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Senvion in der KriseWindanlagenbauer wird zerlegt

Nach monatelanger Zitterpartie ist klar, dass Senvion sein Insolvenzverfahren nur stark geschrumpft überstehen wird. Hunderte Jobs in Gefahr.

Zukunft in Gefahr: Senvion-Anlage in Husum Foto: dpa

Hamburg dpa | Der insolvente Windkraftwerksbauer Senvion wird aufgeteilt und muss Teile seines Geschäftsbetriebs stilllegen. Insbesondere für die Turbinenfertigung in Bremerhaven mit 200 Mitarbeitern sehen die Perspektiven sehr schlecht aus, wie die Geschäftsleitung bei Betriebsversammlungen an den Senvion-Standorten am Mittwoch mitteilte. „Für den Turbinenbereich sind trotz intensiver und weltweiter Suche keine Angebote für den gesamten Bereich eingegangen“, heißt es in einer Mitteilung des Unternehmens.

Gegenwärtig könne der Bereich noch einige Projekte abarbeiten, die der Belegschaft bis Ende des Jahres Beschäftigung geben, teils auch etwas länger. Die Gehaltszahlungen für September und bis zum Abschluss des Verkaufsprozesses seien für die gesamte Belegschaft des Unternehmens gesichert. Ebenfalls im September werden jedoch die ersten Kündigungen ausgesprochen, die zum Jahresende wirksam werden.

Interessenten gebe es für den Service-Bereich ebenso wie für einzelne Ländergesellschaften, etwas in Portugal und Indien. Über die Angebote werde die Gläubigerversammlung am 10. September beraten.

Für die betroffenen Arbeitnehmer werden Sozialpläne ausgehandelt und eine Transfergesellschaft eingerichtet. Noch immer bleibt unklar, wie viele der rund 1.800 Arbeitnehmer in Deutschland ihren Job verlieren werden. „Wir stehen nun kurz vor einer Lösung für wesentliche Kernbereiche des Unternehmens“, sagte Senvion-Vorstandschef Yves Rannou.

Für die IG Metall hat sich die Lage zugespitzt

Senvion hatte im April Insolvenz in Eigenverwaltung angemeldet. Das Geschäft ist derzeit für die gesamte Windkraftbranche schwierig. In Deutschland sind im ersten Halbjahr 2019 kaum neue Anlagen an Land gebaut worden. Weltweit ist der Konkurrenzkampf hart und für kleinere Hersteller ohne Großkonzern im Hintergrund schwer zu gewinnen. Senvion hat das Indiengeschäft bereits in eine eigene operative Gesellschaft ausgegliedert.

Für die IG Metall Küste hat sich damit die Lage weiter zugespitzt. „Der Verkauf des Unternehmens als Ganzes ist gescheitert““, sagte Bezirksleiter Meinhard Geiken. „Dadurch drohen hunderte Entlassungen und die Schließung von Standorten.“ Nun gehe es darum, möglichst viele Arbeitsplätze sowie tarifliche Arbeitsbedingungen bei einem Verkauf des Service-Geschäfts zu sichern. Dazu erwarte die Gewerkschaft konkrete Vereinbarungen mit der Insolvenzverwaltung sowie Zusagen von möglichen Erwerbern.

„Das ist für die Standorte in Schleswig-Holstein schon durchaus eine bittere Pille“, sagte Wirtschaftsminister Bernd Buchholz (FDP). Es bedeute einen nicht unerheblichen Arbeitsplatzverlust, wenn insbesondere das Turbinengeschäft in Osterrönfeld so nicht weitergeführt werden könne, weil sich kein Investor finde.

„Darauf haben wir uns aber gemeinsam mit der Arbeitsagentur eingerichtet.“ Er wolle gemeinsam mit der Geschäftsführung, den Unternehmensverbänden und der IG Metall dazu beitragen, dass so viele Arbeitsplätze mit hoch qualifizierten Fachleuten wie möglich im Land gehalten werden können, sagte Buchholz.

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15 Kommentare

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  • Way to go, Germany!

    Solarindustrie kaputt. Windindustrie kaputt. Elektromobilität findet in USA und China statt.

    Wird zeit, dass wir eine liberal-konservative Regierung kriegen, die eine anständige Industriepolitik fahren kann.

    Öh... Moment mal...

    • @tomás zerolo:

      Konservativer Umweltminister Altmeier hat die deutsche solarindustrie platt gemacht und jetzt als Wirtschaftsminister den Ausbau der Windkraft fast zum erliegen gebracht.die liberal Konserve Regierung in NRW hat den Windkraftausbau durch extrem starke Reglementierung zum erliegen gebracht. Im grün-schwarz regierten Württemberg und rot-grün regierten Niedersachsen wird versucht trotz dieser extremen Hindernisse die Windkraft auszubauen

      • @prius:

        Danke für die Konkretisierung :-)

        Und, oh, @SVEN GÜNTHER. Wo ist die Solarindustrie geblieben, die so hofnungsvoll hier startete? Warum ist sie tot?

        • @tomás zerolo:

          Schlecht geführte Unternehmen wie Senvion auch, wer bei 5 Milliarden in den Auftragsbüchern ständig Aufträge in den Sand setzt geht eben pleite, ganz einfach.

          • @Sven Günther:

            Nicht ablenken.

