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Sensationsfund Säbelzahntiger-BabyTiefkühlkatze aufgetaut

Heiko Werning
Essay von Heiko Werning

Forscher haben in Sibirien ein gefrorenes Säbelzahntiger-Baby entdeckt. Seine Familie ist ausgestorben, aber die Säbelzahnfrösche haben noch eine Chance.

Kopf eines drei Wochen alten Säbelzahntigers, der vor etwa 36.000 Jahren lebte, und im Permafrost als Mumie erhalten blieb Foto: Alexey V. Lopatin/dpa

D as musste ja irgendwann mal schiefgehen! Wer die „Ice Age“-Filme kennt, weiß, dass ein Eiszeitgeschöpf bei all dem Gerenne und Geschliddere über Gletscher und Schneefelder irgendwann steckenbleiben oder einbrechen kann und dann schockgefrostet wird. Ice Ages Säbelzahnkater Diego entkam diesem Schicksal häufig nur knapp. Einen seiner Artgenossen in der Realität, ein unerfahrenes, erst drei Wochen altes Jungtier, hat es hingegen erwischt.

So lag das Kätzchen etwa 35.500 bis 37.000 Jahre lang tiefgefroren im Eis, bis russische Forscher es 2020 in Jakutien oberhalb des Polarkreises entdeckt und geborgen haben. Wo viele Verharmloser derzeit so inbrünstig nach den positiven Folgen des Klimawandels suchen – immerhin eine hätten wir hier: Mit zunehmender Betätigung der globalen Abtautaste taucht, ähnlich wie beim vergleichbaren Vorgang im heimischen Tiefkühlfach, so manche Überraschung aus den Eisschichten auf.

Die Tiefkühlkatze ist ein wissenschaftlicher Sensationsfund. Kopf und Vorderbeine des Tiers sind mit Haut und vor allem sehr vielen Haaren komplett erhalten. So konnten Forschende nun erstmals überhaupt einen Vertreter einer ausgestorbenen Tiergruppe ohne heute noch lebende, analoge Verwandte nicht nur in Form von Knochen oder Zähnen, sondern im Ganzen – beziehungsweise im vorderen Drittel – in Augenschein nehmen, inklusive Fell, Muskeln und Ohren. Ohne heute lebende Verwandte übrigens, weil die Säbelzahnkatzen nicht, wie ihr verbreiteter Name „Säbelzahntiger“ suggeriert, mit den Tigern direkt verwandt wären, sondern einen eigenen, aber vollständig ab- bzw. ausgestorbenen Zweig des großen Katzenstammbaums bilden.

So eine Säbelzahnkatze war mitunter ein ziemlicher Trumm. Einige der auch in Europa verbreiteten Arten erreichten Löwengröße. Ganze 400 Kilo wog ein ausgewachsenes Tier der nun aus dem Eis geborgenen, auch Scimitarkatze genannten Art Homotherium latidens. Zwar sieht das Kitty aus wie ein kuscheliges Kälbchen, hat aber eine erstaunlich kräftige Nackenmuskulatur, die die von heutigen Löwenjungen um das doppelte übertrifft.

Riesige Katzen mit Sonderausstattung

Man ahnt schon: Mit diesen Katzen war nicht gut Kirschen essen. Dabei hätten die langen Säbelzähne, zwei stark vergrößerte Reißzähne, um vermutlich büffelgroße Beutetiere und womöglich junge Mammuts aufzuschlitzen, auch bloß gestört. Weitere Besonderheiten der kleinen Säbelzahnkatze waren kleine Öhrchen, übergroße Pfoten, lange Beine und ein besonders dichtes Fell – Anpassungen an das eiszeitliche Leben auf Schnee, Eis und in großer Kälte.

Heutige Schneeleoparden, die in den eisigen Höhenzügen Asiens leben, zeigen ähnliche Sonderausstattungen. Das extrem dichte Fell isoliert bestens auch bei arktischen Temperaturen, die kleinen Ohren verhindern übermäßige Wärmeabfuhr über eine zu große Oberfläche, während die riesigen Tatzen das Einsinken im Schnee oder das Einbrechen im Eis durch die größere Aufsetzfläche verhindern.

Was einen Hinweis geben mag, warum die einst so erfolgreichen und weit verbreiteten Säbelzahnkatzenarten gegen Ende der Eiszeit ausgestorben sind. Der Klimawandel war schuld, damals noch nicht vom Menschen gemacht. Außerdem sei den Großkatzen die Nahrung ausgegangen, denn gleichzeitig verschwanden auch viele andere große Säugerarten. Allerdings sprechen neuere Untersuchungen an den Zähnen nordamerikanischer Säbelzahnkatzen dafür, dass die Räuber bis kurz vor Schluss reichlich zu futtern hatten.

Das nährt den Verdacht, dass neben dem Klimawandel auch der Mensch beziehungsweise seine Vorgänger Schuld am Katzenexitus haben könnten. Denn anders, als heutige Naturromantiker gerne verklären, gab es die edlen Wilden, die im Einklang und nachhaltig von und mit der Natur lebten, in Wirklichkeit nie. Der Mensch war immer schon ein im Zweifel auch seine eigenen Lebensgrundlagen zerstörender Killer, das Elend fing vermutlich schon an, als wir von den Bäumen gestiegen sind. Und von so alten Gewohnheiten lässt man ja nicht gern. Sodass das Aussterben der Säbelzahnkatzen am Ende womöglich doch wieder die unheilvolle Kombination von „menschengemacht“ und „Klimawandel“ war.

Rettet die Säbelzahnfrösche!

