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Schweizer VolksinitiativeGiftspritze für Sexualmörder

Eine Volksinitiative will die Todesstrafe wieder einführen. Doch das verstößt gegen die entsprechenden Zusatzprotokolle der Europäischen Menschenrechtskonvention.

Mehr Symbol als Wille: die Initiative für die Giftspritze als Strafe. Bild: dpa

GENF taz | In der Schweiz soll die Todesstrafe 68 Jahre nach ihre Abschaffung für "Mord mit sexuellem Missbrauch" wieder eingeführt werden. Das verlangt eine Volksinitiative, der die Regierung in Bern am Dienstag nach Prüfung auf ihre formale Korrektheit grünes Licht erteilte.

Gelingt es der Initiative, bis spätestens 24. Februar 2012 mindestens 100.000 Unterschriften zu sammeln, kommt es zu einer Volksabstimmung. Die tatsächliche Wiedereinführung der Todesstrafe in der Schweiz würde nach bislang geäußerter mehrheitlicher Meinung von JuristInnen sowie von PolitikerInnen der Mitte und des linksgrünen Lagers allerdings gegen das Völkerrecht verstoßen.

Die Volksinitiative fordert die Todesstrafe für Personen, die "in Kombination mit einer sexuellen Handlung mit einem Kind, sexueller Nötigung oder Vergewaltigung eine vorsätzliche Tötung oder einen Mord begehen". Die Hinrichtung des Täters ist "innerhalb von drei Monaten" nach einem endgültigen Gerichtsurteil zu vollziehen. Die Hinrichtungsmethode soll das Gericht festlegen.

Lanciert wurde die Initiative von einem siebenköpfigen Komitee, das nach eigenen Angaben "parteipolitisch unabhängig" ist. Sprecher Marcel Graf erklärte, dem Staat müsse "ein Instrument zu Ahnung extremer Verbrechen zurückgegeben werden". Anlass war ein Sexualverbrechen in Grafs Umfeld.

Mit der Einführung des Strafgesetzbuches im Jahre 1942 hatte die Schweiz die Todesstrafe zunächst in Friedenszeiten abgeschafft. 1992 wurde sie auch aus dem Militärstrafgesetz gestrichen. In der eidgenössischen Bundesverfassung ist die Todesstrafe ausdrücklich verboten. All diese nationalen Bestimmungen könnten theoretisch zwar durch eine Volksabstimmung verändert werden. Doch die Schweiz hat auch die Zusatzprotokolle 6 und 13 zur Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) ratifiziert, mit denen die Todesstrafe in Friedens- und Kriegszeiten abgeschafft wird.

Nach Überzeugung des renommierten Zürcher Verfassungsjuristen Daniel Thürer sind die EMRK und ihre Zusatzprotokolle "zwingendes Völkerrecht". Deshalb müsse das Parlament die Volksinitiative, sollte sie tatsächlich die erforderlichen 100.000 Unterschriften erhalten, noch vor einer Volksabstimmung "für ungültig erklären". Ähnlich äußerten sich auch PolitikerInnen der Mitteparteien CVP und FDP sowie der Sozialdemokraten und der Grünen.

Keine Reaktion kam bislang von der rechtspopulistischen SVP des früheren Justizministers Christoph Blocher. Als 1997 ein SVP-Mitglied eine Initiative zur Wiedereinführung der Todesstrafe startete, wurde er noch von seiner Partei ausgebremst. Doch seitdem ist die SVP zur stärksten Partei geworden - mit Themen und Initiativen, die auf "mehr Sicherheit" setzen vor "kriminellen Ausländern", Muslimen und anderen inneren und äußeren "Bedrohungen".

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10 Kommentare

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  • HP
    Hans Peter

    Wenn die Schweiz es wirklich will, dann kann sie natuerlich diese Form der Strafe wieder einfuehren. Vertraege die geschlossen wurden koennen auch wieder gekuendigt werden, so dass wenn die (grosse) Mehrheit der Schweizer dies will es auch umgesetzt wird.

    Vermute jedoch stark, dass sogar das Erreichen der ersten 100.000 Unterschriften schwer wird. So viele Stammtische gibts da auch nicht.

  • T
    Tobias
  • R
    Richard

    Die Initiative wurde von den Initianten heute zurückgezogen. Es ging ihnen mit dem Tabubruch offenbar darum, die Diskussion über eine ihrer Meinung nach täterfreundliche Justiz in der Schweiz zu lancieren.

