piwik no script img

Schweinebauer über Tierschutzgesetz„Sex im Stall? Wer macht so was?“

Bauer Thomas Gardewin über das neue Tierschutzgesetz, Kastration bei Schweinen, Narkosestress, fehlende Ärzte und Gefahren von Ringelschwänzen.

Das Leben könnte so schön sein – ohne Kastration und ohne kupierte Ringelschwänze. Bild: dapd
Jost Maurin
Interview von Jost Maurin

taz: Herr Gardewin, der Bundestag will am Donnerstag im Tierschutzgesetz festlegen, dass Ferkeln ab 2019 nur noch unter Betäubung die Hoden abgeschnitten werden dürfen. Ist das nicht zu spät?

Thomas Gardewin: Nein, weil wir noch sehr großen Forschungsbedarf haben. Ein Problem ist, dass das Fleisch von zirka 3 Prozent der Eber, die nicht kastriert werden, unangenehm riecht – vor allem bei der Zubereitung. Der Lebensmitteleinzelhandel verlangt aber 100-prozentige „Geruchssicherheit“.

Aber die Koalition will doch nicht die Kastration allgemein, sondern nur die ohne Betäubung verbieten.

Richtig. Aber für die Kastration unter Betäubung müsste ein Tierarzt auf den Hof kommen. Da kämen immense Kosten auf den Sauenhalter zu. Wir haben auch gar nicht genügend Tierärzte. Außerdem sind diese Betäubungsmittel klimaschädlich.

Die Bauern des Neuland-Programms machen das seit Jahren. Wie viel klimaschädliches Gas wird da frei?

In Deutschland werden jährlich 20 bis 25 Millionen männliche Ferkel geboren. Neuland verwendet diese Methode bei 10.000 Ferkeln. Isofluran, das Neuland nutzt, ist als Treibhausgas rund 500-mal stärker klimawirksam als CO2. Da wird noch geforscht, um eine Alternative zu finden.

privat
Im Interview: Thomas Gardewin

mästet in seinem Betrieb im niedersächsischen Molbergen 3.200 Schweine. Der 34-Jährige ist Mitglied des Beirats der Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands.

Die Kastration ohne Betäubung schmerzt die Tiere. Muss man es nicht schon aus ethischen Gründen verbieten?

Sicherlich ist die Kastration ohne Betäubung nicht schmerzfrei für das Tier. Ich weiß nicht, ob der Narkosestress förderlich fürs Tier ist.

Tierschützer sind unzufrieden, weil es weiterhin erlaubt sein soll, Ferkeln die Ringelschwänze abzuschneiden. Wie sehen Sie das?

Ob wir auch auf das Kupieren verzichten können, wird derzeit in vielen Praxisbetrieben erprobt. Im Moment können wir das noch nicht.

Warum?

Weil die Schweine sich in einigen Fällen sonst gegenseitig in den Schwanz beißen.

Studien zeigen, dass man das Problem am effizientesten löst, indem man die Ställe mit Stroh einstreut, mit dem die Schweine spielen können, damit sie sich nicht aus Frust gegenseitig beißen.

Stroh in den derzeitigen konventionellen Ställen ist kaum möglich. Die Ställe haben ja Spalten in den Böden, durch die die Fäkalien fließen. Das Stroh würde die Spalten und die Güllekanäle darunter verstopfen. Man müsste die Ställe erst umbauen, das wäre sehr teuer.

Was halten Sie davon, dass es weiter erlaubt ist, Ferkeln die Eckzähne abzuschleifen?

Das passiert in den ersten Lebenstagen der Ferkel zum Schutz des Gesäuges der Sau. Es ist einfach nötig, damit die Zitzen geschont werden.

Können Sie sich mit der Forderung nach mehr Platz für die Schweine im Stall anfreunden?

