Ein Mann guckt in den Spiegel, das Spigelbild guckt grimmig

Zu Selbstliebe gibt es keinen Konsens Illustration: Yvonne Kuschel

Selbstwert und Liebe:Me, Myself and Mitgefühl

Nur wer sich selbst liebt, kann geliebt werden, heißt es. Unsere Autorin hat lange mit der Selbstliebe gekämpft und setzt heute auf ein anderes Ideal.

Ein Artikel von

31.12.2020, 16:29  Uhr

An einem warmen Juli-Nachmittag haben sich in einem Park in Berlin-Schöneberg um die dreißig Menschen versammelt, alle weiß gekleidet. Lampions hängen in den Bäumen, ein Tisch droht unter Kuchen und vielen Sektflaschen zusammenzubrechen. Decken liegen auf der hügeligen Wiese, und aus tragbaren Mini-Boxen tönt Elektromusik.

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Gleich wird hier eine Hochzeit stattfinden – und ich gehöre zu den Gästen. Ich habe einen ziemlich aufwendigen Salat gemacht und frage mich, ob er den anderen schmecken wird und wie ich unauffällig ein Lob dafür einheimsen könnte. Während ich noch über den Salat nachdenke, erklingt der Hochzeitsmarsch von Felix Mendelssohn. Da kommt die Braut!

Meine Freundin aus Schulzeiten, Ljuba, läuft langsam unter den Bäumen zu uns durch. In der einen Hand hält sie ein Blumenbouquet, in der anderen einen Becher Sekt. Kurz bevor sie bei ihrer jubelnden Hochzeitsgesellschaft angekommen ist, reißt sie die Arme feierlich in die Höhe. Sie trägt einen weißen Tüllrock und ein weißes Tanktop, auf dem steht: #selflove.

Nach dem ersten Lockdown zu Beginn des Jahres hat sich Ljuba von ihrem Freund getrennt und beschlossen, sich einfach selbst zu heiraten. Und zwar mit dem kompletten Programm: Es gibt eine Selbstliebe-Zeremonie, Livemusik, sogar ihren Brautstrauß wirft Ljuba in die Menge.

Weit entfernt von Selbstliebe

Es ist eine der schönsten Hochzeiten, auf der ich je war. Die Gäste sitzen beseelt auf den Decken, machen Selfies und Instastories. Fast alle haben immer wieder Tränen in den Augen. Jeder hier will das, was Ljuba jetzt hat: ewige Selbstliebe. Und für alle ist das ein fast unerreichbares Ziel.

Ich zumindest weiß: Ich bin weit davon entfernt, mich selbst zu heiraten. Selbstliebe ist für mich seelische Sisyphusarbeit – eine moderne Erleuchtung, die ich jahrelang versucht habe zu erreichen und die mich mittlerweile ziemlich nervt.

Wenn ich #selbstliebe bei Instagram suche, erscheinen über eine Million Beiträge. Es sind vorwiegend Frauen in herbstlicher Kleidung und hinter Sepia-Filtern, die zufrieden in die Kamera lächeln. Viele lassen ihr Gesicht von der Sonne wärmen. Einige fotografieren glasierte Donuts, andere machen Yogaposen auf einem Berg. Wenn ich so durch Instagram scrolle, scheint #selbstliebe erst mal wie eine saisonale Ästhetik, wie ein Werbeslogan, mit dem Geld verdient wird. Auf Google sieht es ähnlich aus: Es gibt Coaches, Blogs, unzählige Checklisten mit Titeln wie „10 Tipps, wie du dich selbst lieben kannst“ oder „8 Dinge, die Menschen mit viel Selbstliebe anders machen“. Es gibt sogar Selbstliebe-Adventskalender.

Wie wir uns selbst behandeln, ist wichtig. Wenn ich mich halbwegs okay finde, trinke ich den Tag über genügend Wasser, auch wenn es nicht die empfohlenen zwei Liter werden. Aber Selbstliebe bedeutet für mich noch mehr: die Fähigkeit, sich in jeder Facette und Stimmung lieben zu können. Geht das überhaupt? Und was ist daran gut?

