Schweizer Fernsehen: Quoten sind verboten

In der Schweiz ist seit Kurzem die Veröffentlichung von Fernsehquoten nicht mehr erlaubt. Die Währung für die Werbepreise der Sender steht auf der Kippe.

Messung von Fersehquoten: Wer guckt was? Bild: dpa

„Einschaltquoten sind imaginäre Werte, sie bleiben eine Schätzung. Wie hoch die Abweichungen von der Realität sind, das kann niemand sagen, denn es gibt keine sichere Überprüfung.“ Das sagt ausgerechnet Helmut Thoma, der „Erfinder“ des Privatfernsehens in Deutschland.

Die Messung dieser Daten ist besonders für die privaten Sender von Bedeutung, weil sich daran die Preise für Werbeschaltungen festlegen lassen. Auf das Fernsehverhalten von rund 38 Millionen Haushalten in Deutschland wird anhand von 5.000 Test-Haushalten geschlossen.

Dieses „Panel“ wurde von der Arbeitsgemeinschaft Fernsehforschung (AGF) zusammengestellt. Die AGF wiederum entstand durch eine Kooperation der vier großen Sender ARD, ZDF, RTL und Sat.1, um zu einer gemeinsamen „Fernsehwährung“ zu kommen.

Ex-RTL-Chef Thoma ist einer der Gründerväter der AGF und stellte schon damals während einer Diskussion der Arbeitsgemeinschaft Mediaanalyse fest: „Wir streiten hier herum wie bei einem Besiedlungsplan für eine Fata Morgana.“ Seine Skepsis ist geblieben: „Wie viele Unwägbarkeiten gibt es da, zu ermitteln wer wann wie und wo welches Programm schaut, das bezogen auf die Bundesländer und auf Altersgruppen – das funktioniert nur, weil sich sämtliche Beteiligten, die Sender und die Werbeindustrie, sozusagen auf eine gemeinsame Währung geeinigt haben.“

International auf Highend-Level

Besonders heikel sei das für die kleinen Sender, die im einstelligen Prozentbereich festgelegt seien: „Da wird es schon absurd.“ Der Sprecher der Technischen Kommission der AGF, Matthias Wagner, ist dennoch von der Genauigkeit der Messung überzeugt: „Es kann immer mal kleine Schwankungen geben, in Bezug auf bestimmte Gebiete oder bestimmte Zuschauergruppen. Bundesweit sind die Ergebnisse auf jeden Fall sehr stabil und genau. Im internationalen Vergleich ist sie jedenfalls auf einem Highend-Level.“

In der Schweiz hat jetzt die Diskussion um ein neues Messverfahren der TV-Quoten sogar zu einem Verbot der Veröffentlichung der Ergebnisse geführt. Das hiesige Fernsehforschungsunternehmen Mediapulse, das in der Schweiz die Daten erhebt, hatte sein Messverfahren Anfang des Jahres umgestellt.

„Anfangs mit dem Ergebnis, dass der Durchschnittszuschauer des öffentlich-rechtlichen Schweizer Fernsehens sich um zehn Jahre verjüngte, während das Schweizer Fenster von ProSieben beispielsweise plötzlich ein Publikum hatte, dessen Durchschnittsalter massiv älter war. Auch die im Moment abrufbaren Daten sind falsch, da sie auf klar falschen Grundlagen beruhen. Zum Beispiel ist die Landbevölkerung zu fast 20 Prozent überrepräsentiert.“ Das berichtet Dominik Kaiser, Gründer und Geschäftsführer des eidgenössischen Privatsenders 3 Plus.

Der Sprecher von Mediapulse, Nico Gurtner, weist diese Kritik als „unbegründet“ zurück: „Das Messsystem wurde sowohl von den Fachpersonen der Mediapulse wie auch von unabhängigen, externen Experten eingehend geprüft, ohne dass Anzeichen auf Unregelmäßigkeiten gefunden worden wären.“

Der Schweizer Senderchef zweifelt die Richtigkeit der Ergebnisse aber weiter an. Mit einer Klage hat er am Obergericht Niwalden ein superprovisorisches Verbot erwirkt: Zurzeit dürfen per Gerichtsbeschluss in der Schweiz keine Fernsehdaten veröffentlicht werden. Aber nicht nur er ist unzufrieden. Soeben haben zehn Schweizer Regionalsender das Mediapulse-Fernsehpanel verlassen.

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