Frage der Integrität von Personen, sondern auch von Ermöglichungsstrukturen. Die abschließende Tagung der Weltsynode der katholischen Kirche im Oktober wäre ein guter Anlass, nochmal über diese nachzudenken.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Polarisierung im Wahlkampf
„Gut“ und „böse“ sind frei erfunden
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links
Nach Absage für Albanese
Die Falsche im Visier
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Wahlverhalten junger Menschen
Misstrauensvotum gegen die Alten
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt