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Schweizer Homophobie-ReferendumRechtspopulisten zurückgewiesen

Jan Feddersen
Kommentar von Jan Feddersen

In einem ermutigenden Votum fordern Schweizer:innen, homophobe Äußerungen unter Strafe zu stellen. Das Grundgesetz hat Nachholbedarf.

Hoffnungszeichen aus der Schweiz: Dort steht Homophobie bald unter Strafe Foto: Jiroe / Unsplash

B emerkenswert am schweizerischen Votum für ein künftiges Verbot homophober Äußerungen ist weniger, dass es erfolgreich war. Knapp zwei Drittel der Teil­neh­mer:innen wollen, dass öffentlich-homophobe Äußerungen in Zukunft geächtet werden. Für Erstaunen sorgt vielmehr der Umstand, dass ein weiteres Mal ein rechtspopulistisches Anliegen souverän von der plebiszitär abstimmenden Bevölkerung zurückgewiesen wurde: Hass hat keine Majorität – Fiesheit und Gehässigkeit als Mittel des öffentlichen Diskurses gelten als unappetitlich, das dürfen die Rechten einmal mehr zur Kenntnis nehmen.

Dass mit dieser kleinen Strafrechtsänderung Homophobie nicht verschwinden, allenfalls geringer wird, ändert am famosen Resultat der Volksabstimmung nichts. Das ist ja sowieso der entscheidende Fortschritt in queeren Fragen, was die vergangenen 40 Jahre anbetrifft: Schwulen- und Lesbenfeinde gibt es nach wie vor, Homophobie nistet in manchen Ecken hartnäckig, aber die Täter:innen, die sich so äußern, wissen mehr und mehr, dass sie dies nicht mehr zur allgemeinen Gefälligkeit tun können. Sie dürfen realisieren: Sie tun dies künftig strafbewehrt und außerdem aus der Position der moralisch Minoritären.

Dass die Schweiz in diesem Sinne abstimmte – ein Land, strukturell eher langsam, ja, auch stark konservativ –, ist nicht verwunderlich: Überall in der westlichen Welt mag es rechte Bewegungen geben, die als Schmiermittel ihrer Agitationen auf Hass, Missgunst und Xenophobie setzen. Aber nirgendwo haben sie Mehrheiten hinter sich, sie tun allenfalls so, als wären diese auf ihrer Seite.

Dies zu wissen ist wichtig deshalb, weil das ewige linke Gerede vom „Rechtsruck“ und „Backlash“ erstens sich nicht mit der Wirklichkeit in Deckung bringen lässt und zweitens mit apokalyptisch anmutender Rhetorik sich um die Zuversicht bringt, gerade bei den Kämpfen in Sachen Hass und Integration gewinnen zu können.

Das eidgenössische Votum ist ermutigend. Es wird Zeit, dass das Grundgesetz der Bundesrepublik mit seinem Artikel 3 um einen Passus ergänzt wird, dem zufolge auch niemand wegen seiner sexuellen Identität diskriminiert werden darf. Es wäre überfällig.

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Jan Feddersen
Redakteur für besondere Aufgaben
Einst: Postbote, Möbelverkäufer, Versicherungskartensortierer, Verlagskaufmann in spe, Zeitungsausträger, Autor und Säzzer verschiedener linker Medien, etwa "Arbeiterkampf" und "Moderne Zeiten", Volo bei der taz in Hamburg - seit 1996 in Berlin bei der taz, Meinungs- und Inlandsredaktion, Wochenendmagazin taz mag, schließlich Kurator des taz lab und der taz Talks.. Interessen: Vergangenheitspolitik seit 1945, Popularkulturen aller Arten, politische Analyse zu LGBTI*-Fragen sowie zu Fragen der Mittelschichtskritik. RB Leipzig-Fan. Und er ist seit 2011 mit dem in Hamburg lebenden Historiker Rainer Nicolaysen in einer Eingetragenen Lebenspartnerschaft, seit 2018 mit ihm verheiratet. Lebensmotto: Da geht noch was!
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12 Kommentare

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  • Meiner Meinung nach geht der Autor der vorherrschenden Politik auf den Leim wenn er davon spricht, dass Rechtsruck etc. nur Phantasien von Linken seien. Ja, es gibt eine starke Polarisierung aber das hat man wohl auch genau dem zähen und beständigen Agieren genau dieser Linken zu verdanken. Denn im gleichem Atemzug wie manche Rechtsstellungen kosmetisch verbessert werden, werden massenweise autoritäre Gesetze erlassen, die es erlauben, unliebsame Menschen für Monate wegzusperren, flächendeckende Überwachung ermöglichen und zugleich wird eine Rechte hofiert, die in Form des NSU oder Halle eine tödliche Bedrohung darstellen. Thüringen zeigt, dass die bürgerlichen Parteien willens sind, die Macht um jeden Preis zu halten und so vieles ist wieder sagbar, was ich noch vor sieben Jahren nicht für denkbar gehalten hätte. Es gibt auch viel Hoffnung und ja, die kommt von unten, von Mieterkämpfen, von FfF, von Betriebskämpfen etc. aber den Rechtsruck einfach mal wegzuwischen weil viele SchweizerInnen gesagt haben, wir wollen nicht, dass Homosexuelle diskriminiert werden, halte ich für verdammt gewagt - zumal es die Ebenen zwischen bürgerlichen Staatsapparat und der Bevölkerung vermischt. Da sind die klassisch marxistischen Fragen nach Interessen zu stellen.