  • HD
    Hans Dampf

    Macht sich denn keiner die Mühe, genauer zu recherchieren?

     

    Die Initiative wurde wieder zurückgezogen!

    Nachzulesen auf www.todes-strafe.ch.

    Oder auf Schweizer Nachrichtenseiten wie z.B. hier: http://bazonline.ch/schweiz/standard/Initiative-fuer-Todesstrafe-zurueckgezogen/story/21220981

     

    ;)

  • MM
    Matthias Mersch

    Die NZZ meldete am Sonntag, den 22. August, also zwei Tage vor der Veröffentlichung des Artikels von Andreas Zumach:

    "SVP-Vordenker Christoph Blocher sagt, er sei gegen die Abschaffung der Todesstrafe für Landesverrat im Kriegsfall gewesen und sei es heute noch. «Aber für die Einführung selbst bei Mord mit sexuellem Missbrauch bin ich nicht.» Dennoch sei die Initiative «auf jeden Fall als gültig zu erklären», hält Blocher fest."

  • J
    Jay

    Für die Schweizer ist ein Mord aus "sexuellen Gründen" also niederträchtiger als ein anderer Mord, sagen wir, ein Mord bei dem eine Person wegen zwanzig Euro, einer verweigerten Zigarette oder wegen Einmischens in eine Schlägerei umgebracht wird? Verrückt! Der ermordeten Person wird es höchst egal sein, wegen was es nun war.

  • PJ
    Patrik Jacob

    Keine Minarette, aber das alte "Aug um Aug", das auch in der Scharia penibel angewendet wird? Krass...

     

    Echte Rückentwicklung in der Schweiz, aber leider nicht nur dort.

     

    Kann mal jemand mitdenken, auf Basis der Möglichkeiten die wir seit ca. 2000 Jahren kennen? Hat nix mit sogenannter Kirche zu tun oder mit Überlegenheitsgefasel.

  • T
    Theoretiker

    Nachdem was man auf diversen anderen Seiten liest, finden immer noch genug Deutsche, dass diese Barbarei wieder eingeführt werden muss.

     

    Da die Todesstrafe die Verbrechensrate nicht senkt (Beispiel USA) bleibt als Motiv dafür nur primitive Rache. Dann wären wir aber wieder bei unseren Urinstinken, die Definition des Menschen wäre dahin, wir wären nichts weiter als ein Haufen Tiere.

     

    Aber halt, Tiere töten nicht aus Rache, Entschuldigung.

  • L
    lala

    Ja auch in der Schweiz leben ein paar populistische Schmalspurhirne die gerne mal den Mund weit aufreissen.

    Bis jetzt ist nur die Möglichkeit zum Unterschriften sammeln gegeben. Dann müssen sie erst mal die nötigen Unterschriften zusammen bekommen und wenn das dann passiert ist wird irgendwann dikutiert und informiert und abgestimmt.

    Das kann in der Schweiz eine Weile dauern - eine ziemlich lange Weile.

    Und dann leben neben den paar Schmalspurhirnen noch ganz viele ganz logisch denkende Schweizer die auch noch zum allergrössten Teil zum Abstimmen und hoffentlich überstimmen gehen.

     

    "S chunnt und es chunnt scho guet!"

  • D
    Direktdemokrat

    FAKT ist: Die Initiative hat KEINE Chance auf Erfolg. Eine Mehrheit für die Wiedereinführung der Todesstrafe wird es im Schweizervolk NIEMALS geben.

     

    Noch mal zum Mitschreiben für alle: Die Todesstrafe ist und bleibt abgeschafft, es gibt keinen Grund, dieses absurde und chancenlose Volksbegehren als Vorwand zu mißbrauchen, um gegen die direkte Demokratie zu hetzen.

     

    Es ist richtig und es ist gut, daß die Schweizer über fast alles abstimmen dürfen. Das ist Demkratie, das muß auch in Deutschland kommen.

     

    Übrigens: Ich vertraue der großen Mehrheit meiner Mitbürger und bin davon überzeugt, daß verrückte und absurde Bestrebungen auf Dauer chancenlos bleiben!

     

    Politiker und Lobbyisten - die sind es, denen mit Recht mißtraut wird, denn die verraten regelmäßig die Interessen des Volkes!