Sechstes Hamburger Frauenhaus kommt: „Explizit offen für Transfrauen“
Hamburg bekommt ein neues Frauenhaus. Der Verein „6. Autonomes Frauenhaus“ möchte dort neuere feministische Konzepte umsetzen.
taz: Frau Fischer, die Ausschreibung für die Trägerschaft des sechsten Hamburger Frauenhauses läuft europaweit. Warum meinen Sie, es wäre am besten, wenn Sie den Zuschlag bekommen?
Maria Fischer: Die Frauenhauslandschaft in Hamburg ist ja schon maßgeblich durch autonome Häuser geprägt. Die Prinzipien, die in den bestehenden Häusern erfolgreich angewandt werden, würden auch unsere Arbeit bestimmen. Aber es wäre eine Chance, Veränderungen der feministischen Theorie der letzten Jahre aufzunehmen.
Welche?
Zum Beispiel eine kritische Haltung zur binären Geschlechtervorstellung und eine intersektionale Sichtweise auf Macht- und Gewaltverhältnisse.
Was würde eine solche intersektionale Sichtweise in der Praxis bedeuten?
Fünf Frauenhäuser gibt es derzeit in Hamburg. Die Standorte sind aus Schutzgründen geheim. Der Verein Autonome Hamburger Frauenhäuser betreibt vier davon, eins betreibt die Diakonie.
Die Frauenhausbewegung hat ihren Ursprung in den 1970er-Jahren. Das erste Frauenhaus öffnete 1976 in Westberlin und war autonom. Die Wohlfahrtsverbände stiegen in den 1980er-Jahren mit eigenen Häusern ein.
Die Hamburger Sozialbehörde hat am 7. August bekanntgegeben, dass ein Standort für ein sechstes Frauenhaus gefunden wurde. Die Bewerbungsfrist für eine*n Träger*in läuft. Das Haus soll im Frühjahr 2020 öffnen.
Es bedeutet, die Biografien der Betroffenen unter analytischen Perspektiven zu betrachten, die außer patriarchalen Gewaltmustern noch andere einschließen können, zum Beispiel rassistische oder homophobe Gewalt. So können wir besser auf die individuellen Bedürfnisse der Frauen eingehen.
Wie würde sich das auf Ihre Arbeit auswirken?
Wir haben uns Gedanken gemacht, wie Diskriminierungen auch im Haus abgebaut werden können und haben uns entschieden, im Team eine Quotierung festzuschreiben für Frauen mit rassistischen Diskriminierungserfahrungen. Außerdem soll das Haus explizit für Transfrauen offen sein. In den Anfängen der autonomen Frauenbewegung wurden solche Diskussionen nicht geführt, oder mit einem Verständnis, das wir heute nicht mehr teilen. Die älteren Häuser sind auch im Veränderungsprozess.
Was bedeutet „autonom“ bei den Autonomen Frauenhäusern?
Zum einen parteipolitische und konfessionelle Unabhängigkeit. Außerdem lehnen wir Hierarchien ab. Im Team gibt es keine Leitungsfunktion, alle Mitarbeiter*innen arbeiten gleichberechtigt. Für die Bewohner*innen heißt das, dass man nicht die paternalistische Position, die vorher meist der Mann besetzt hat, durch die Mitarbeiter*in des Frauenhauses ersetzt.
Das bedeutet auch mehr Verantwortung für die Bewohner*innen.
Ja, und die Frauen werden bei ihren eigenen Lösungsvorstellungen unterstützt. Die einzelnen Schritte werden immer besprochen, die Frauen gestalten sie nach ihren Bedürfnissen. Der alte Slogan der Frauenhausbewegung – „Hilfe zur Selbsthilfe“ – gilt noch.
Überfordert das manche Frauen?
33, heißt eigentlich anders, aber bei Frauenhäusern ist Diskretion wichtig, deshalb zeigen wir auch kein Foto von ihr. Sie ist Gründungsmitglied des Vereins „6. Autonomes Frauenhaus“ in Hamburg.
Sie kommen ja in Krisensituationen. Die Überforderung liegt darin, dass sie durch die Gewalterfahrung meistens länger nicht mehr die Möglichkeit hatten, ihre Leben selbstbestimmt zu gestalten. Aber da gibt es große Unterschiede, es gibt nicht die klassische Bewohner*in.
Seit zwei Jahren gibt es die zentrale Notaufnahme der Hamburger Frauenhäuser. Was hat sich verändert?
Es ist eine deutliche Entlastung. Vorher haben sich die Autonomen Häuser mit dem Notdienst abgewechselt. In dem Haus, was dran war, wurde der 24/7-Dienst in den Bürozeiten über die Mitarbeiter*innen abgedeckt, aber nachts und am Wochenende haben die Bewohner*innen diese Arbeit gemacht – unentgeltlich. Das war für die Frauen, die ja ihre eigenen schwierigen Biografien haben, eine Belastung.
Wie läuft eine Aufnahme?
Wenn eine Frau anruft und akut von Gewalt betroffen ist, trifft man sich an einem vereinbarten Treffpunkt. Die Frau schildert ihre Situation und bekommt ein Zimmer, Kleidung oder Duschzeug, wenn sie das braucht. Im Aufnahmegespräch wird die Gefährdungslage geklärt – in welchen Stadtteilen ist sie in Gefahr, hat sie Kinder und so weiter. Dann wird ein Platz gesucht.
Und immer gefunden?
Die Hamburger Häuser sind oft voll. Dann wird im Speckgürtel gesucht, in Schleswig-Holstein, Niedersachsen oder weiter weg. Gerade für Frauen mit mehreren Kindern ist es schwierig. Der Lebensraum im Frauenhaus ist sehr beengt. Im ländlichen Raum wohnen die Frauen teilweise in Sechsbett-Zimmern. Dabei haben sie nach den Gewalterfahrungen immer ein erhöhtes Ruhebedürfnis.
Wer steht hinter dem Verein, der sich auf die Trägerschaft für das sechste Haus bewirbt?
Wir sind 30 Personen, Männer ausgeschlossen. Allerdings sehen wir den Begriff Frau als politische Kategorie, die die Erfahrung von Diskriminierung und misogyner Gewalt beschreibt.
So negativ definieren Sie „Frau“?
Für die Arbeit, die wir machen, ist das leider die Zielgruppe.
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