  • Was eine Diskussion!



    Steht doch alles schon im GG:



    Artikel 2, Absatz 1:



    "Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt ....."

    • @Juhmandra:

      Die Grundrechtsartikel (darunter auch Art. 2) im GG regeln die Freiheitsrechte der Privatpersonen gegenüber dem Staat, d.h. der *Staat* darf die frei Entfaltung seiner Bürger nicht einschränken.



      Beim Referendum in der Schweiz ging es um die Erweiterung eines Strafrechtsparagraphen, der den Umgang von Privatpersonen untereinander regelt.

  • Ich halte nichts von Sonderrechten für einzelne Bevölkerungsgruppen. Ein Diskriminierungsverbot sollte so gehalten sein, dass es alle Bürger schützt, ohne dass jede Eigenschaft, die Anlass einer Diskriminierung werden kann, einzeln genannt oder mit einem neuen Gesetz bedacht werden muss. Daher sehe ich auch keinen Grund, Sexualität in die schon recht lange Liste von Eigenschaften in Artikel 3 des Grundgesetzes aufzunehmen. Wenn die Liste einen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt, dann müssten auch Alter, Aussehen, Intelligenz, Krankheit, Konfessionslosigkeit, soziale Herkunft und vieles andere genannt werden. Wenn nicht, dann ist es auch kein Manko, dass Sexualität nicht genannt wird.

    Was die Ächtung homophober Äußerungen angeht, bin ich schon gespannt auf die absehbaren Konflikte mit der Meinungsfreiheit. Werden in Zukunft Bischöfe und Imame bestraft, wenn sie Homosexualität als Sünde bezeichnen?

    • @Thomas Friedrich:

      Es ist ein Unterschied, ob ein Bischof Homosexualität als "Sünde" bezeichnet, oder ob ein Imam (wie in der Schweiz geschehen) diese als "Verbrechen", "Krankheit" und "Krebsgeschwür gegen die Moral" bezeichnet. Unterschied ist klar, oder?

    • @Thomas Friedrich:

      Bitte, das wäre wunderbar.

    • @Thomas Friedrich:

      Ach herje....wieder jemand der nicht verstanden hat, worum es geht oder mal wieder den Sinn verdrehen will.

      Es geht nicht darum, jemandem ein Recht einzuräumen, sondern Anfeindungen, Beleidigungen und natürlich Angriffe zu belangen, die sich explizit gegen Homosexuelle richten. Ich verstehe nicht mal, wo das Problem liegt. Niemand ist gezwungen, einen anderen Menschen auf Grund seiner sexuellen Neigungen anzufeinden, oder sehe ich das falsch?

      Wer es dennoch macht, der muss eben jetzt mit strengeren KOnsequenzen rechnen.

      Oh und bitte lassen Sie hier die Meinungsfreiheit aus dem Spiel. Es geht hier nicht um Meinungen, auch nicht um das sehr grenz wertige religiöse Gewäsch. Wenn ich aber öffentlich zum Beispiel Homosexualität beispielsweise mit Kindesmissbrauch gleichsetze oder verkünde, dass alle Homosexuellen sich behandeln lassen sollen, dann hat das nichts mehr mit Meinung zu tun.

  • Erm. Einen Schutz der „sexuellen Identität“ gibt es im Grundgesetz schon.



    Artikel 3, Absatz 3 fängt folgendermaßen an: „Niemand darf wegen seines Geschlechtes [...] benachteiligt oder bevorzugt werden.“



    Das sollte auch für nicht-juristen verständlich sein.



    Strafen für jegliche Beleidigungsformen finden sich seit mehr als 200 Jahren im Strafgesetzbuch und werden, bei Anzeige, mit sehr hoher polizeilicher Aufklärungsquote verfolgt.

    • @grim:

      Biologisches Geschlecht: z.B. weiblich,



      sexuelle Identität: z.B. trans*männlich,



      sexuelle Orientierung: z.B. homosexuell.

      Wo ist jetzt der Schutz nach Art. 3 GG? Geschlecht ist nicht gleich Orientierung.