Schwedens Außenminister: Vom Blogger zum Volksverhetzer?
Außenminister Carl Bildt duldet rassistische Kommentare in seinem Blog. Nun ermittelt die Staatsanwaltschaft - wegen Volksverhetzung.
STOCKHOLM taz "Nachkommen des Teufels", "niedrigere Wesen als Kakerlaken", "Mörderbrut des Satans", "Massenmörder ohne Existenzberechtigung". Solche auf das palästinensische Volk gemünzte Beschreibungen konnte man monatelang in Kommentaren des Internetblogs des schwedischen Aussenministers Carl Bildt lesen. Seit Donnerstag ermittelt nun die Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts der Volksverhetzung gegen den Aussenminister.
Denn nach schwedischem Recht hat der Betreiber einer Internetplattform die Pflicht, unter anderem rassistische und volksverhetzende Äusserungen umgehend aus der von ihm verantworteten Webseite zu entfernen. Ähnlich ist es in Deutschland, wo allerdings die Rechtsprechung diese Pflicht verschieden streng auslegt.
Der schwedische Außenminister hat nun solche Kommentare nicht entfernt, obwohl seit März in seinem Blog standen. Er reagierte erst am Donnerstagnachmittag, als die Staatsanwaltschaft formal die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens bekanntgab. Und noch am Freitag war ein Kommentar vom 20. März nicht gelöscht, der Völkermord und Vertreibung propagierte. Die verspätete und nur teilweise Entfernung der fraglichen Kommentare entschuldigte Carl Bildt (in einem Blog-Beitrag vom EU-Gipfel in Brüssel) damit, dass in seinem Blog mittlerweile 13.000 Kommentare zu seinen Beiträgen geschrieben worden seien - es ist einer der meistgeklickten Schwedens. Die fraglichen "besonders unpassenden" Kommentare habe er wohl "übersehen".
Ausflüchte, die mit der Wirklichkeit schwer in Übereinstimmung zu bringen sind. Nicht nur in der Kommentarfunktion seines eigenen Blogs, war er nämlich seit Monaten ganz konkret auf diese Kommentare hingewiesen und ausdrücklich zu deren Entfernung ermahnt worden. Mehrere Medien hatten das Thema aufgegriffen und auch darüber berichtet, dass eine Strafanzeige gegen ihn gestellt worden war. In "Riksdag & departement", der Wochenzeitung des Parlaments, war der Außenminister im April aufgefordert worden, die fraglichen Kommentare zu löschen: Man müsse ansonsten von einer vorsätzlichen Straftat ausgehen. Im gleichen Monat wurde Carl Bildt in einem Radiointerview ausdrücklich auf seine Untätigkeit angesprochen und gefragt, ob es eigentlich angebracht sei, dass es auf der vom schwedischen Außenminister verantworteten Webseite von rassistischen und volksverhetzenden Äußerungen wimmle. Er redete sich damals damit heraus, dass ein nachträgliches Löschen keine großen praktischen Auswirkungen habe, weil die Ursprungsfassung nun sowieso jederzeit über die Archivfunktionen der Suchmaschinen auffindbar sei.
Dabei ist die Rechtslage eindeutig. "Hat man einen Blog mit Kommentarfunktion, ist man schuldig den auch sauber zu halten", sagt der ermittelnde Staatsanwalt Jörgen Lindberg. Nach dem schwedischen Gesetz über elektronische Medien aus dem Jahre 1998 ist neben dem Kommentarverfasser immer auch der verantwortliche Herausgeber einer Webseite für den dort vermittelten Inhalt verantwortlich. Vor einigen Jahren war in einem Musterverfahren der zuständige Redakteur des Internetauftritts aftonbladet.se von Schwedens auflagenstärkster Tageszeitung aufgrund vergleichbarer Kommentare wie die auf Bildts Blog-Seite wegen Verstoß gegen den Volksverhetzungsparagraphen verurteilt worden.
Darauf hatten Aftonbladet wie die meisten anderen Medien mit einer Schliessung der Kommentarfunktion für ihre Internetseiten reagiert. Eine lückenlose Kontrolle wurde als zu personalintensiv eingeschätzt. Das Gericht hatte nämlich klar gemacht, dass der mit "unverzüglich" umschriebene Zeitrahmen, nach der eine eigene Verantwortung des Herausgebers für Fremdinhalte beginne, normalerweise nach etwa 24 Stunden als überschritten anzusehen sei. Nach diesen Kriterien müsste der schwedische Aussenminister, der gar mehr als 3 Monate verstreichen liess, mit einer Verurteilung rechnen.
Der Aussenminister, der offenbar glaubt, Gesetze würden für ihn nicht gelten, ist für Schwedens Regierungschef Fredrik Reinfeldt bereits der zweite Ministerskandal in dieser Woche. Am Donnerstag hatte sich sein Arbeitsmarktminister Sven Otto Littorin gezwungen gesehen, sich von einem gekauften falschen akademischen Titel zu trennen.
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