Selektoren der NSA in Deutschland: Und noch eine „Ungeheuerlichkeit“
Hat die US-Regierung Deutschland verboten, die NSA-Spähliste des BND zu veröffentlichen? Das Weiße Haus sagt: Nein.
Die Arbeit des Sachverständigen Graulich ist ein Kompromiss: Die Bundesregierung hatte dem Bundestag eine direkte Einsicht in die heiß diskutierte Liste verweigert – ohne Zustimmung der USA wäre sie ein „Verstoß gegen das Völkerrecht“.
Nur: Haben die USA die Einsichtnahme tatsächlich verweigert? Die Zeit zitiert nun Mitarbeiter des Weißen Hauses, die zwar „Bedenken“ äußerten, ob in Berlin wirklich „geheim bleibt, was geheim bleiben soll“. Die Entscheidung über die Liste habe man aber der Bundesregierung überlassen. Auch sei es eine „absolute Mär“, dass die USA gedroht hätten, die Geheimdienstkooperation einzuschränken, sollte die Liste öffentlich werden.
Die Opposition ist empört. Stimme dies, so der Grünen-Obmann im NSA-Ausschuss, Konstantin von Notz, wäre das „ein weiterer handfester Skandal in einer ganzen Reihe von Ungeheuerlichkeiten“. Die Regierung hätte das Parlament „bewusst belogen“. Linken-Obfrau Martina Renner warf der Regierung „Vertuschungsstrategie“ vor. Diese müsse ihre Kommunikation mit der US-Regierung dem Ausschuss nun offenlegen.
Verfassungsklage kommt
Regierungssprecher Steffen Seibert sagte am Mittwoch, er könne sich zu vertraulichen Gesprächen nicht äußern, dementierte aber nicht. Im Gegenteil: Seibert sagte, es sei „immer klar“ gewesen, „dass nach dem Konsultationsverfahren die Bundesregierung ihre eigene Entscheidung zu treffen hat, und das hat sie getan“.
Die Opposition bereitet bereits eine Klage beim Bundesverfassungsgericht vor, um die Spähliste einzusehen. „Der jetzige Vorgang bestätigt uns in diesem Vorhaben“, so von Notz.
Hellhörig wurde auch die G-10-Kommission des Bundestags. Das Gremium genehmigt die Überwachungsmaßnahmen der deutschen Geheimdienste – und prüft ebenso eine Klage auf Einsicht in die Liste. „Wenn die Sachlage so zutrifft“, hieß es dort, „gibt es keine Gründe mehr, uns die Liste vorzuenthalten“. Zumindest wolle man die „ungefilterten“ Ergebnisse Graulichs erfahren.
Derweil belastet Ex-BND-Chef Ernst Uhrlau Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD). Dieser sei 2003, damals als Kanzleramtschef, über eine deutsch-amerikanische Großabhöraktion „inhaltlich unterrichtet“ gewesen, so Uhrlau zur Zeit. Der BND hatte von 2004 bis 2008 für die NSA den Internetknoten in Frankfurt am Main angezapft. Von Notz forderte die schnelle Vernehmung von Steinmeier im NSA-Ausschuss.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israel, Nan Goldin und die Linke
Politische Spiritualität?
Prozess gegen Letzte Generation
Wie die Hoffnung auf Klimaschutz stirbt
Börsen-Rekordhoch
Der DAX ist nicht alles
Machtkämpfe in Seoul
Südkoreas Präsident ruft Kriegsrecht aus
Nikotinbeutel Snus
Wie ein Pflaster – aber mit Style
Innenminister zur Migrationspolitik
Härter, immer härter