Aber andererseits: Es waren ja nur Katzen. Wenden wir uns interessanteren Tieren zu: Frösche! Anders als die Säbelzahnkatzen gibt es noch heute quicklebendige Säbelzahnfrösche, die auf den schönen Namen Odontobatrachus hören. Die leben an schnell fließenden Gewässern in Westafrika und haben tatsächlich ebenfalls zwei große reißzahnartige Fortsätze am Unterkiefer.

Was sie damit machen? Wohl keine Büffel reißen. Vielleicht ritzen sie sich damit gegenseitig an, um sich mit chemischen Lockstoffen, die in ihrem Drüsengewebe entdeckt wurden, geil zu machen. Aber wir wissen es nicht. Denn die meisten der Arten wurden überhaupt erst vor ein paar Jahren entdeckt und sogar in eine eigene Familie gestellt.

„Eine eigene Familie, na toll“, mögen Sie denken, „davon habe ich ein Dutzend allein bei mir in der Straße“. Aber seien Sie versichert: In der Zoologie ist so etwas eine ziemliche Sensation – die Säbelzahnfrösche sind sogar die einzige nur in Westafrika heimische Froschfamilie, sie hat sich also sehr isoliert entwickelt. Und nun drohen sie unglücklicherweise auszusterben. Schuld ist diesmal die Lebensraumzerstörung. Menschengemacht, versteht sich.

Aber anders als bei den eiszeitlichen Katzen können wir diesen Verlust noch verhindern. In einem „Ice Age“-Film würde Diego, Sid und ihren Verbündeten sicherlich etwas einfallen, um die bedrohten Säbelzahnkollegen zu retten. In der Realität müssen wir das wohl selbst schaffen.

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Heiko Werning
Autor
Heiko Werning ist Reptilienforscher aus Berufung, Froschbeschützer aus Notwendigkeit, Schriftsteller aus Gründen und Liedermacher aus Leidenschaft. Er studierte Technischen Umweltschutz und Geographie an der TU Berlin. Er tritt sonntags bei der Berliner „Reformbühne Heim & Welt“ und donnerstags bei den Weddinger „Brauseboys“ auf und schreibt regelmäßig für Taz und Titanic. Letzte Buchveröffentlichung: „Vom Wedding verweht“ (Edition Tiamat).
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9 Kommentare

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  • Ich finde es ja super, wenn bei nur regional bekannten Begriffen auf eine Erklärung verlinkt wird.

    Wenn dann aber die Erklärung zeigt, dass der falsche Artikel verwandt worden ist, wäre vielleicht sinnvollerweise ein gängiger Begriff benutzt worden.

    Laut Duden ist "Trumm" sächlich.

  • Eine Beteiligung des Menschen beim "Katzenexitus" halte ich für sehr unwahrscheinlich. Es gab sehr, sehr wenige Menschen, die eine Katzenpopulation weit verteilt über ganz Eurasien gejagt hätten. Ein riesiger Kontinent mit unendlich großen Rückzugsgebieten und damals von Menschen unberührten Lebensräumen für die Katzen.

  • Das arme Kätzchen, möge es in Frieden ruhen.

  • Es heißt "das" Trumm ;)

  • "Denn anders, als heutige Naturromantiker gerne verklären, gab es die edlen Wilden, die im Einklang und nachhaltig von und mit der Natur lebten, in Wirklichkeit nie. Der Mensch war immer schon ein im Zweifel auch seine eigenen Lebensgrundlagen zerstörender Killer, das Elend fing vermutlich schon an, als wir von den Bäumen gestiegen sind."



    Welche Tierart wäre denn kein Lebensgrundlagen zerstörender Killer?



    Welche Tierart würde sich im Bestand und dem Verbrauch freiwillig mäßigen?

    • @Farang:

      Aus großer Macht folgt große Verantwortung.

      • @Christian Clauser:

        Verantwortung ist menschliche Einbildung. Das zählt in det Biologie nicht.

        Dass Menschen sich mit Säbelzahnkatzen angelegt haben, dürfte daran gelegen haben, dass sie keine Lust hatten, Katzenfutter zu werden.

        Mit Zerstörung der eigenen Lebensgrundlagen hat das nun gerade nichts zu tun.

        Unbedingt moderne Sichtweisen auf andere Zeitalter aufdrücken zu wollen, kann auch daneben gehen, wie der Artikel belegt.

    • @Farang:

      Herrlich. Wollte den obigen zitierten Satz selbst einrücken & mich bedanken! Woll

      Aber so. Regulative durch Nahrungsketten im Tierreich - unterscheiden sich halt diametral von Millionen Büffel 🦬 🦬🦬🦬 vom Zug abknallen! Gellewelle - nur mal als Beispiel - wa



      “Das ists ja, was den Menschen zieret,



      Und dazu ward ihm der Verstand,



      Daß er im innern Herzen spüret,



      Was er erschafft mit seiner Hand.“



      Friedrich von Schiller (1759 - 1805), Johann Christoph Friedrich Schiller, ab 1802 von Schiller, deutscher Arzt, Dichter, Philosoph und Historiker; gilt als einer der bedeutendsten deutschsprachigen Dramatiker und Lyriker



      Schön wär‘s ja •

    • @Farang:

      Die meisten anderen Tierarten sind schlicht nicht mächtig genug, ihre Lebensgrundlage nachhaltig zu zerstören, sondern reagieren rechtzeitig selbst empfindlich genug, um den Schaden, den sie anrichten, wieder einzudämmen.



      Von Freiwilligkeit ist da natürlich keine Rede.