Seltene Schmetterlingsart in Südtirol: Wehrlis Gletscherspanner zurück
Nach 86 Jahren wurde ein Exemplar eines verschollen geglaubten Falters in den Alpen wiederentdeckt. Forscher:innen sind im Glück.
Doch wie konnte der Schmetterling überhaupt verschwinden? Wahrscheinlich, weil er nie so richtig da war: Bis vor Kurzem war er ohnehin nur einige Male in Südtirol dokumentiert worden – das war 1914 und 1935. In der Schweiz wurde er im Juli 1918 auch gesichtet: Ein gewisser Eugen Wehrli aus Basel konnte damals einige Exemplare auf 3.400 Meter Höhe am Zermatter Mettelhorn fangen. „Zu Ehren des Entdeckers“ nannte der renommierte Schweizer Entomologe Karl Vorbrodt die Art dann „Psodos wehrlii“ – Wehrlis Gletscherspanner.
Seit 2004 begannen Wissenschaftler:innen wieder verstärkt nach dem verschollenen Schmetterling zu suchen. Einer von ihnen ist Robert Trusch vom Naturkundemuseum Karlsruhe: „Mir ist ein riesiger Mühlstein vom Hals gefallen, als wir ihn endlich gefunden haben“, erzählt Trusch der taz. „Seit Langem haben wir vergeblich gesucht. Aber an diesem einen Morgen, als uns die Bergwacht hochgefahren hat, ist ein Kollege am Rand eines Schneefelds fündig geworden“, so der Insektologe begeistert.
Der Gletscherspanner liebt die Kälte
Wehrlis Gletscherspanner mag es kalt. „Psodos wehrlii ist die einzige exklusiv eunivale Schmetterlingsart der Alpen, die wir kennen“, erklärt Trusch. Exklusiv eunival – das heißt, dass der Falter ausschließlich in der Schneeregion des Gebirges lebt und sich dort fortpflanzt. Das macht ihn besonders, denn dort oben im Gebirge gibt es nur wenige Wochen im Jahr, in denen es nicht friert.
Um das raue Klima zu überleben, haben die Gletscherspanner einige Tricks: „Sie fliegen ganz eng über dem Boden, etwa fünf Zentimeter über dem Schotter. Dort ist es windgeschützt und etwas wärmer“, hat Trusch beobachtet. Von allen Arten der Gletscherspanner – die alle pelzig und schwarz sind – ist Wehrlis Gletscherspanner zudem der schwärzeste. Auch das hält warm.
Trotzdem drängt sich eine Frage auf: Wovon lebt dieses zierliche Tier da oben in der Eis- und Geröllwüste? Robert Trusch berichtet: „Auf den ersten Blick denkt man, man ist in Grönland. Aber auf den zweiten Blick sieht man: In den Spalten und Rissen wachsen Pflanzen – Steinbrechgewächse, Gletscher-Hahnenfuß. Wir vermuten, dass Psodos wehrlii vor allem von dem Steinbrech lebt.“
Generell ist noch wenig über die lange vermisste Spezies bekannt – etwa wie lange die Entwicklung vom Ei zum Falter dauert. Das will die Forschungsgruppe nun herausfinden. Für den Schmetterlingsforscher Trusch ist auch klar: Es ist eine sehr gute Nachricht, dass diese Art nicht ausgestorben ist. Aber: „Sicher ist der da oben nicht mehr, wenn das so weitergeht mit der Erderhitzung.“
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