            Ich meine die katastrophale Industriepolitik: das elende Herumgeeiere mit dem EEG parallel zur üppigen Subvention der Fossilen.

            Und das, als schon lange ungefähr bekannt war, was auf uns zukommt.

    • @tomás zerolo:

      2. gröster Windradbauer der Welt, Siemens-Gamesa, 5. Enercon und 7. Nordex-Acconia, ganz furchtbar sieht es in Deutschland aus.

  • Diese Regierung ist einfach nur noch Lächerlich!



    Wie kann man sehenden Auges den Wirtschaftsstandort Deutschland derart nachhaltig ruinieren?



    Ich bin jetzt Mitte 30 und muss voraussichtlich noch mind. 40 Jahre Arbeiten und leben ... die verbauen nicht nur den Schülern, sondern auch mir meine Zukunft.

  • Kohle-RWE ist seit Jahrzehnten im Minus und wird durch Steuern subventioniert.

  • >Apple ist nicht durch Technik groß geworden

    Stimmt, pures Marketing denn technisch funzt da gar nichts: www.youtube.com/watch?v=AUaJ8pDlxi8

  • Der Geist des Kapitalismus - weht in deutschland nicht besonders!

    Es ist schon krass, dass ausgerechnet in deutschland vor allem betrüger gut darin sind, Kapital einzusammeln. In deutschland glauben alle noch an den "Vorsprung durch Technik" und meinen, Ingenieure wären die besten Kaufleute!



    Marketing - also das Ausrichten der Firma auf den Markt und Finanzgeschick bestimmen aber den Erfolg eines Unternehmens mehr, als die beste Technik. Apple ist nicht durch Technik groß geworden. In der Garage haben die gerade mal einen Prototyp gebaut, der im dreistelligen berich verkauft wurde. Der Erfolg kam mit den Investoren. Und das wird in deutschland übersehen!



    Man kann den Kapitalismus sehr wohl für schlecht halten - so lange die Wirtschaft aber kapitalistisch ist, muss man nach den Spielregeln des Kapitalismus spielen!

    • @wauz:

      Nicht vergessen, die hübschen Spielchen, die unsere Politiker bei den Erneuerbaren treiben. Die Notwendigkeit auf projekte zu bieten, die Abstandsregeln. Wenn man den Windmarkt kaputtmacht, braucht man sich über Pleiten nicht zu wundern.

      • @Martin_25:

        "Windmarkt" hat es nie gegeben. Die Großindustrie musste das natürlich ein Stück mittragen, denn sonst wäre der öffentliche Druck zu groß geworden.



        Tatsächlich wird die Energiewende masssiv verschleppt und behindert. Biogas und KWK hat man ja auch schon klein gekriegt.



        Die Grünen rühmen sich, wie viel passiert sei, und alle die genau hinschauen, wundern sich, wie wenig tatsächlich passiert.

    • @wauz:

      "…so lange die Wirtschaft aber kapitalistisch ist, muss man nach den Spielregeln des Kapitalismus spielen!"



      Soso, und wo steht das?



      Wie soll sich denn etwas ändern außer dadurch, dass etwas ·anders gemacht wird·?



      Und Apple bzw. Steven Jobs hat Ideen und Visionen gehabt, Apple hat Ideen verkauft, hat Wohlfühlen und Dazugehören verkauft sowie Gefühle – eine Werbemaschine.



      Das lässt sich m. E. kaum mit der Metallindustrie vergleichen.



      Vielleicht sollte(n wir) Bayern die Verweigerungshaltung gegen Windkraft endlich aufgeben… innerdeutsches Wachstum bzw. Rettung der Windkraft.



      Die Solar-Revolution haben wir in D ja schon verpasst, um nicht zu sagen verpennt…



      ^Im Übrigen bin ich der Meinung, dass der Kapitalismus abgechafft werden muss 🙅 .^

      • @Frau Kirschgrün:

        Wo es steht? Da gäbe es viele Quellen. verbindlich ist auf jeden Fall das Handelsgesetzbuch...

        Und ansonsten: anders machen, innerhalb einer kapitalistischen Wirtschaft und einer entsprechnden rechlich geordneten Gesellschaft kann es nur der, der es "sich leisten kann". Sprich: Kapital an der Hand hat.



        Bisher gibt es in praktisch jedem jahrzehnt irgendwelche Leute, die "es nicht auf die kapitalistische Art" machen wollen. Die sind entweder schnell pleite oder sie werden schnell doch noch gute Kaufleute.



        DasAussteigertum der 70er und 80er Jahre war immer nur der versuch, in frühbürgerliche verhältnisse zurück zu kehren. das funktioniert genau so lange, wie man gesund ist.



        Einige sind vom Aussteigen wieder ausgestiegen und der Rest ist heute in Grundsicherung.

        • @wauz:

          "Soso, und wo steht das?"



          Das war ironisch gemeint…^^



          Ihre Ausführungen legen nahe, dass das System nur mit Gewalt beseitigt werden kann – oder der Klimawandel dazu zwingen könnte, wenn es doch mal einen Aufstand gäbe … .



          Damit reden Sie mir irgendwie das Wort…



          #AusSicherheitsgründen: Es MUSS etwas geändert werden, wenn etwas anders werden SOLL.