Seniorenheimleiter über Coronakrise: „Risiko und Nutzen abwägen“
Wie lassen sich Senioren vor dem Coronavirus schützen? Der Leiter des Berliner Seniorenzentrums St. Albertus im Gespräch über Besucherbeschränkung.
taz: Wie gehen Sie in Ihrem Seniorenheim mit der Gefährdung durch das Coronavirus um?
Alexander Blum: Wir haben heute unsere Einrichtung für Besucher geschlossen und sind damit der Empfehlung der Senatsverwaltung für Gesundheit und Pflege gefolgt. Unsere Bewohner sind ja per se alle immungeschwächt und gefährdet, daher sind wir lieber vorsichtiger. Das nächste Problem das jetzt ansteht: Die Schulen sollen ab Montag stufenweise schließen und da sind natürlich jede Menge Dienstplanfragen zu klären.
Rechnen Sie mit Personalknappheit, wenn vermehrt Pfleger zur Kinderbetreuung oder wegen Krankheit Zuhause bleiben müssen?
ist Leiter des Caritas-Seniorenzentrums St. Albertus in Berlin-Hohenschönhausen. Das Altenheim hat den Besuch von Angehörigen massiv eingeschränkt.
Ja, unbedingt. Wir haben relativ viele junge Mütter, die teilweise auch nicht in einer Partnerschaft leben, also auf jeden Fall Zuhause bleiben müssen. Wir müssen dann den Dienstplan kreativ gestalten, damit wir die Bewohner weiter versorgen können. Das hat oberste Priorität. Dafür wird jetzt ein Notfallfplan erstellt. Wir haben gerade schon überlegt, dass wir Kurzdienste einrichten. Ich habe an unser Gemeinschaftsgefühl und an unseren Teamgeist appelliert, dass wir Verbliebenen uns gegenseitig helfen. Wer irgendwie in die Pflege kann, der muss dann in der Pflege arbeiten.
Was bedeutet die Besucherbeschränkung für die Senioren, deren einzigen sozialen Kontakte oftmals ihre Angehörigen sind?
Natürlich ist das ein Einschnitt und für viele sehr traurig, da der Besuch von Angehörigen oft ein Höhepunkt im Alltag ist. Aber wir müssen eben Risiko und Nutzen abwägen. Wir haben zwei Notfallzeiten, zwei Stunden am Tag, eingerichtet, in denen Besucher kommen können, wenn es wirklich nicht anders geht. Wenn ein Bewohner sich in der Sterbephase befindet oder wenn eine andere psychische Notlage besteht, dann können die Angehörigen natürlich kommen. Oder wenn zum Beispiel ein 100. Geburtstag oder ein ähnliches Ereignis ansteht.
Welche weiteren Maßnahmen haben Sie zum Schutz der Bewohner ergriffen?
Wir haben die Bewohner über Hygienevorschriften belehrt. Händewaschen ist das A und O, sie können sich bei uns auch die Hände desinfizieren. Wir empfehlen Bewohnern, die rausgehen können, Kontakte zu beschränken. Also zum Beispiel nicht in Supermärkte oder Ähnliches gehen. Dem Pflegepersonal raten wir, nicht in Panik zu verfallen. Wenn jemand in einem Risikogebiet war oder einen infizierten Bekannten hat, soll uns die Person anrufen, dann können wir zusammen entscheiden, was wir dann machen.
Wie lange gilt die Besucherbeschränkung?
Das wissen wir nicht, das ist vorerst unbegrenzt. Ich gehe davon aus, dass der Besucherbeschränkung erstmal bis Mitte April andauert. Das ist aber alles noch sehr ungewiss.
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