Schweizer Volksinitiative: Die Knarre bleibt im Kleiderschrank
Die Volksinitiative für ein schärferes Waffengesetz ist wohl gescheitert. 57 Prozent sollen laut Prognose dagegen gestimmt haben. Durchgesetzt haben sich Schützenvereine und Militärs.
GENF dpad | In der Schweiz hat sich am Sonntag eine Mehrheit für die Gegner eines schärferen Waffengesetzes abgezeichnet. Das Schweizer Fernsehen berichtete unter Berufung auf eine Hochrechnung nach Schließung der Wahllokale, 57 Prozent der Befragten hätten sich gegen die Bürgerinitiative "Schutz vor Waffengewalt" ausgesprochen. Nur 43 Prozent hätten das Vorhaben unterstützt.
Die Initiatoren des Referendums, darunter Ärzte, Kirchen und Frauenorganisationen, wollten die Angehörigen der traditionellen Miliz-Armee zwingen, ihre Waffen nicht mehr zu Hause aufzubewahren. Stattdessen sollten die Waffen in Zeughäusern aufbewahrt werden. Außerdem sollten die Waffen in ein landesweites Register eingetragen werden. Der Verkauf von automatischen Waffen sollte ganz verboten werden. Ziel war es, die Waffengewalt und auch die Selbstmorde mit Schusswaffen einzudämmen.
Zu den Kritikern, die sich offenbar durchsetzten, gehörten Schützenvereine und Anhänger der Miliz-Armee. Sie führten an, eine Verschärfung des Gesetzes schwäche die Streitkräfte und gefährde auch das Schießen als Sport. Der Schweizer Sportschützenverband sah rund 3.000 Schützenvereine vor der Schließung, sollte das Referendum durchgehen.
Die Regierung hat erklärt, die bestehenden Gesetze reichten für den Schutz der Menschen aus. In der Schweiz mit knapp acht Millionen Einwohnern sind rund 2,3 Millionen Waffen registriert.
Im Wahlkampf boten beide Seiten drastische Bilder auf. Die Initiatoren zeigten blutende Teddybären mit der Bildunterschrift "Schützt die Familien". Die Gegner setzten auch muskelbepackte Zeichentrick-Kriminelle, die die rechtschaffenen Bürger des Landes bedrohen.
Etwa ein Viertel der 1.300 Selbstmorde in der Schweiz wird nach offiziellen Statistiken mit einer Schusswaffe begangen. Wie viele militärische Waffen verwendet werden, ist umstritten. Die Organisatoren des Referendums erklärten, es gehe um 100 bis 200 Selbstmorde pro Jahr, zumeist unter jungen Männern. Sie verwiesen auch darauf, dass die Zahl der Selbstmorde unter Männern zwischen 30 und 40 Jahren seit 2004 um die Hälfte zurückgegangen ist. Damals wurden die Streitkräfte verkleinert.
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