Zu Selbstliebe gibt es keinen Konsens. Wir sind uns einig, teamfähig, hilfsbereit oder nicht zu perfektionistisch sein zu wollen, aber Selbstliebe ist noch kein ethischer Wert. Das sollte sie vielleicht werden, denn danach zu streben, mit sich selbst klarzukommen, ist schon gut. Und wahrscheinlich ein Privileg, das erst auf der Agenda steht, wenn alle anderen Grundbedürfnisse gestillt sind: Essen, Obdach, Arbeit, Geld. Dann stehen wir da und wissen nicht, wo wir anfangen sollen. Und fotografieren Donuts und Kaffeetassen vor herbstlichen Wollpullovern. Weil wir überfordert sind.

Auf das Wort „Selbstliebe“ bin ich in meinen Zwanzigern gestoßen. Ich saß allein in meiner Einzimmerwohnung – auf meinem Bauch der Laptop – und klickte mich durch ein Tumblr-Blog. Nach einigen Fotos kam ich bei einer Zitatgrafik an, auf der stand:

„Nur wer sich selbst liebt, kann auch geliebt werden.“

Ich glotzte schockiert auf den Bildschirm. Das stand da einfach so im Internet rum: Die Lösung! Deswegen hatte ich so viele schlechte Erfahrungen mit Männern gesammelt! Ich fühlte mich ertappt und gerettet zugleich, als ich den Laptop vom Bauch auf meinen Beistelltisch stellte. Damit ich also eine funktionierende Beziehung leben konnte, musste ich mich nur ordentlich selbst lieben. Alles klar, das konnte ja so schwer nicht sein.

Spoiler: Es war schwer. Man kann mir nicht vorwerfen, dass ich es nicht versucht hätte. Ich pflegte meine Haut mit billigen Gesichtsmasken, ganz im Sinne der selfcare, der Selbstfürsorge. Ich sang hundert Mal Beyoncés „Me, Myself and I“ Wort für Wort mit, als wäre es eine magische Manifestation, und versuchte, selbstbewusst zu wirken. Das klappte auch: Oft wurde mir von anderen zurückgemeldet, wie tough ich doch sei. Ich fühlte mich geschmeichelt und gleichzeitig ungesehen. Wie kamen die Menschen darauf? Weil ich laut redete oder Witze über mich machte? Sah denn niemand, wie viel Anspannung in mir war?

Ich bin in einem Haushalt groß geworden, in dem Gewalt alltäglich war. Im 5. Stock einer engen Dreizimmerwohnung am Checkpoint Charlie in Berlin, inmitten von mentaler und physischer Gewalt. Ich lernte früh, Verantwortung für andere zu übernehmen. Ich passte auf meine Mutter auf und lag nachts wach, um sicherzugehen, dass die Streitigkeiten meiner Eltern nicht eskalierten. Oft ging es dabei innerhalb von Sekunden um Leben und Tod. In meiner Kindheit war kein Platz für Selbstliebe. Oft habe ich mich nicht einmal selbst gespürt.

Dann kam die Pubertät und ich wurde mir über meinen Körper bewusst. Ich hatte dunkle Körperbehaarung, alle anderen Mädchen aus der Klasse hatten blonde Beinhärchen, die sie „gar nicht rasieren müssen, weil die eh unsichtbar sind“. Ich war neidisch. Abseits der dunklen Haare hatten meine Beine auch nicht die vorteilhafteste Form. Da, wo andere Fesseln haben, die das schlanke Bein in den Fuß überleiten, hatte ich einen stumpfen Übergang. Meine Mutter hat meine Beine mal mitleidig „Kartoffelstampfer“ genannt. Die hätte ich eben leider so vererbt bekommen. Deutsche Kartoffelstampfer mit türkischer Behaarung. Schlimmer hätte es mich nicht treffen können, dachte ich damals.

Nicht alle sind so aufgewachsen wie ich, mit streitenden Eltern und Kartoffelstampfer-Beinen. Aber jeder Mensch hat sein Päckchen zu tragen, wie meine Mutter immer sagt. Und Selbstliebe-Skills scheinen vielen von uns nicht in die Wiege gelegt worden zu sein. Andere Themen stehen in der Kinder­erziehung an erster Stelle: Ehrlichkeit, Höflichkeit, der Umgang mit anderen. Was ist mit dem Umgang mit uns selbst? Wie lernen wir früh genug, uns selbst zu lieben?

