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Sexismus im SportTja, wie springen die denn?

Frauensport gilt als minderwertig, nicht nur der Skisprung. Schimpfen über Duschgel genügt aber nicht.

Weltklasse, die kaum jemand kennt: Nika Prevc bei der Two Nights Tour Foto: Hildenbrand/dpa

K atharina Schmid ist der deutschen Sportöffentlichkeit einigermaßen bekannt. Zumindest wenn erwähnt wird, dass sie bis zu ihrer Hochzeit Althaus hieß und bei Olympischen Spielen Silber gewonnen hat. Nach solchen Zusatzinformationen fällt vielen Menschen Schmids Sportart ein, doch sind ihre Skisprungkolleginnen Nika Prevc, Anna Odine Ström und Erin Maria Kvandal hierzulande ähnlich bekannt? Eher nicht.

Zu den lobenswerten Besonderheiten des Sportjournalismus gehört, dass er den Sport ernst nimmt. Das, was Athleten und Athletinnen körperlich leisten, wird betrachtet, gewürdigt und auch mal kritisiert. Hier wird der Sport also nicht (oder zumindest nicht zuvörderst) als Metapher für gesellschaftliche Entwicklungen im Guten und (häufiger) im Bösen genommen.

Über Schmid, Prevc, Ström und Kvandal wurde dieser Tage bekannt, dass der Siegerin in der Qualifikation ihrer halben Vierschanzentournee – Frauen wurde nach jahrelangem Kampf nur eine Serie über zwei Sprunganlagen zugestanden – eine Prämie von Duschgel, Shampoo und vier Handtüchern in die Hand gedrückt wurde. Empörung über diese demütigende Geste setzte ein, sie ist nachvollziehbar und völlig berechtigt.

Dass es Diskriminierung gibt, findet niemand gut. Aber die Bedingungen, dass dieser Sport einen höheren Stellenwert erhält, werden nicht in Angriff genommen.

Nur heißt das noch lange nicht, dass sich die empörte Öffentlichkeit für den Skisprung interessiert, den die Sportlerinnen auf Weltklasseniveau betreiben. Es ist genau dieser Punkt: Die Sportlerinnen und ihre miese Behandlung durch die Veranstalter werden als Ausdruck einer allgemeinen miesen Behandlung betrachtet. Das geschieht aus guten und starken Gründen. Und doch wird es in dieser Argumentation gleichgültig, ob es sich um Fußballerinnen, Uniprofessorinnen, DAX-Vorstände oder Skispringerinnen handelt.

Dass dies so ist, hat Gründe. Einer davon, muss man selbstkritisch feststellen, betrifft uns, den Sportjournalismus. Von der Vierschanzentournee der Männer gibt es viele Berichte, viele Fotos, viele Hintergrundinformationen. Von der „Two-Nights-Tour“, die den Frauen zugestanden wurde und über die im Vorfeld kaum berichtet wurde – wird nun vermeldet, dass kaum Zuschauer kamen. Surprise, surprise.

Die Ignoranz hat Gründe

Doch auch das hat Gründe, die leider nachvollziehbar sind: Journalistinnen und Journalisten, die für Agenturen, für größere Redaktio­nen oder als Freelancer das Skisprungspektakel begleiten, verzichten auf Berichte von der Frauentour, weil es sich für sie „nicht rechnet“, wie man im Betriebswirtschaftssprech formuliert.

Und das wiederum beschreibt das strukturelle Problem der miserablen Wahrnehmung von Frauensport ganz gut: Dass es Diskriminierung gibt, findet eigentlich kaum jemand gut, aber die ökonomischen und sozialen Bedingungen, dass dieser Sport einen höheren Stellenwert erhält, werden nicht in Angriff genommen.

Die unangenehme Überzeugung, dass Frauensport stets eine Veranstaltung minderer Güte, ein Event der zweiten oder dritten Kategorie sei, steckt sehr tief drin. Der Sport ist ganz wesentlich von diesem Sexismus geprägt. Leider nur wenig übertrieben formuliert: Frauensport wird bestenfalls mit gelangweiltem Wohlwollen goutiert, nicht mit der Seriosität, die die professionelle Leistung der Sportlerinnen eigentlich verlangt.

