Schwierige Zeiten für Linke-Fraktion: Machtkampf in Linkspartei eskaliert
Im Streit um die Machtverhältnisse in der Linkspartei gehen Fraktions- und Parteivorstand in die ultimative Auseinandersetzung.
Mit dem Ultimatum trieb Wagenknecht den schwelenden Machtkampf in der Partei auf die Spitze. Sie griff insbesondere die beiden Parteivorsitzenden Katja Kipping und Bernd Riexinger scharf an, bezichtigte sie einer offenen Kampagne und des Versuchs sie zu demontieren.
Wagenknecht fürchtet, die Parteiführung wolle sie mit eigenen Vertrauten im Fraktionsvorstand einmauern – und so inhaltlich kalt stellen. Sie empört sich etwa über Geschäftsordnungsanträge, die den Parteivorsitzenden Stimmrecht im Fraktionsvorstand und ein gleichberechtigtes Rederecht im Plenum verschaffen sollen. „Beides liefe letztlich darauf hinaus, dass die Fraktion von den Parteivorsitzenden übernommen wird, während den Fraktionsvorsitzenden nicht viel mehr als der Titel auf ihren Visitenkarten verbliebe.“
Dann drohte sie: „Allerdings kann ich Bernd Riexinger und Katja Kipping beruhigen: sie werden sich nicht die Mühe machen müssen, mich über Monate wegzumobben.“ Sollten etwa die Geschäftsordnungsanträge zum Stimm- und gleichberechtigten Rederecht der Parteivorsitzenden durchkommen, würde sie nicht mehr für den Fraktionsvorsitz zur Verfügung stehen.
Der ehemalige Parteivorsitzende Klaus Ernst musste über den Vorwurf der „Entmachtung“ lachen. Natürlich müssten die Parteivorsitzenden ein Stimmrecht im Vorstand haben, sagte er. Das sei zu seiner Zeit auch üblich gewesen. Dass es unterschiedliche Meinung gebe sei normal. Ernst: Wenn Wagenknecht und Bartsch sicherstellen wollten, dass der Fraktionsvorstand immer ihrer Meinung sei, „da müssten se sich schon klonen und zehn Mal in den Vorstand setzen.“
Ausspräche bis nach Sonnenuntergang
Die sechs Antragsteller wollten sich zunächst nicht einschüchtern lassen. „Für ein Zurückziehen gibt es keinen Anlass“, sagte Niema Movassat, einer der Abgeordneten, der taz. „Es geht nicht um eine Schwächung der Fraktionsvorsitzenden, sondern darum, der Partei wieder mehr Geltung zu verschaffen.“ Movassat gehört zum Landesverband Nordrhein-Westfalen, eigentlich die Hausmacht von Fraktionschefin Wagenknecht. Er wehrte sich wie auch andere Antragsteller gegen den Vorwurf, im Auftrag der Parteiführung zu handeln.
Bis nach Sonnenuntergang dauerte die Aussprache, in der beide Seiten versuchten insbesondere die neuen Fraktionsmitglieder auf ihre Seite zu ziehen. Alt-Star Gregor Gysi sprach sich etwa für ein Stimmrecht der Parteiführung aus, beim gleichberechtigten Rederecht riet er zum Rückzug. Am Abend arbeitete Gysi dann einen entsprechenden Kompromissvorschlag aus.
Später zog sich das Quartett Kipping, Riexinger, Wagenknecht, Bartsch zurück und versuchte zu einer gesichtswahrenden Lösung zu kommen. Ausgerechnet in einem Raum mit verglaster Wand traf man sich zur Krisensitzung – so transparent kracht man sich nur in der Linkspartei. Aus der Parteiführung hieß es zuvor bereits, man halte an Wagenknecht und Bartsch fest.
Die Debatte hinter verschlossenen Türen wurde von vielen Abgeordneten dennoch als freundlich und meist lösungsorientiert beschrieben. „Man hört sich zu, man beleidigt sich nicht“, berichtete die neue, parteilose Abgeordnete Anke Domscheit-Berg. „Das macht mir Hoffnung.“
Offenbar wollten sich die meisten Fraktionsmitglieder nicht in die Kabalen der Führung hineinziehen lassen, sondern ihre Arbeit machen, spricht Politik.
Wenn dann am späten Abend die Fraktionsführung steht, kann sich die Linksfraktion auch inhaltlichen Fragen zuwenden: Wie geht sie künftig mit der AfD um? Diese Frage steht am Mittwoch auf der Tagesordnung.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Anbrechender Wahlkampf
Eine Extraportion demokratischer Optimismus, bitte!
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“