Ich gebe diese Frage an jemanden weiter, der sich beruflich mit Selbstliebe beschäftigt. Bodo Karsten Unkelbach ist Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie und hat ein Buch zum Thema „Selbstliebe“ geschrieben. Der 51-Jährige spricht mit sanfter Stimme ins Telefon und wählt seine Worte mit Bedacht. Auf meine Frage hin, warum wir Selbstliebe als Kinder nicht aktiv beigebracht bekommen, sagt er: „Kinder lernen das Allermeiste unbewusst und über Beziehungen. Wenn ein Kind merkt, dass es geschätzt wird, dann überträgt sich das ganz automatisch auf das Selbstbild.“

Erwartungen an mich selbst

Mein Selbstbild war lange eine Collage aus Fremdzuschreibungen und Erwartungen an mich selbst. Mittlerweile kenne ich mich ganz gut, zumindest immer besser. Aber liebe ich mich? Das Verhältnis zu meinen Beinen hat sich jedenfalls nicht magisch von Hass in Liebe gewandelt. Ich habe nur nach jahrelangem Gebrauch von Kaltwachsstreifen, Enthaarungscremes, Epilierern und Rasierern keinen Bezug mehr zu ihnen. Sie sind da, sie funktionieren, ich schaue sie einfach nicht so oft an. (Tun Sie es also bitte auch nicht, wenn Sie mich mal irgendwo sehen.)

Wenn ich das mit der Selbstliebe wirklich hinkriegen würde, dann müsste ich meine Beine trotzdem schön finden und auch gern zeigen. Und das ist eines meiner Probleme mit dem Begriff: Er suggeriert mir einen Zwang.

Karsten Unkelbach findet den Begriff „Selbstliebe“ hingegen wertvoll. Es gehe ihm dabei vor allem um Fragen wie: „Gehe ich gut mit mir um? Tue ich mir selbst Gutes und nehme mein Leben so in die Hand, dass ich grundsätzlich zufrieden bin? Fühle ich mich mit mir selbst wohl? Bin ich gern mit mir allein?“

Eine Figur liegt im Wald und sagt zu einem Baum und einem Pilz, „was für schöne Beine ihr habt“

Illustration: Yvonne Kuschel

Ich bin gern allein, nehme mein Leben täglich in die Hand und tue mir regelmäßig Gutes. Trotzdem mache ich mir Gedanken um meine Charakterschwächen und lasse mich selten einfach in Ruhe. Da hilft keine Feuchtigkeitsmaske, kein Song von Beyoncé und kein teures Selbstliebe-Seminar. Wenn man nicht weiß, wie man sich selbst in Ruhe lassen kann, wird es schwierig mit der Selbstliebe.

Meine Beziehungen wurden seit der Tumblr-Offenbarung auch nicht besser. Ich verliebte mich vor allem in Narzissten, die auf mich wie Menschen wirkten, die das mit der Selbstliebe raushatten. Ironischerweise sind Narzissten mit am weitesten davon entfernt, einen gesunden Umgang mit sich (und anderen) zu pflegen. Die, die ich getroffen habe, ließen kaum Nähe zu und lebten gleichzeitig in ständiger Angst vor Ablehnung. In diesen Beziehungen bin ich zu einer Selbstbestätigungs-Tankstelle verkommen.

Meine eigenen Bedürfnisse verschwanden. Nach einigen Jahren Gaslighting, einer Form von psychischer Gewalt, und zahllosen Grenzüberschreitungen von Narzissten in meinem Leben war mein Selbstbewusstsein tief gestört. Hatte mein Ex mich wirklich immer angelogen, weil er nicht anders konnte, weil ich so „schwierig“ war? Reagierte ich zu sensibel? Hatte ich zu hohe Ansprüche? War ich zu kontrollierend, wenn ich mir Ehrlichkeit wünschte?

Irgendwann war ich überzeugt, leider einfach nicht liebenswürdig zu sein. Da konnte niemand was für, wir haben es alle versucht. Vielleicht waren es auch meine Kartoffelstampfer. Jedenfalls konnte ich nicht geliebt werden und das war meine Schuld. Ich liebte mich ja nicht einmal selbst.