Die Qualifikation der Skispringerinnen in Garmisch-Partenkirchen wurde übrigens von Selina Freitag gewonnen. In der Gesamtwertung kam die Springerin, die sympathisch deutlich ihren Unmut über das Duschgelpräsent vorgetragen hatte, nur auf Platz vier. Die Weltspitze im Skisprung der Frauen ist nämlich schon sehr breit aufgestellt. Das weiß nur kaum jemand.

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Martin Krauss
Jahrgang 1964, freier Mitarbeiter des taz-Sports seit 1989
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5 Kommentare

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  • Ich finde es schade, dass man sich derart an den blöden Wellness-Paketen aufhängt: Ja, die waren eine unbeholfene Notlösung und sicher auch der Tatsache geschuldet, dass die OK-Mitglieder solcher Events aus bayerischen Alpentälern und nicht aus großstädtischen Wokeness-Hochburgen stammen.

    Das eigentliche Problem, das der Artikel auch anspricht, ist aber doch, dass solche OKs einfach nicht genug Geld zusammenkratzen können, um wie bei den Männern statt Notlösungen satte Geldprämien (auch für Quali-Sprünge) zu verteilen - kein Publikumsinteresse, keine Sponsoren, kein Budget. Allerdings ist dieses Problem nur teilweise an der Genderfrage aufzuhängen. Es gibt genug Sportarten, bei denen es dem Publikum völlig egal ist, ob da gerade Männer oder Frauen tapfer um die Platzierungen kämpfen - es schaut lieber etwas Anderes. Ist auch das "Diskriminierung"?

    Wenige andere Wintersportarten allerdings haben geschlechtsunabhängig großen Ankratz und männliche wie weibliche Superstars - Biathlon, Alpinski, Eiskunstlauf etc.. DIE wären mal geeignete Studienobjekte: Hat man da in der Präsentation etwas "richtiger" gemacht als im Skispringen, oder ist es Zufall oder einfach eine Frage der Zeit?

  • Ich finde es auch ungerecht, die Frauen zeigen doch die gleichen Leistungen wie die Männer und bekommen dennoch weniger Aufmerksamkeit. Wie wäre es das Turnier mit allen Geschlechtern gemeinsam auszutragen, so wird niemand benachteiligt?

    • @Jörg Radestock:

      "Ungerecht" könnte man auch das Aufmerksamkeitsdefizit anderer Sportarten gegenüber den "Immer live"-Hits Skispringen und Biathlon (da männlich wie weiblich) nennen - als ob die ebenfalls Großschanzen springenden nordischen Kombinierer nicht auch Topleistungen brächten, von Geheimtipps wie Skeleton mal ganz zu schweigen. Die Faszination des Publikums nimmt da keine Rücksicht drauf.

      Die Frage ist, ob derartige Gerechtigkeit erzwungen werden kann. Man bucht ja auch z. B. selbst für die spitzenmäßigsten Jazzbands nicht die Sorte Arena, wie eine Taylor Swift oder Ed Sheeran sie füllt.

  • Ein Zeichen von Selina Freitag wäre gewesen, wenn Sie bei der Übergabe von dem Shampoo die Flasche vor den Funktionären auf dem Boden geknallt hätte. Ob es allerdings eine Änderung bewirkt hätte, glaube ich nicht.

    Sport ist eben eine Ware. Und wie im Artikel richtig bemerkt, gelten die Gesetze des Marktes: Angebot und Nachfrage. Wollen oder können wir das ändern? Wenn eben mehr Zuschauer am Rumhüpfen der Männer interessiert sind, dann ist es eben so. Welcher Chef eines Sportartikelherstellers soll denn verpflichtet werden, dort zu investieren wo es weniger einbringt? In der Planwirtschaft wäre es vielleicht möglich. Aber selbst in der DDR oder der CCCP wurden nach meinem Wissen der Sport der Männer mehr gefördert als der der Frauen.

    So wird es wohl dabei bleiben, das eine Sportbegeisterte Frau sich auf weniger Hilfe durch die Industrie der Sportartikel einstellen darf. Und bei der Förderung durch zahlungskräftige Sportvereine wird es auch keinen großen Unterschied geben.

  • Duschgel, im Ernst? Und Handtücher?? Ist ja fast wie damals im Frauenfußball, wo sie ein Teeservice bekamen. Die Botschaft ist ein bisschen wie bei den Taliban: Du gehörst ins Haus, kusch, geh nach drinnen. Sammle für deine Aussteuer, hier hast du schon ein paar Handtücher. -- Sport muss man/frau eben um des Sports selbst willen betreiben. Vor allem frau.