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Seilschaften in GuatemalaDie mutige Nineth

Seit sie der Präsidentengattin Sandra Torres unbequem ist, wird die linke Politikern Nineth Montenegro bedroht. Doch sie will im Land bleiben.

Schon 1984 wurde der Mann von Nineth Montenegro (re.) von Sicherheitskräften verschleppt und ist seither verschwunden. Bild: ap

SAN SALVADOR taz | Guatemalas prominenteste linke Abgeordnete, Nineth Montenegro, fürchtet um ihr Leben. "Es wird ein Attentat gegen sie vorbereitet, um ihre Arbeit als Parlamentarierin zu beenden", sagte Carlos Castresana, Chef der von der UNO nach Guatemala geschickten Internationalen Kommission gegen die Straffreiheit (Cicig) vor Kurzem. Castresana bot ihr an, bei der Ausreise behilflich zu sein. Doch Montenegro, die seit 1996 für die kleine Partei Encuentro por Guatemala im Parlament sitzt, will im Land bleiben.

Die Cicig soll Guatemalas Regierung helfen, kriminelle Seilschaften im Staatsapparat unschädlich zu machen und spektakuläre Kriminalfälle aufzuklären. Wer hinter den Vorbereitungen auf ein Attentat gegen Montenegro steckt, sagte Castresana nicht. Doch in ihrer parlamentarischen Arbeit hat sich Montenegro zuletzt vor allem mit einer Person auseinandergesetzt: mit Sandra Torres, der Frau des sozialdemokratischen Präsidenten Álvaro Colom.

Torres ist im Parlament ihres Gatten so etwas wie eine Superministerin für Soziales. Sie leitet ein Programm, das bedürftigen Familien umgerechnet rund 20 Euro pro Monat bezahlt, wenn die Kinder regelmäßig zur Schule und zur Gesundheitsvorsorge gehen. Es kommt 400.000 Familien zugute und wird von großem Werbeaufwand begleitet. Kritiker werfen der Regierung vor, es gehe vor allem darum, Torres zur beliebten Politikerin aufzubauen, damit sie ihrem Mann im Präsidentenamt nachfolgen könne.

Montenegro wollte Korruptionsvorwürfe gegen Torres und ihr Programm klären und forderte Einblick in die Listen der Begünstigten - was von der Regierung verweigert wurde. Erst nach einem Urteil des Obersten Gerichtshofs wurden ihr die geforderten Unterlagen ausgehändigt. Für Präsident Colom aber haben die Drohungen gegen Montenegro nichts mit deren Ermittlungen gegen seine Gattin zu tun: "Da stecken Mafiosi dahinter, die sich durch die Ermittlungen der Cicig bedroht fühlen", sagte er.

Montenegro ist eine prominente Figur. 1984 wurde ihr Mann, der Gewerkschaftsführer Fernando García, von Sicherheitskräften verschleppt und ist seither verschwunden. Sie gründete danach die Gruppe für gegenseitige Hilfe, eine der wichtigsten Menschenrechtsorganisationen des Landes. Im März 2009 wurde der Mord an ihrem Mann aufgeklärt, zwei Mitglieder der ehemaligen Nationalpolizei wurden verhaftet. Es war das erste Mal, dass Verantwortliche für das Verschwindenlassen von Oppositionellen in Haft kamen.

Die Abgeordnete selbst will nicht öffentlich darüber spekulieren, wer sie bedroht. "Es ist Aufgabe der Regierung, dies zu untersuchen und herauszufinden, wer die Verantwortlichen sind", sagt sie. Der Parlamentspräsident hat ihr ein gepanzertes Fahrzeug zur Verfügung gestellt, ihre beiden Töchter verlassen nur noch mit Leibwächtern das Haus.

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