Das Tumblr-Zitat zur Selbstliebe hat meine Verunsicherung und mein Schuldgefühl verstärkt. In einer besonders schlimmen Beziehung habe ich das missbräuchliche Verhalten meines Gegenübers auch darauf zurückgeführt, dass ich einfach noch nicht bei echter Selbstliebe angekommen war. Mein Mittzwanziger-Kopf dachte: „Wenn du dich lieben könntest, würdest du dich so nicht behandeln lassen.“

Es liegt an den anderen

Heute weiß ich: Mangelnde Selbstliebe als Erklärungsversuch für das, was mir widerfuhr, war mein verzweifelter Versuch, Kontrolle über Situationen zu bekommen, die nicht kontrollierbar waren. Und ja, sicher kann man besser Grenzen ziehen, wenn man gut mit sich umgeht. Das heißt aber nicht, dass ich verantwortlich bin, wenn jemand sich mir gegenüber offensichtlich falsch verhält. Nur weil ich mich selbst nicht liebe, muss mich jemand anderes nicht hassen. Es hat lange gedauert, bis ich verstand: Manchmal liegt es wirklich nicht an mir, sondern an den anderen.

Mit meinem Lebensziel „Selbstliebe“ hatte ich ein unerreichbares Idealbild von mir geschaffen. Nach über zwanzig Jahren in der deutschen Gesellschaft und ungefähr sieben Jahren im World Wide Web sah es so in meinem Kopf aus: „Du sollst dich lieben, aber nicht zeigen, dass du stolz auf dich bist. Du sollst dir verzeihen, aber deine Fehler nicht wiederholen. Liebe dich selbst, aber sei auf keinen Fall selbstverliebt.“ Teils sind das Werte, die vor allem Frauen oder weiblich gelesenen Menschen vermittelt werden.

Bloß nicht „zu viel“ sein, keine Probleme machen oder überhaupt haben. Niemanden mit der eigenen Person stören. Wie sollte mir das dabei helfen, mich selbst zu akzeptieren? Weisheiten wie das Zitat auf ­Tumblr gaben Menschen wie mir Werkzeuge dafür, sich für die Gefühle und Taten anderer verantwortlich zu fühlen. Klassische Täter-Opfer-Umkehr, präsentiert von Tumblr-User:innen, die es auch nicht besser wussten. Selbstliebe lernen im Internet der frühen 2000er? Try again.

Auch heute ist Social Media in Sachen Selbstliebe ein zweischneidiges Schwert. Unser Selbstwert (ein weiterer Aspekt von Selbstliebe) kann auf Instagram schnell bröckeln. Vor allem, wenn Use­r:in­nen nur Ausschnitte von sich teilen, in denen sie in einer weiß-beige eingerichteten Neubauwohnung Thermomix-Kekse backen, mit einem Beauty-Filter, der ihre Haut porenlos wirken lässt. Da können auch mal Minderwertigkeitsgefühle auftauchen, von denen wir nicht mal wussten, dass wir sie haben.

In Beziehung zu anderen

Andererseits: Als ich damals verzweifelt versuchte, mir mit dem Plastikschaber der Enthaarungscreme die Haare von den Kartoffelstampfern zu kratzen, hätte ich das Internet von heute gut gebrauchen können. Ich hätte schneller verstanden, dass ich mir nicht solche Mühe geben muss, so auszusehen wie die anderen. Ich hätte erfahren, was mein Denken und das meiner Klassenkameradinnen mit rassistischen Schönheitsidealen zu tun hat. Und ich hätte Menschen mit Beinen wie meinen gesehen. Ob ich meine Kartoffelstampfer dann richtig lieben gelernt hätte? Zweifelhaft. Zwei Posts weiter würden sicher porenlose Blondinenbeine Werbung für #Bodypositivity machen.

In einem Punkt ist das Internet aber ungeschlagen: Verbindung. Seit Beginn der Coronapandemie sitzen viele von uns zu Hause und müssen mit ihrer Einsamkeit und Überforderung zurechtkommen. Da kann das Internet eine echte Stütze sein. Die Beziehung zu anderen und der digitale Austausch sind momentan wohl für uns alle extrem wichtig.

Das Gefühl, nicht allein mit seinem Körper, seinen Gedanken und Gefühlen zu sein, ist aber nicht nur in Zeiten von Pandemien wichtig. Vor knapp zwei Jahren bin ich Mutter geworden. Das Wochenbett gleicht einer Coronalockdown-Situation in vielen Punkten: Man geht nicht oft raus, ist viel mit sich allein und in Jogginghosen unterwegs. Ich habe auch viel geweint. Im Wochenbett lag ich nachts wieder wach, wie als Kind bei meinen Eltern damals. Aber diesmal nicht in Sorge darum, ob meine Eltern sich bei ihren Streitigkeiten umbringen. Diesmal schaute ich stündlich, ob mein Kind noch atmet. In mir wüteten Ängste, Albträume und wahrscheinlich eine postnatale Depression. Auch dabei hat mir das Internet geholfen.

