Selbsthilfe bei Sehbehinderung: Solidarität und Spaß
Die Kolumne endet, das schöne Abenteuer „Blind mit Kind“ aber geht weiter: gemeinsam mit anderen, die ähnliche Erfahrungen machen.
B lind mit Kind – wie geht das? In der Schwangerschaft war die Frage sehr präsent und vor allem unbeantwortet. Nach viereinhalb Jahren lautet die generelle Antwort eindeutig „Gut!“ – trotz Anzieh-, Aufräum- und Puzzleexzessen, ohrenbetäubender Spielplatzbesuche, Kopfkino im Straßenverkehr und ungläubiger Reaktionen der Mitmenschen. Unser Alltag ist total „normal“ (wenigstens für uns!).
Und dennoch wird auch in der Zukunft Redebedarf bleiben, ob nun über die Beaufsichtigung von Spielfreundinnen und Freunden meiner Tochter oder über nicht barrierefreie Einträge in ihrem zukünftigen Hausaufgabenheft … Wie das wohl gehen wird? Es lohnt sich doch immer, jemanden zu fragen, der sich damit auskennt.
Diese Erkenntnis war mir angesichts der inoffiziellen Eltern-„Selbsthilfegruppen“ auf Spielplätzen oder in Kindercafés („Wie macht ihr denn …? Machen eure das auch?“) schon früh gekommen. Wie ich aber selbst Brei füttern oder Nägel schneiden sollte, war hier wohl nicht herauszufinden. Andere blinde Eltern mussten her, aber eine offizielle Anlaufstelle für unseren Spezialbedarf gab es auch beim hiesigen Blindenverein (noch) nicht. Am Ende blieb genau eine zielführende Lösung: Selbst eine Gruppe gründen!?
Selbsthilfegruppe klang nicht gut in meinen Ohren … Blind mit Kind – das ist doch keine wirkliche Problemlage oder ein behandlungswürdiges Symptom!? Sollten wir uns etwa wie die anonymen Alkoholiker in den Kreis setzen und …? Wer würde da überhaupt kommen?
Selbsthilfe heißt, auch mal Dampf abzulassen
Als meine Tochter zwei war, wagte ich den Versuch – und es kamen erstaunlicherweise einige Leute, Leute wie mein Mann und ich – und natürlich auch ganz andere, wie das eben so ist mit heterogenen Gruppen. Jetzt reden wir einmal im Monat beim „Elternstammtisch für sehbehinderte Eltern“ über das Beantragen von Elternassistenz, über die neusten Hilfsmittel, den Umgang mit Lehrkräften und ErzieherInnen – oder auch mal über den Marmorkuchen, den wir gerade essen. Selbsthilfe ist eine ziemlich gute Idee, um schnell und unkompliziert Tipps und Tricks auszutauschen oder einfach mal bei Leuten Dampf abzulassen, denen es ähnlich geht.
Als bunter Haufen Weihnachtsplätzchen zu backen oder den Zoo oder den nächsten Bauernhof unsicher zu machen, ist auch für unsere Kinder eine nicht zu verachtende neue Freizeitbeschäftigung geworden. Und: Sollten die Kleinen – wie ab und an vermutet wird – entwicklungsbedingte praktische oder emotionale Schwierigkeiten mit unserer Behinderung bekommen, haben sie so ihre eigene „Selbsthilfegruppe“ gratis dazu!
Was meinen darüber hinausgehenden Nachdenk- und Mitteilbedarf angeht, war die beste aller bestehenden Möglichkeiten sicherlich, eine Kolumne darüber schreiben zu dürfen! Ich danke der taz und allen interessierten Lesenden, mit denen ich meine Geschichten, Eindrücke und Gedanken teilen konnte, für das vergangene Jahr!
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