Schweiz plötzlich bei Handball-WM: „Es ist alles surreal“
Die Schweiz darf kurzfristig zur Handball-WM, weil andere Teams zu viele Coronafälle haben. Spielmacher Andy Schmid, 37, kann es noch nicht fassen.
taz: Herr Schmid, als Nachrückteam dürfen Sie jetzt plötzlich mit der Schweiz zur Weltmeisterschaft nach Ägypten. Stellen Sie aus Gesichtspunkten der Hygiene ein Risiko für die Weltmeisterschaft dar?
Andy Schmid: Ich habe am Dienstag in Mannheim einen PCR-Test gemacht und wurde nach meiner Ankunft beim Team der Schweizer noch einmal getestet. Ich denke deshalb, dass ich kein größeres Risiko darstelle als die anderen Spieler, die bei der WM spielen werden.
Die Nationen, die für die WM geplant waren, befinden sich seit knapp zehn Tagen in Isolation, wurden in diesem Zeitraum immer wieder getestet. Wie sieht das beim Team der Schweiz aus?
Wir hatten bis vergangenen Samstag ein fünftägiges Trainingslager, währenddessen wir getestet wurden. Nach der Abreise sollten wir uns in häusliche Isolation begeben, um bereit zu sein, falls wir nachrücken. Ich habe das befolgt, war seit Samstag nur mit meiner Frau und unseren beiden Kindern zusammen. Ich habe getan, was möglich war.
tritt sein 2010 für die Rhein-Neckar Löwen in Mannheim an. Der Schweizer wurde in der Zeit fünf Mal zum Spieler der Saison der Handball-Bundesliga gewählt.
Ist es nicht zu riskant, wenn mit Nordmazedonien und der Schweiz Teams kurzfristig zur WM stoßen?
Ich denke, es ist kein größeres Risiko als jenes, was wir in der Bundesliga seit ein paar Monaten eingehen. Die Alternative ist, dass wir uns verbuddeln und warten, bis alles vorbei ist. Wir werden in der Schweiz vor dem Abflug getestet, sind danach isoliert auf unseren Zimmern und werden nach unserem Flug in Kairo noch einmal getestet.
Ist die WM aus Ihrer Sicht in der Pandemie sicher genug?
Ja, davon gehe ich aus. Ich sehe keine Risiken, die wir in der Bundesliga und in der Champions League nicht auch haben. Und mal ganz ehrlich: Würde das Turnier in Frankreich oder Deutschland stattfinden, hätten wir eine andere Diskussion.
Sie mussten sich ganz spontan entscheiden, ob Sie während einer Pandemie eine WM in Ägypten spielen wollen. Einige Bundesliga-Kollegen haben sich dagegen entschieden. Haben Sie keine Sorge, die Familie zurückzulassen?
Ich habe darüber mit meiner Frau gesprochen, und sie hat mich bestärkt, zur WM zu fliegen, weil sie weiß, was mir der Sport bedeutet. Wir haben Lösungen gefunden, wie sie das in meiner Abwesenheit mit den Kindern hinbekommt.
In Deutschland wird eine Debatte geführt, weil Nationalspieler wegen der familiären Situation auf die WM verzichten.
Ich finde es pervers, dass über private Entscheidungen diskutiert wird, die die familiäre Situation einzelner Spieler betreffen. Wenn ein Familienvater sich ein Urteil bildet, sollte das respektiert werden.
Welchen sportlichen Wert hat die WM insgesamt und für die Schweiz als kurzfristigen Nachrücker?
Der sportliche Wert ist gegeben. Wir wissen ja, dass es keine Fairness zu 100 Prozent geben kann während dieser Pandemie. Für uns geht es gar nicht darum, Ziele festzulegen. Ich konnte mich bislang ja nicht gar nicht damit beschäftigen, dass ich eine WM spielen werden. Natürlich haben wir uns nicht auf das Turnier vorbereitet wie die anderen Teams.
Sie sind 37 Jahre alt und stehen nun vor Ihrer ersten WM, können Sie sich trotzdem freuen?
Puh, im Moment ist es so hektisch, da war für Freude noch keine Zeit. Ich werde da sicher etwas spüren, wenn wir am Donnerstag gegen Österreich auf dem Feld stehen. Gerade ist alles surreal, Dienstagabend habe ich mich mit meinem Sohn um die Schulaufgaben der nächsten Tage gekümmert, Mittwochmorgen hat er mich dann gefragt, ob wir jetzt Weltmeister werden. Es ist verrückt.
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