Sofern wir uns auf europäischer Ebene verständigen können, selbstverständlich. Aber wir müssen auch die Wirtschaftlichkeit für die deutschen Schweinehalter im Blick behalten.

Dann wird es wohl in den nächsten Jahren nichts.

Ja, gut. Aber Gesetze von heute auf morgen bringen sowieso nichts.

Sex mit Tieren soll aber verboten sein, auch wenn das Tier dabei nicht erheblich verletzt wird. Was halten Sie denn davon?

Sex im Stall? Wer macht so was Abartiges denn? Da habe ich überhaupt nichts dagegen, das zu verbieten.

Da sind Sie sich wenigstens in einem Punkt mit den Tierschützern einig.

Auf jeden Fall.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

26 Kommentare

 / 
  • K
    Klaus

    @neubau: keine Kadaver auf den Teller legen?

     

    Unser ganzes Essen hat irgendwann einmal gelebt! Siehe

    http://www.novo-argumente.com/magazin.php/novo_notizen/artikel/0001265

  • E
    Elisabeth

    Sex im Stall - macht keiner?

     

    Und was sind Besamungen? Was ist die z. B. hinter vorgehaltener hand erzählte "Stimulation" der Sauen?

     

    Leider wird beides durch das Tschg nicht einmal voll erfasst, denn Besamung bleibt leider weiterhin legal.

     

    Ein Tier ist ein Mitgeschöpf. Als solches sollte es ein leben vor dem tode haben, wenn man es schon verzehrt. Dazu gehört ein artgemäßes Verhalten - ja, und eigentlich auch sex - aber nicht mit Menschen.

     

    Die Artgrenze ist doch gerade dadurch definiert, dass sich unterschiedliche Arten normalerweise nciht mit einander verpaaren. Gentechnik, abstruse Züchtungen, die nur dem Menschen dienen und eine Haltung, di eSchmerzen und Leiden verursacht, widersprechen m. E. sowohl dem Tierschtuz als auch unserer eigenen Würde, die sich ja neben dem uns inhärenten Lebensrecht auch durch unser eigenes würdevolles Verhalten definiert und zeigt!

  • N
    neubau

    Wenn man das liest, ist man doch froh, sich keine Kadaver auf den Teller zu legen.

  • PE
    Potator Ethaniel

    "Sex im Stall? Wer macht so was Abartiges denn?" Ja, gute Frage! Wer macht denn so was?

  • G
    Gutmensch

    Wenn es darum geht, ein Argument zu finden den Tieren weiterhin Leid zuzufügen ist die Bauernlobby erfinderisch und kommt mit dem Thema Klimaschutz. Betäuben nicht möglich, zu teuer, zu klimaschädlich, zu stressig fürs Tier. Man könnte glauben den Bauern liegt etwas am Tier und an der Umwelt. Und ich dachte es ginge nur darum mit möglichst wenig Geld, auf möglichst kleinem Raum soviel geld wie möglich zu machen.

    Vegetarier zu werden damit solche Menschen wie Herr Gardewin arbeitslos werden ist ein neues gutes Argument das man in die Waagschale legen könnte wenn es um Fleischverzicht geht.

  • A
    Antonietta

    Um 1 kg Fleisch zu erzeugen, benötigt man 7–16 kg Getreide oder Sojabohnen. Dies kann ohne Übertreibung als die effektivste Form von Nahrungsmittelvernichtung bezeichnet werden. In den USA fressen die rund 8 Milliarden Schlachttiere 80% der Getreideernte. Bei den Sojabohnen dienen weltweit sogar 90% als Futtermittel. Rund ein Drittel des weltweit produzierten Getreides wird an Tiere verfüttert, um deren Fleisch zu essen. Würden z.B. die Amerikaner nur 10% weniger Fleisch essen, so könnte man mit dem dadurch eingesparten Getreide rund eine Milliarde Menschen vor dem Hungertod bewahren. Alle 3 Sekunden stirbt ein Kind an Unterernährung.

