Sexismus in der US-Hightech-Industrie: Der Kampf gegen Belästigung

Zahlreiche Frauen machen ihre Erfahrungen mit Sexismus in Technikfirmen öffentlich. Doch ist Silicon Valley in der Lage, sich zu ändern?

Ein sitzender Mann sieht traurig aus

Musste nach Berichten über eine Belästigungskultur bei Uber gehen: Ex-Chef Travis Kalanick Foto: reuters

NEW YORK ap | Seit Jahren wird Sexismus im Silicon Valley als offenes Geheimnis behandelt. Die Probleme können besonders groß für Frauen an der Spitze von Start-ups sein, deren Firmen auf Geld von Risikokapitalgebern angewiesen sind. Aber etwas ändert sich: Eine wachsende Zahl von Frauen geht an die Öffentlichkeit, berichtet von der sexuellen Belästigung und Diskriminierung, die sie erfahren haben. Die Folgen bisher: Entschuldigungen, Rücktritte – und viel Händeringen.

Es ist zwar noch zu früh zu sagen, ob die Enthüllungen von sexistischem Verhalten zu einem tiefgreifenden langfristigen Wandel führen werden. Aber die öffentlichen Vorwürfe, häufig gegen Größen in der Szene, lösen zumindest etwas Selbstreflexion in einer Industrie aus, die seit langem als arrogant und selbstbezogen kritisiert wird.

So hat sich der prominente Tech-Investor Dave McClure am vergangenen Wochenende für „unangemessene Avancen“ gegenüber mehreren Frauen entschuldigt. Sein Eingeständnis „Ich bin ein Ekel, es tut mir leid“ folgte einem New York Times-Bericht über Vorwürfe von Unternehmerinnen gegen ihn und andere bekannte Anleger. Als Konsequenz zog sich McClure am Montag als Geschäftsführer von seinem Venture-Kapital-Unternehmen 500 Startups zurück, das er mitbegründet hatte.

Da Sexismus in dieser von Männern dominierten Industrie nichts Neues ist, wie kommt es dann, dass jetzt mehr Frauen mit Vorwürfen an die Öffentlichkeit gehen? Zu verdanken ist das zumindest wohl teilweise Susan Fowler, einer früheren Ingenieurin bei Uber, die über eine Kultur der sexuellen Belästigung in dem Unternehmen berichtete. In der Konsequenz nahm Uber-Topmanager Travis Kalanick seinen Hut und die Firma hat tiefgreifende Veränderungen versprochen.

Ebenfalls im Juni trat Justin Caldbeck, ein Partner in der Venture-Kapital-Firma Binary Capital, zurück, nachdem mehrere Unternehmerinnen mit Belästigungsvorwürfen an die Öffentlichkeit gegangen waren. Caldbeck entschuldigte sich schriftlich, aber wie er es tat, stieß bei anderen in der Technologie-Industrie auf Kritik. „Man hat das Gefühl, als ob du uns dazu bringen willst, Mitleid mit dir zu haben, weil du deine kostbare Firma verlassen musst. Du hast das selbst verursacht“, schrieb Google-Produktmanager Brenden Mulligan auf der Internetplattform Medium. Eine von Caldbecks Anklägerinnen, Niniane Wang, erklärte, sie habe beim Lesen der Entschuldigung laut gelacht.

„Wie in den 1950ern“

Und tatsächlich zeigen sich viele weiter skeptisch, ob die Industrie in der Lage ist, sich über Nacht zu ändern. So beklagte der LinkedIn-Mitbegründer und frühere Topmanager Reid Hoffman nach dem Lautwerden der Vorwürfe gegen Caldbeck einen „Mangel an Empörung“. Er rief Risikokapitalanleger auf, Umgangsregeln einzuführen wie sie es auch in anderen Unternehmen und Einrichtungen gibt.

Verstärkt wird zudem nach mehr Frauen in der Industrie gerufen – allgemein in der Branche und in Führungspositionen. In Firmen mit mehr weiblichen Beschäftigten, so das Denken, dürfte es geringere Probleme mit Sexismus und sexueller Belästigung geben. Wird Technologieunternehmen oft vorgehalten, dass sie zu wenige Frauen einstellen, so gilt das auch für Venture-Kapital-Firmen. Hier sind nach Statistiken aus dem vergangenen Jahr nur 26 Prozent der hochrangigen Positionen von Frauen besetzt.

Natürlich ist sexuelle Belästigung nicht nur ein Problem in der Tech-Industrie. So schätzte die auf Arbeitnehmerrechte spezialisierte Organisation Restaurant Opportunities Centers United im Jahr 2014, dass Zweidrittel der weiblichen und mehr als die Hälfte der männlichen Beschäftigten im Restaurantgewerbe irgendeine Art von sexueller Belästigung erfahren haben – sei es durch Kunden, Kollegen oder Vorgesetzte.

„Von Technologieunternehmen sollte man eigentlich erwarten, dass sie anders handeln“, sagt Tom Spiggle, Gründer einer Anwaltsfirma, die sich um Rechte am Arbeitsplatz kümmert. „Aber sie haben sich wie Uber verhalten.“ Spiggle, der häufig Beschäftigte in Fällen mutmaßlicher Belästigung sowie Diskriminierung vertritt, spricht von einem „Retro“-Verhaltensmuster und hat Zweifel, dass sich trotz prominenter Fälle etwas bessert. Er sei schockiert gewesen, als er 2009 damit begonnen habe, die ersten Fälle zu übernehmen: „Es fühlte sich wie die 1950er Jahre an.“

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