Schweizer Volksinitiative zum Waffenrecht: Frauenpower gegen Armeekader

Die Eidgenossen stimmen über eine Verschärfung des Waffenrechts ab. Die Frauen sind mehrheitlich dafür, der Verteidigungsminister reisst deshalb sexistische Sprüche.

Die möchten ihr Sturmgewehr am liebsten noch mit ins Grab nehmen: Soldaten der Schweizer Armee in historischen Uniformen. Bild: imago

GENF taz | Rund 20.000 junge Rekruten der Schweizer Milizarmee werden dieses Jahr mit einer persönlichen Armeewaffe ausgerüstet: Über 200.000 Sturmgewehre befinden sich derzeit in Privathaushalten Schweizer Soldaten, oftmals unverschlossen im Kleiderschrank, unter dem Bett oder an anderen auch für Kinder und Jugendliche leicht zugänglichen Orten.

Die Volksinitiative fordert, daß die Soldaten ihre Waffen nach den regelmäßigen Schießübungen künftig nicht mehr nach Hause mitnehmen dürfen, sondern im örtlichen Zeughaus einlagern müssen. Zudem verlangt die Initiative, den bislang fast völlig ungehinderten privaten Erwerb von Schußwaffen zu regeln und zu erschweren. Bisher konnte jeder volljährige Eidgenosse, der noch keinen Eintrag im Strafregister wegen Gewalttaten oder -drohungen hat, Waffen und Munition kaufen. Künftig soll der Kaufinteressent zunächst nachweisen, daß er zwingenden Bedarf für eine Schußwaffe hat und fähig ist, damit verantwortlich umzugehen.

Getragen und unterstützt wird die Volksinitiative von über 85 Organisationen. Zu den Befürwortern gehören auch die Sozialdemokraten, die mit zwei MinisterInnen im siebenköpfigen, regierenden Bundesrat in Bern vertreten sind, sowie die lediglich im Nationalrat, der ersten Parlamentskammer, vertretenen Grünen und Grünliberalen.

Die Initianten begründen ihre Forderung mit dem - im europäischen Vergleich - deutlich überdurchschnittlichen Anteil des Einsatzes von Schußwaffen bei versuchten oder vollendeten Tötungsdelikten und anderen Gewalttaten. Über 80 Prozent der verwendeten Schußwaffen sind Armeegewehre oder Pistolen. Bei Selbstmorden sind es laut einer Ende Januar veröffentlichten Untersuchung des Bundesgesundheitsamtes in Bern über 50 Prozent

Aus Ärger über die Studie des BGA ließ Verteidigungsminster Uli Maurer von der rechtspopulistischen Schweizer Volkspartei (SVP) eine auf fragwürdiger Datenbasis beruhende Gegenuntersuchung veröffentlichen. Danach soll der Anteil der Armeewaffen bei "nur neun Prozent" liegen.

Die SVP vertritt die Lobby der männerbündelnden, alten Armeekader sowie der Militärsport- und Schützenverbände. Sie lehnt die Volksinitiative ab, ebenso wie die Christliche Volkspartei und die wirtschaftsliberale FDP. Im Bundesrat setzten die drei Parteien mit ihrer Mehrheit eine Regierungsempfehlung an das Volk durch, die Initiative bei der Abstimmung am Sonntag zu verwerfen. Doch dazu wird es nach den bisher erhobenen Umfragen, die sämtlich zumindest eine knappe Mehrheit für die Initiative ausweisen, nicht kommen.

Denn an der Basis sowie in vielen Teilgliederungen der drei "Nein"-Parteien stößt die Initiative auf große Zustimmung. Insbesondere bei den Frauen. Der Frauenverband der CVP beschloß landesweit die "Ja-Parole", ebenso wie die Frauenorganisation der FDP im Kanton Luzern. Würden am Sonntag nur Frauen abstimmen, würde die Volksinitiative mit deutlich über 60 Prozent angenommen. Nach Überzeugung von Verteidigungsminister Maurer sind die Frauen allerdings "nur deswegen für die Initiative, weil sie nicht mit Waffen umgehen können".

Diese Äußerung des SVP-Politikers stieß auf scharfen öffentlichen Widerspruch bei seinem Parteifreund This Jenny, Mitglied des Ständerats (der zweiten Berner Parlamentskammer) aus dem Kantons Glarus : "Uli Maurer verkennt, wie groß der Druck auf eine Frau sein kann, wenn sie weiß, daß ihr Mann ein Gewehr im Schrank hat", erklärte Jenny, der als einziger SVP-Politiker öffentlich und von Anfang an für die Volksinitiative eintritt. Auch "aus persönlichen Gründen". Als kleiner Junge erlebte er im Haus seines Freundes, wie Mutter und Kinder vom Vater mehrmals mit einer Armeewaffe bedroht wurden. "Wenn Kinder in einen Gewehrlauf schauen und Angst haben müssen, sind sie traumatisiert."

Für "total daneben" hält Jenny auch die Aussage von Verteidigungsminister Maurer, die Frauen könnten zur Polizei gehen, wenn sie sich bedroht fühlten. "Ueli Maurer hat keine Ahnung, wie viel es braucht, bis eine Frau zur Polizei geht und dort ihre Seelennot eingesteht", sagt Jenny. Eifersucht und Alkohol spielten bei der Androhung von Waffengewalt eine grosse Rolle. Und ein Beil oder ein Messer sei nun mal nicht dasselbe. "Ein Gewehr hat eine ganz andere Dimension. Es ist endgültig. Das lässt die Frauen erstarren."

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