piwik no script img

Senat streicht Kiezblock-MittelSenat blockt Geld für Kunger-Kiez

Das Viertel um die Karl-Kunger-Straße in Alt-Treptow ist das nächste Opfer der Kiezblock-Kehrtwende von Verkehrssenatorin Ute Bonde (CDU).

Ganz im Norden von Treptow-Köpenick soll der Verkehr beruhigt werden – eigentlich Foto: IMAGO / Bernd Friedel

Berlin taz | Gerade mal eine Woche ist es her, dass die Senatsverkehrsverwaltung das umfangreiche Modellprojekt „Kiezblocks für Mitte“ stoppte, indem es die bereits zugesagten Mittel zurückzog. Die Ankündigung, auch kein Geld mehr für ähnliche Verkehrsberuhigungs-Projekte in der ganzen Stadt zur Verfügung zu stellen, hat sich schon bewahrheitet: Jetzt wurden dem Bezirksamt Treptow-Köpenick die Fördermittel für den Kunger-Kiezblock in Alt-Treptow gestrichen – laut Bezirksstadträtin Claudia Leistner (Grüne) geht es dabei um 100.000 Euro.

Dieser Betrag war für die Ausführungsplanung von Maßnahmen rund um die Bouchéstraße vorgesehen: Insbesondere soll hier eine Fahrradstraße angelegt werden. Der nach der Karl-Kunger-Straße benannte Kiezblock soll den Durchgangsverkehr aus dem Viertel heraushalten, das Bezirksamt plant ihn auf der Grundlage von zwei Beschlüssen der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) – einer davon ging auf einen Einwohnerantrag von 2022 zurück.

Damit ein solcher Antrag in der BVV behandelt wird, müssen mindestens 1.000 Unterschriften eingereicht werden. Beteiligung von BürgerInnen gab es anschließend auch bei der Entwicklung eines Verkehrs- und Freiraumkonzepts, das die Grundlage für den künftigen Kiezblock bilden soll.

„Mit großem Bedauern und vollständigem Unverständnis“ nehme sie die Entscheidung der Verwaltung von Senatorin Ute Bonde (CDU) zur Kenntnis, so Stadträtin Leistner. Sie sieht darin einen „Rückschlag für eine menschengerechte und klimafreundliche Stadtentwicklung sowie eine moderne und nachhaltige Verkehrsplanung“. Schließlich stehe die Eröffnung des 16. Bauabschnitts der A 100 kurz bevor.

Die Anschlussstelle Am Treptower Park, wo die Stadtautobahn A100 nach Freigabe des neuen Teilstücks im September enden bzw. beginnen wird, liegt nur wenige hundert Meter vom Kunger-Kiez entfernt. Viele AnwohnerInnen und KritikerInnen der Autobahn befürchten, dass es dann im Umfeld zu Stau, Lärm und erhöhter Unfallgefahr kommt – zumal gleich nebenan mit dem noch Jahre dauernden Neubau der Elsenbrücke über die Spree ein weiteres Nadelöhr für Probleme sorgt.

Effekt der A100 muss sich in der Praxis zeigen

Wie genau sich die A100 auf den Kunger-Kiez auswirkt, wird sich im Herbst in der Praxis zeigen. Dass sie auch einen entlastenden Effekt haben könnte, ist zumindest nicht auszuschließen, immerhin bietet sie dann auch eine Umfahrungsmöglichkeit für Verkehre zwischen Neukölln und Friedrichshain. Claudia Leistner weist darauf hin, dass es für die Anschlussstelle kein Verkehrskonzept im eigentlichen Sinne gebe. Die Senatsverwaltung operiere lediglich mit dem Planfeststellungsbeschluss, in dem die zwischenzeitlich abgerissene Elsenbrücke natürlich keine Rolle spielt.

Die überraschende Entscheidung der Senatorin, keine Kiezblock-Projekte der Bezirke mehr zu fördern, hatte wütende Reaktionen von AktivistInnen und PolitikerInnen hervorgerufen, die sich für eine Mobilitätswende weg vom Auto einsetzen. Die Bürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg, Clara Herrmann, sprach im taz-Interview von der „Ideenlosigkeit der CDU“ und „ideologischer Politik“. Konzeptionell agiere Ute Bonde „in den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts“.

Gabi Jung, Geschäftsführerin des BUND Berlin, nannte das „Kiezblock-Verbot für die Bezirke“ ein „verstörend destruktives Vorgehen“. Der Senat wolle dem Auto eine bedingungslose Vorrechtsstellung in Berlin sichern, entgegen der Ziele der „Vision Zero“ und der Klimaneutralität.

Um ein „Verbot“ handelt es sich freilich im engeren Sinne nicht – nur um den Versuch der finanziellen Austrocknung. Laut Claudia Leistner prüft das Bezirksamt Treptow-Köpenick jetzt, ob für den Kunger-Kiezblock bezirkliche Eigenmittel umgeleitet oder welche anderen Landesmittel genutzt werden können. „Wahrscheinlich werden wir die Ausführungsplanung in leicht reduziertem Umfang in Auftrag geben müssen“, so Leistner zur taz. „Es ist aber ganz sicher nicht das Aus für den Kiezblock – schließlich haben wir dafür einen politischen Auftrag.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!