Science-Fiction-Film „Valerian“: Ein Wunderwerk an Fantasie
Die Comicverfilmung „Valerian – Die Stadt der tausend Planeten“ von Luc Besson ist eine Ausstattungsorgie. Das Auge freut das umso mehr.
Wenn sich Regisseure Herzensprojekte erfüllen, dann ist das so eine Sache. Meist sind es für den Außenstehenden kaum nachvollziehbare Gründe, die genau dieses Projekt so bedeutend machen, dass es jahrelang mitgeschleppt wurde. Zudem sorgt das oft dafür, dass zunehmend erzählerischer Ballast angehäuft wurde, und für Kritik oder Ratschläge von Außen sind große Regisseure beziehungsweise Auteurs in der Regel ja ohnehin eher wenig empfänglich.
Wenn nun also Luc Besson sich seinen langgehegten Traum erfüllt und die Comic-Reihe „Valerian und Veronique“ verfilmt, in Personalunion als Autor, Produzent und Regisseur, und das mit einem satten Budget von rund 200 Millionen Euro, dann kann man nicht anders als skeptisch sein. Und kommt schon nach wenigen Minuten von „Valerian – Die Stadt der tausend Planeten“ aus dem Staunen nicht raus.
Auf dem Planeten Mül findet man sich da wieder, einer traumhaften Strandlandschaft irgendwo zwischen Tahiti und Hawaii, wo ätherische, bläuliche Wesen den lieben langen Tag damit verbringen, Perlen aus dem kristallinen Meer zu fischen, die die Lebensenergie ihrer Welt sind. In tausenden Farben glitzern diese Perlen, während der Himmel von Wolkenformationen gezeichnet ist, wie kein LSD-Rausch sie schöner erscheinen lassen könnte.
Der Verweis auf die psychedelische Droge ist kein Zufall, entstand die Comic-Vorlage zu „Valerian“ doch in den sechziger Jahren und war nicht zuletzt durch farbenfrohe Tableaus geprägt, die unverkennbar von Rauschzuständen inspiriert waren. Doch nicht nur optisch, sondern auch inhaltlich prägt die Gedankenwelt der sechziger Jahre Comic wie Film: Kurz gesagt, geht es um die Kraft der Liebe, was eigentlich ausreicht, um „Valerian“ zu verstehen.
Am Sitz der United Human Federation
Der Vollständigkeit halber sei etwas weiter ausgeholt: Im Jahre 2740 ist der erste Kontakt mit Außerirdischen längst zustande gekommen, tausende Galaxien, Planeten und Spezies teilen sich die Weiten des Weltraums, dessen Zentrum die Raumstation Alpha ist, Stadt der tausend Planeten. Hier treffen sich alle Wesen, hier ist der Sitz der United Human Federation, deren Top-Spezialagent Valerian (Dane DeHaan) ist, der zusammen mit seiner Partnerin Laureline (Cara Delevinge) die unmöglichsten Aufgaben übernimmt und dabei möglichst gut aussieht.
Nun soll das Duo auf dem Wüstenplaneten Kirian einen Transmutator aufspüren, eine Art Reptilienwesen, das alle Stoffe vervielfältigen kann. Doch auch andere Wesen sind hinter dem wertvollen Gut her und finden sich bald auf Alpha ein. Dort spinnt der offensichtlich zwielichtige Kommandeur Arun Filitt (Clive Owen) finstere Pläne und kann nur von Valerian und Laureline gestoppt werden. Reichlich absurd und hanebüchen ist diese Geschichte, doch sich über sie zu mokieren, geht am Kern vorbei.
Nicht was erzählt wird, sondern wie, ist das Entscheidende im Kino, was bei einer Ausstattungsorgie wie dieser noch viel mehr gilt. Seit je war Luc Besson ein Regisseur, dem es vor allem um Stil ging, angefangen von der Pariser Unterwelt in „Subway“ über die unendlichen Weiten der Meere von „Im Rausch der Tiefe“, bis hin zur futuristischen Welt in „Das fünfte Element“, der im Nachhinein wie eine Fingerübung für „Valerian“ erscheint.
Damals war die Computertechnik noch nicht weit genug fortgeschritten, um mit der Imagination Bessons Schritt halten zu können. Inzwischen ist es möglich, dutzende Wesen am Computer zu erschaffen, ganze Welten virtuell entstehen zu lassen und sie nahtlos mit Sets und Schauspielern zu verknüpfen.