Auf Instagram zum Beispiel habe ich einen Abgleich in meiner neuen Rolle als Mutter gefunden, der mir im echten Leben gefehlt hat. Ich habe Accounts von Müttern entdeckt, die ähnliche oder schlimmere Ängste hatten, die für mich unaussprechliche Dinge aussprachen. Die Ratschläge und Erfahrungen teilten. Und ich fand noch mehr Heilsames. So folgte ich zum Beispiel der Psychotherapeutin Nedra Tawwab, die mir seither täglich hilfreiche Infos zu mentaler Gesundheit gibt. Und vielleicht heile ich ja meine Vaterproblematik irgendwann mit dem liebevollen „Korean Dad“ (@yourkoreandad) auf TikTok. Von seinen 1,5 Millionen Followern scheint es einigen so zu gehen wie mir. Kurz gesagt: Mein Social-Media-Feed wurde zu einem Ort, an dem ich mich gesehen und aufgefangen fühlte. Endlich gute Voraussetzungen, sich selbst okay zu finden. Vielleicht sogar zu lieben? Wir wollen nicht übertreiben.

Aber immerhin scrolle ich jetzt weiter, wenn mir Eltern auf Instagram ihr ockerfarbenes Leben mit viel Besserwisserei unter die Nase reiben wollen. Ich versuche es mit Selbsvertrauen – der schwierigste Aspekt der Selbstliebe.

Mein Selbstvertrauen ist mir abhandengekommen in meinem Aufwachsen und in meinen Beziehungen zu Narzissten. Aber es wird täglich besser. Das Internet hat mir dabei geholfen, damit klarzukommen, dass ich mich manchmal nicht liebe. Und das muss ich auch nicht: Denn in meiner Social-Media-Blase finde ich User:innen, die sich mal toll finden und mal hassen, aber vor allem erst mal so zeigen, wie sie sind. Das sind Menschen, die sich nicht immer lieben. Und wenn es so vielen so geht, scheine ich ja nicht ganz falsch zu sein.

Vertrauen in mich

Ich kann trotzdem lieben und geliebt werden. Egal, wie weit ich in meiner persönlichen Entwicklung bin. Manchmal muss ich es einfach mit mir aushalten. Ist das nicht das Geheimnis langlebiger Ehen? Auch wenn bei mir in nächster Zeit keine Hochzeit ansteht – auch keine, in der ich mich selbst heirate: Ich glaube an mich und vertraue mir mittlerweile ziemlich gut.

Einige Wochen nach der Selbstliebe-Hochzeit frage ich meine Freundin Ljuba, wie ihr Eheleben mit sich läuft. Sie sagt, dass der Akt der Eheschließung schon etwas in ihr ausgelöst habe. Dieses Sich-vor-allen-Gästen-zu-sich-selbst-Bekennen. Auch wenn sie sich dabei nicht immer ganz ernst genommen habe, findet sie: „Ich gehe bewusster an vieles ran und frage mich: Ist das gut für mich? Auch wenn ich etwas für andere tue, frage ich mich mittlerweile: Inwieweit tut mir das auch gut? Nicht im egoistischen Sinne, du weißt schon, wie ich meine.“ Für ihre Zukunft wünscht Ljuba sich neben Selbstvertrauen auch Selbst-Mitgefühl.

Das wünsche ich mir auch: Mitgefühl für alle, die nach Anerkennung strampeln, #selbstliebe-Donuts auf Instagram posten, die sich selbst heiraten oder hassen. Mitgefühl für alle, die keine Ahnung haben, was dieses Wort bedeuten soll, oder nach unerreichbaren Idealen streben. Ich habe mein Selbstliebe-Ideal erst mal auf Eis gelegt. Mir reicht es, mich, meine Gefühle und Grenzen einfach nur zu bemerken. Ich liebe mich nicht, ich hasse mich nicht, ich bin einfach da. „Selbstwahrnehmung vor Selbstliebe“ wäre mein Zitat-Foto auf Tumblr. Vielleicht poste ich das gleich auf Instagram: #selbstwahrnehmung. Bisschen sperrig, aber könnte funktionieren.

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