Senator rettet Wasser: Tacheles vor dem letzten Gefecht
Wirtschaftssenator Harald Wolf (Linke) sichert dem Tacheles den Wasseranschluss - vorläufig. Die Nutzer entwerfen derweil letzte Rettungsszenarien vor der Zwangsversteigerung im April.
Das Tacheles rüstet sich für die letzten Abwehrkämpfe. Am späten Donnerstagabend konnte Wirtschaftssenator Harald Wolf (Linke) verhindern, dass dem Kunsthaus an der Oranienburger Straße das Wasser abgedreht wird. Das Tacheles soll am 4. April zwangsversteigert werden.
Ursprünglich wollten die Berliner Wasserbetriebe dem Haus am Freitag den Hahn zudrehen. Eine letzte Klage dagegen hatten die Tacheles-Nutzer vor zwei Wochen verloren. Nach Wolfs Intervention erhielt das Haus nun einen Aufschub von einer Woche. Er werde weiter mit den Wasserbetrieben prüfen, inwieweit man rechtlich gezwungen sei, kein Wasser mehr zu liefern, so Wolf: "Wir suchen eine vernünftige Lösung für das Tacheles als traditionsreiches Kulturprojekt und Teil der Attraktivität dieser Stadt. Berlin braucht nicht nur glatte Investorenfassaden."
Das 1990 von Künstlern besetzte und später legalisierte Tacheles war 1998 an die Fundus-Gruppe gegangen. Diese meldete 2007 Insolvenz an. Als Zwangsverwalter übernahm die HSH Nordbank das Gelände, ließ die Mietverträge der Nutzer Ende 2008 auslaufen und beschloss die Zwangsversteigerung. Ein eingeleitetes Räumungsverfahren blieb bisher erfolglos, da die ausgeschriebenen Räumungstitel nicht mit den tatsächlichen Nutzern übereinstimmten.
Die HSH Nordbank spricht von "mehreren Interessenten" für die Zwangsversteigerung. Das zuständige Amtsgericht taxiert das Tacheles-Areal auf 35,1 Millionen Euro. "Wir hoffen auf einen Neueigentümer, der eine Kulturnutzung vorsieht", so HSH-Sprecherin Gesine Dähn. Dies tut auch der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD).
Die rund 150 Künstler und Gewerbetreibenden im Tacheles streiten derweil, wie das Kunsthaus zu retten ist. Seit langem sind sie in zwei Fraktionen gespalten. Die Vertretung der meisten Künstler, der Tacheles e. V., fordert, dass das Land bei der Versteigerung mitbietet und das Tacheles kauft. Die 35 Millionen Euro wären "ein Schnäppchen", so deren Sprecherin Linda Cerna. "Stadtpolitisch wie finanziell würde Berlin mit einem Kauf langfristig gewinnen." Cerna wertete die jetzige Intervention von Wolf als gutes Zeichen für eine entsprechende Offerte.
Die Gruppe Tacheles, die vornehmlich die Gewerbetreibenden wie das Café Zapata oder das Kino vertritt, will dagegen selbst mitbieten. Man werde der HSH Nordbank in der kommenden Woche ein kreditfinanziertes Kaufangebot unterbreiten, kündigte Sprecher Tim Africa an. Dies beziehe sich auf das Kunsthaus und die Freifläche - etwa 4.250 Quadratmeter. Die HSH Nordbank will hingegen das Gesamtareal, 25.300 Quadratmeter, im Paket versteigern.
Die Alternative: Man sei bereit, Mietverträge zu ortsüblichen Konditionen zu schließen und so die Versteigerung noch zu verhindern, so Africa. Die HSH weist auch das zurück. An der Versteigerung werde festgehalten. Mietverträge müsse der neue Eigentümer klären.
Als letzte Option fordert die Gewerbe-Gruppe, dass der Bund den 1998 geschlossenen Kaufvertrag mit Fundus rückabwickelt. Dies sei möglich, da Fundus auf dem Gelände nie gebaut habe, dies aber vertraglich vereinbart war, so Sprecher Africa. "Mit einer entsprechenden Vertragsstrafe würde der Bund sogar ein Plus machen."
Der Bund der Steuerzahler (BdSt) unterstützt die Forderung. In einem Brief an Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) bittet der BdSt erneut zu prüfen, "ob diese Versteigerung für den Bund die bestmögliche Lösung darstellt". Die zuständige Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) nahm dazu am Freitag keine Stellung. In einem Schreiben vom Juli 2008 attestiert sie der Fundus Gruppe jedoch, das Tacheles-Investitionsvorhaben "unverschuldet" nicht begonnen zu haben. Der Bund der Steuerzahler hält das für unbegründet.
Der Senat verfolgt das letzte Aufbäumen des Tacheles eher distanziert. Ein eigenes Kaufangebot für die Versteigerung werde die Stadt nicht einreichen, so Torsten Wöhlert, kulturpolitischer Senatssprecher. "Dafür haben wir kein Geld, und der Senat sollte sich auch nicht zum Immobilienentwickler machen." Man werde die Versteigerung abwarten und sich dann mit dem Neueigentümer zusammensetzen, so Wöhlert. Ziel: "einen Neuanfang ermöglichen und das Tacheles als Kunstort erhalten".
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