  • F
    fred

    ...diese Ausreden - mir fehlen die Worte

  • D
    dadasoph

    Mir will sich mir die inhaltliche und gesellschaftliche Relevanz des Themas Zoophilie nicht erschließen. Seit Wochen füllt sie unter verschiedenen Aspekten die Seiten respektive den Webspace der taz...?! Quo vadis Gewichtungen von Wichtigkeiten?

  • DA
    der aufmerksame Leser

    Ich finde ein schönes Beispiel dafür wie man durch die Gesellschaftlichen Normen blind für die Realität gemacht werden kann.

  • V
    Valentin

    So ist halt die Einstellung, wenn die Tiere zur Ware werden. Diese abgestumpften Menschen machen mir echt Angst.

  • BL
    Bürger Lars

    Solch ein unsympathischer Mensch. Das ist ja mal wieder ein trefflicher Grund ein paar Wochen KEIN Schweinefleisch zu kaufen. WEil nur am Geldbeutel kann man diess Leute kriegen.

  • L
    LKS

    Zynismus at its best!

  • KW
    Komet Wuff

    Hervorragend, wie Sie Herrn Gardewin am Ende des Interviews vorführen.

     

    Tiere im Babyalter ohne Betäubung zu verstümmeln muss legal bleiben, weil das ja sonst unwirtschaftlich ist, aber erwachsene Tiere sexuell zu lieben ist abartig und gehört unbedingt verboten.

     

    Selten wurden einem Scheinheiligkeit und Doppelmoral besser vor Augen verführt. Vielen Dank.

  • H
    Holger

    Anders ausgedrückt, die Landwirte sind unfähig die Tiere richtig zu halten (keine Einstreu, keine Beschäftigung z.B.) und nicht willens Geld auszugeben (keine Betäubung). Und deswegen können sie nicht, weil sie nicht wollen. Eine Schande ist das. Aber gegen Zoophile wettern. Pfui

  • G
    Gast

    da wird mir gleich anders. alles, was bewiesenermassen leiden, schäden macht an tieren, findet er gut. aber wenn jemand vor seiner sau masturbiert, ja dann, ab in den knast damit. mal ernst jetzt. es sit nicht mehr lustig, es ist traurig.

  • A
    Antonietta

    Im aktuellen Tierschutz-Gesetz ist zwar verankert, dass das Leben und Wohlbefinden der Tiere geachtet und geschützt werden müssen. Dass sie würdevoll behandelt werden sollen, steht allerdings nicht drin.

    Geflügel, Rinder, Schweine werden verstümmelt, damit sie zu den Haltungssystemen passen. Eigentlich müsste es ja umgekehrt sein.

    Bei der Nutztierhaltung fängt es also an, hört es aber längst nicht auf. Es geht weiter über die nicht artgerechte Haltung von Wildtieren und das Quälen von Haustieren und endet noch lange nicht bei den Versuchstieren in Medizinlabors.

  • R
    ramzes

    Es bleibt mir einfach ein Rätsel, wie Menschen so wenig einfühlsam sein können und scheinbar kein Problem haben, völlig ohne Empathie über andere Lebewesen zu denken. Klar, wenn jemand tatsächlich so emotionslos ist, dann kann man ihm das nicht vorwerfen - aber ich bezweifle, dass Herr Gardewin bei einem anderen Lebewesen (ob menschlich oder nicht) solch niedrige ethische Maßsstäbe ansetzt wie bei "seinen" Schweinen. Ein Unding, dass man Sex mit Tieren verbieten will, Mord und Qual aber weiter zulässt.

  • B
    blablabla

    ich glaube die schweinezucht ,bzw Tierzucht im großen stil, an sich ist der eigentliche klimakiller, zudem kommt die hohe bodenbelastung durch die gülle...

  • H
    Humankapital

    Ein wirklich gutes Interview aus einer anderen Perspektive. Sehr lesenswert.