Herbie Hancock als Hologramm
Bei allen Computereffekten ist „Valerian“ dennoch kein Film wie etwa „Avatar“, bei dem kaum ein Set real war, sondern eher mit klassischen Science-Fiction-Filmen wie der ersten „Star Wars“-Trilogie verwandt – nur ein paar Nummern exzessiver. Wie auf einer Modenschau aus dem 23. Jahrhundert fühlt man sich hier manchmal, wodurch die Präsenz des Models Cara Delevinge in der Hauptrolle gleich zusätzliche Berechtigung erfährt.
Kaum eine Szene vergeht, in der ihre Laureline nicht ein neues, ausgefallenes Kostüm spazieren trägt, eines ausgefallener, bunter und verrückter als das andere. Wie weggeworfen wirken viele Bildeinfälle, ausgefallene Frisuren, Tätowierungen und Setdetails, die oft nur Sekundenbruchteile am Bildrand auftauchen, jedoch zur enorm reichen Textur der Welt von „Valerian“ beitragen. Immer wieder fragt man sich zwar, ob das denn nun nicht genug ist, und schon taucht dann etwa der Popstar Rihanna in einem Gastauftritt als Gestaltwandlerin Bubble auf, verdreht Valerian kurz den Kopf und ist schon wieder verschwunden.
Auch Ethan Hawke und Clive Owens Rollen sind kaum mehr als Cameos, doch kein Auftritt ist so merkwürdig wie der von Jazz-Legende Herbie Hancock, der immer wieder in Hologrammform erscheint. Andere Stars sucht man hier gleichwohl vergebens, was umso mehr überrascht, als diese bei vergleichbaren Produktionen essenziell notwendig sind, um den Film international zu verkaufen. Nicht etwa ein Hollywoodstudio hat dieses Epos finanziert, sondern Besson selber, was „Valerian“ zum teuersten unabhängig produzierten Film aller Zeiten macht. Allein mit dem Drehbuch, einigen Konzeptzeichnungen und seiner Überzeugungskraft hat Besson die Rechte an seinem Film verkauft, so wie es in der komplizierten Welt der Filmfinanzierung üblich ist.
Attraktives Paket
In aller Regel kommt das Produktionsbudget nicht mehr aus einer Hand, sondern muss mühsam aus unterschiedlichsten Quellen abgezapft werden. In Deutschland bedeutet das, möglichst viel Filmförderung bei Bund und Ländern zu bekommen, bei internationalen Produktionen ein möglichst attraktives Paket zu schnüren und es auf den Filmmärkten von Cannes und Berlin noch im Ideenstadium zu verkaufen. Dass die Vorlage „Valerian und Laureline“ (in Deutschland als „Valerian und Veronique“ erschienen) in Frankreich Kultstatus besitzt, in manchen europäischen Ländern zwar bekannt, gerade in den USA aber praktisch unbekannt ist, macht es umso bemerkenswerter, dass es Besson gelungen ist, ein derart exorbitantes Budget zusammenzubekommen.
Für ihn selbst ist die Gefahr eines finanziellen Verlusts dabei überschaubar, durch den zerstückelten Verkauf der Rechte in praktisch sämtliche Territorien der Welt ist das Risiko auf die lokalen Verleiher – in Deutschland etwa Universum – abgewälzt, die wohl darauf hoffen, dass „Valerian“ an der Kinokasse ähnlich funktioniert wie die Superhelden-Comic-Blockbuster aus den Marvel- und DC-Schmieden. Ob dieser Plan aufgeht, wird manches darüber verraten, wie neugierig die Kinozuschauer auf Science-Fiction-Fantasy-Filme sind, die nicht Teil einer bekannten Marke sind, die keine Fortsetzung sind, die nicht allein durch zahllose Hollywoodstars in den Hauptrollen ein erhebliches Publikum anlocken.
„Valerian – Die Stadt der tausend Planeten“. Regie: Luc Besson. Mit Dane DeHaan, Cara Delevingne u. a. Frankreich 2017, 137 Min.
Das letzte Mal, als ein idiosynkratischer Regisseur, genauer zwei, viel Geld für die Verwirklichung eines Traums in die Hand bekamen, ging das gründlich schief: Die Wachowski-Geschwister scheiterten mit „Jupiter Ascending“ auf ganzer Linie, ein Misserfolg, der Besson hoffentlich erspart bleibt. Denn auch wenn „Valerian“ sich bisweilen in seiner Ausstattungsorgie erschöpft, er mit satten 137 Minuten eine ganze Ecke zu lang geraten ist: Ein solches Wunderwerk an Fantasie und überbordender visueller Imagination hat man im Kino lange nicht gesehen. Die jahrzehntelange Genese eines Herzensprojekts hat zumindest dieses Mal reiche Früchte getragen.
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