Sequel der Mad Max-Filme: Frei von Plot, Sinn und Verstand

In George Millers „Mad Max: Fury Road“ fliegt einem bei hoher Grundgeschwindigkeit doch nur das immergleiche Produktionskapital um die Ohren.

Tom Hardy als Max Rochatansky. Bild: Jasin Boland

Die verbliebenen Ressourcen sind knapp und umkämpft. Die Verwüstung der Erde so weit fortgeschritten, dass der Fachausdruck „Desertifikation“ nicht mehr auf die bedrohliche Zukunft des Klimawandels verweist, sondern auf eine Geschichte, die bereits unwiderruflich hinter der Menschheit liegt.

Es wäre natürlich ratsam, angesichts des globalen Totalkollaps schleunigst mit Rekultivierungsbemühungen und Energiesparen zu beginnen, aber George Millers „Mad Max: Fury Road“ zeigt eine Welt, die da ganz andere Pläne hat. Gigantische Monstertruckarmeen ziehen hier gegeneinander in die Schlacht.

Die aus Schrottmaterialien der Autodesignkultur des 20. Jahrhunderts zusammengeschweißten Fahrzeuge sind nicht nur ultragepimpte Exzesse in Sachen Retrofuturismus, sondern vor allem bis an die primitiven Zähne bewaffnet. Das gilt zum einen für die soldatischen Anteile der Besatzung, zum anderen aber auch für die in Eigenregie mitproduzierte tribalistische Kriegsästhetik.

Ein besonders hübsches Vehikel hat einen deliranten Rockgitarristen vor die Kühlerhaube geschnallt, der wilde Riffs in die Wüste sendet und dabei von einem Trupp unermüdlicher Trommler begleitet wird. Wenn schon Trucks und Bikergesten aus der Konserve kommen, soll wenigstens der Soundtrack live eingespielt werden. Diese Postapokalypse hat in ihrem survivalistischen Sozialmodell sogar an die endzeitliche Zukunft der Blue Man Group gedacht.

„Mad Max: Fury Road“. Regie: George Miller. Mit Tom Hardy, Charlize Theron u. a. AU 2015, 121 Min.

Mittendrin musiziert der schweigsame Max Rockatansky (Tom Hardy), seine Instrumente wechseln fliegend. Fast müsste man ihn einen Wüstenfuchs nennen: Kugeln, Pfeile, Fäuste, gerne auch mal eine improvisierte Explosion, die Verfolgerfahrzeuge in Feuerballwaffen transformiert, gehören zum Repertoire.

An seiner Seite – und die eigentliche Hauptfigur dieses nach langer Pause und vielen Produktionsproblemen nun doch noch fertig gestellten „Mad Max“-Sequels – marodiert Furiosa, die Charlize Theron angemessen humorlos im Führerhäuschen installiert. Zu einer im engeren Sinn romantischen Liebesgeschichte entwickelt sich die dialogarme Begegnung der beiden Raubeine trotz zarter Momente in kurzen Getümmelpausen nicht.

Am Ende bleibt Klassendifferenz

Immerhin ist Rockatansky am Ende doch noch bereit, der Kollegin seinen bürgerlichen Vornamen ins angebrannte Ohr zu hauchen, weil das seiner Meinung nach helfen könnte, sie bis zum Finale bei Bewusstsein zu halten. Am Ende bleibt Klassendifferenz: Furiosa ist die neue Königin und der alte Populist Rockatansky mischt sich unters einfache Volk.

Bezüglich des Figurenensembles sollten unbedingt noch die sehr sparsam mit transparentem Tuch bekleideten „Five Wives“ erwähnt werden. Eine nach allen Vogue-Regeln der optischen diversity zusammengestellte Modeltruppe, die vom Hauptfeind des Films, einem protofaschistischen Diktator namens Immortan Joe (Hugh Keays Byrne), in einer Art Reproduktionsharem gehalten wird.

Als Max den fünf luftig kostümierten Teenagern zum ersten Mal begegnet, halten diese gerade einen spontanen Wet-T-Shirt-Wettbewerb ab, was bei Rockatansky zu ausgesprochen großem Durst führt, der mittels eines Zapfschlauchs gestillt werden muss. Da wären wir wieder beim problematischen Umgang mit knappen Ressourcen.

Programm Entfesselung

Die all diese Nummern notdürftigst motivierende Story ist von Anfang bis Ende komplett zum Vergessen, was durchaus eine gute Nachricht für den Film ist. Sobald das Monstrum in Fahrt kommt, gibt es kein Halten, kein Erzählen mehr. Die Entfesselung so ziemlich jeder Form kinetischer Energie gewinnt in den besten Momenten programmatische Qualität.

Befreit von Plot, Sinn und Verstand verschreibt sich „Mad Max: Fury Road“ einem absurd hochtourigen Bewegungsvektor. Traditionelles Stunthandwerk in Rostlauben und auf Vintagebikes versucht den dann natürlich doch erkennbar computergenerierten Bildfolgen altmodische Gravität, das antidigitale Ethos echter Materialzerlegung entgegenzusetzen.

Inszenierungskritisch wäre auf dieser Ebene anzumerken, dass die Dauergefechte der Schrottautoarmeen schnell repetitiv werden und sich in erprobte Schemata flüchten. In vielen Phasen macht sich dann allein im szenischen Aufbau, aber auch in der internen Montage der Actionmodule entsprechend viel visuelle Redundanz breit. Das mag in der B-Film-Ästhetik, der der Originalfilm aus dem Jahr 1979 noch verpflichtet war, zeichenpolitisch subversiv gewesen sein. In der aktuellen Blockbusterform fliegt einem aber auch bei hoher Grundgeschwindigkeit nur das immergleiche Produktionskapital um die Ohren. Man könnte es Energieverschwendung nennen.

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