  • AN
    Arno Nym

    Was für ein Heuchler!

     

    Ach ja, ohne Betäubung kastrieren ... Klimagas!!! Und der Narkosestress ist ja auch nicht toll.

     

    Ställe mit Stroh eintreuen? Würde die tollen Güllekanäle ja verstopfen, der Stall soll doch gemütlich mit glattem Boden und Betonspalten bleiben.

     

    Schwänze abschneiden, da sich die Schweine sonst beißen.

     

    Aber Sex mit dem Tier ist abartig, wenn keiner dabei Schmerzen hat und verletzt wird. Irgendwie fällt es mir hier schwer, die Gedanken im Vergleich nachzuvollziehen.

  • N
    Niemand

    Natürlich entsteht durch artgerechtere Tierhaltung auch höhere Kosten. Doch wer Lebewesen essen möchte, sollte bereit sein, einen Preis zu zahlen, der eine solche Tierhaltung ermöglicht.

     

    Wirtschaftlichkeit kann keine Rechtfertigung für unethisches Verhalten sein.

  • MB
    Marius Brauer

    Tja, hier sieht man es mal wieder, in welches Schlammassel die moderne, industrialisierte Gesellschaft sich befördert hat. Konsum, Konsum, Konsum ist immer die Devise, aber Fehlentwicklungen, gerade und besonders in der Nahrungsmittelindustrie, ist man kaum bereit zu korrigieren, weil es Geld, sogar viel Geld kosten würde.

    Schön, dass Ihr solche Leute zum Interview bekommt, wo sie ihr Gesicht zeigen, der hier ist sogar noch ein paar Zacken schärfer als der Wiesenhof-Typ vor ein paar Wochen (im September?) in der FAZ.

  • N
    Nils

    Die Schweinemast selbst ist ein Klimakiller, wenn ich mich nicht irre.

     

    Ich esse gerne Fleisch, aber angesichts der Praxis, der Misshandlung in den Tiermast- und Schlachtbetrieben könnte man echt zum Vegetarier werden.

     

    Wir Konsumenten müssen da umdenken. Statt Tiere zu misshandeln, indem man ihnen ohne Betäubung die Hoden und die Schwänze abschneidet und die Zähne abfeilt, weil sonst das Fleisch zu teuer wird, muss sich durchsetzen, dass weniger Fleisch auf den Tisch kommt, das dann teurer ist... wenn dafür die Tiere nicht misshandelt werden, ist es mir das wert.

  • UN
    und nochwas

    "sex im stall,.... blablabla"

     

    genau das ist das problem. Unrecht begehen immer nur die anderen, aber Schweine in viel zu kleinen Ställen halten und sie bei vollem Bewusstsein zu kastrieren, das ist "wirtschaftlich".....da fragt man sich ob hier das Schwein vor oder hinter der Stalltür steht,....

  • GE
    ganz einfach

    klingt zwar komisch, aber wie wäre es einfach mit weniger Fleischkonsum? oder gleich ganz darauf verzichten.

  • J
    Jaheira

    "Aber für die Kastration unter Betäubung müsste ein Tierarzt auf den Hof kommen. Da kämen immense Kosten auf den Sauenhalter zu. Wir haben auch gar nicht genügend Tierärzte. Außerdem sind diese Betäubungsmittel klimaschädlich."

     

    Das sind aber lahme Argumente. Wer glaubt, es gäbe jemals auch nur ein Schwein weniger in Deutschland weil Tierärzte fehlen? Zur Not bekommen die Tierarzthelferinnen oder Bauern eine 8-stündige Zusatzqualifikation.

    Wie groß ist der klimaschädliche Effekt einer Betäubung? Es wird ja ohnehin nur Narkosemittel klimaschädlich wirksam, wenn es nicht durch das Tier verstoffwechselt wird. Und man will ja das Schwein betäuben und nicht die Luft.