Sexskandal in Israel: Innenminister tritt zurück
Silvan Schalom gibt wegen des mehrfachen Verdachts der Belästigung seine Ämter auf. Einer polizeilichen Untersuchung wird er kaum entgehen
Erst vergangenes Jahr war der Likud-Politiker gerade noch mit einem blauen Auge davongekommen. Als er sich ähnlichen Vorwürfen ausgesetzt sah, nahm er flugs von seiner Kandidatur für das Präsidentenamt Abstand. Doch diesmal wird er kaum einer polizeilichen Untersuchung entkommen.
Er habe „die Qualen für mich, meine Familie, meine Frau, die Kinder und meine betagte Mutter“ beenden wollen, begründete Schalom die Entscheidung, sich aus dem politischen Leben zurückzuziehen. Die bisher bekannten Fälle sexueller Belästigungen ereigneten sich vor vier bis sechs Jahren.
„Silvan Schalom hat die Lektion früherer Kollegen nicht gelernt“, titelte die liberale Haaretz eine Analyse. Bereits seit März 2009 musste sich Mosche Katzav, ehemals Präsident Israels, wegen zweifacher Vergewaltigung einer Mitarbeiterin vor Gericht verantworten. Katzav büßt zurzeit eine sechsjährige Gefängnisstrafe ab.
Rüchtritte wegen Anmache nicht selten
Mit einem aufdringlichen Kuss hing der ehemalige Gesundheitsminister Chaim Ramon seine politische Karriere kurze Zeit später an den Haken. Erst vor sechs Wochen nahm der rechtsnationale Abgeordnete Yinon Magal seinen Hut, weil frühere Kolleginnen mit ähnlichen Vorwürfen gegen ihn an die Öffentlichkeit gingen.
Silvan Schaloms moralischer Fall beendet eine 23-jährige Karriere in der Knesset. Er hatte vorübergehend das Amt des Außenministers und des Finanzministers inne, außerdem galt er in den Reihen des Likud als sehr populär und mit mehreren akademischen Abschlüssen als besonders gebildet. Politische Machtkämpfe standen der Zusammenarbeit mit Regierungschef Benjamin Netanjahu im Weg, der den starken parteiinternen Gegner auf Abstand hielt.
In Tunis geboren und unter ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen, gehört Schalom heute durch seine Ehe mit der Verlegerin und Journalistin Judy Nir-Moses zu den betuchteren Politikern Israels. Seinen Stuhl in der Knesset wird fortan Amir Ohana besetzen. Ohana gilt als Falke innerhalb der Partei.
Schaloms Ministerposten geht vermutlich an Zachi Hanegbi, ehemals Justizminister und Minister für Innere Sicherheit. Hanegbi gehört zum moderateren Flügel des Likud. Er verließ den Likud kurzfristig, um sich Ariel Scharons Splitterpartei Kadima anzuschließen und Israels Abzug aus dem Gazastreifen voranzutreiben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Eine ganz normale Woche in Deutschland