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Schwarz-Gelb zu Online-DurchsuchungenStreit um ein Gespenst

Weder BKA noch bayerische Polizei haben bisher heimlich Festplatten von Computern untersucht. Dennoch zoffen sich CDU und FDP bei den Koalitionsverhandlungen heftig über das Thema.

Geplante Online-Durchsuchungen haben viele Gegner - doch angewendet wurden sie noch gar nicht. Bild: ap

FREIBURG taz | Das Bundeskriminalamt (BKA) hat seit Inkraftreten der BKA-Novelle am 1. Januar keine einzige Online-Durchsuchung durchgeführt. Dies erklärte am Mittwoch ein BKA-Sprecher auf Anfrage der taz. Das BKA hatte nicht einmal einen entsprechenden Antrag gestellt. Die Untätigkeit war also kein erzwungenes Ergebnis strenger richterlicher Kontrolle.

Seit Jahresbeginn ist das BKA auch zur Verhinderung von Terroranschlägen zuständig, bis dahin war die Gefahrenabwehr Sache der Länder und das BKA war nur in die Aufklärung bereits erfolgter Straftaten eingebunden. Aus Anlass dieser Aufwertung erhielt das BKA zahlreiche präventive Eingriffsbefugnisse. Der umstrittenste Punkt war dabei die Möglichkeit, heimlich Computer-Festplatten auszuspähen. Die Bedeutung in der Praxis ist nun aber offensichtlich umgekehrt zur damaligen öffentlichen Aufregung.

Auch in den aktuellen Koalitionsverhandlungen zwischen CDU und FDP spielen Online-Durchsuchungen eine große Rolle. Neben Internetsperren und der Vorratsdatenspeicherung gelten sie als dritter zentraler Streitpunkt im Bereich der Inneren Sicherheit.

Die FDP will die Befugnis zu Online-Durchsuchungen wieder aus dem BKA-Gesetz streichen und sich so als Bürgerrechtspartei profilieren. Die CDU will die Möglichkeit zur heimlichen Untersuchung von Computern beibehalten, ebenso das Bundeskriminalamt. "In Zeiten der terroristischen Bedrohung halten wir die Online-Durchsuchung für ein unverzichtbares polizeiliches Instrument", sagte der BKA-Sprecher. Das Instrument scheint für beide Seiten vor allem hohe symbolische Bedeutung zu haben.

Auch in Bayern ist die Situation nicht anders. Dort kann die Landespolizei seit August 2008 Online-Durchsuchungen durchführen. Hier ist der Anwendungsbereich sogar viel breiter als beim BKA. Es geht nicht nur um Terrorgefahren, sondern auch um die Verhinderung von Sexual-, Drogen- und Verkehrsdelikten. Dennoch wurde auch in Bayern von der gesetzlichen Möglichkeit der Online-Durchsuchung noch kein einziges Mal Gebrauch gemacht, wie jetzt das bayerische Innenministerium auf Anfrage der taz mitteilte. Bayern ist das einzige Bundesland, in dem auch die Landespolizei zur Gefahrenabwehr Online-Durchsuchungen vornehmen darf.

Dass Bundesinnenministerium hatte in seinem Wunschkatalog für die Koalitionsverhandlungen vorgeschlagen, dass das BKA in Wohnungen einbrechen darf, um Computer mit einem entsprechenden Staats-Trojaner zu manipulieren. Doch es ist fraglich, ob dies die Bedeutung der Online-Durchsuchungen erhöhen würde. In Bayern gab es ein solches Betretungsrecht der Polizei von August 2008 bis Ausgst 2009. Dann wurde es auf Wunsch der neu in die Landesregierung eingetretenen FDP abgeschafft. Vorher wie nachher gab es in Bayern keine polizeiliche Online-Durchsuchung.

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17 Kommentare

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  • E
    egghat

    Was für ein schlechter Artikel!!!

     

    Eine IMHO ganz passende Analogie: Der Schäuble wollte auch mal ein Gesetz machen, nach dem man ein vollbesetztes Passagierflugzeug abschießen darf, wenn es von Terroristen in ein Atomkraftwerk oder ein Hochhaus gesteuert werden soll.

     

    Das Gesetz können wir dann ja auch einfach mal durchgehen lassen. Wird ja doch nicht passieren. Daher sind solche Gesetze ja völlig unkritisch.

     

    Ich dachte wenigstens bei der TAZ säßen ein paar kritischere Denker ...

  • L
    LillyD

    @Mein Name: jo, jo, kann das BKA, ist schon lange machbar. Sowohl Ihre Punkte a., b. und c.

  • A
    alcibiades

    @mein name:

     

    ganz genau, ich denke auch dass es daran liegt. Die BKAler haben ihre Software noch nicht geliefert bekommen, vielleicht programmieren das ja auch so Billiganbieter, wie sie sonst bei Behördensoftware engagiert werden (elster usw.) Das heisst aber nicht, dass das BKA keine Onlinedurchsuchungen fahren will. Sie warten nur ab und verbreiten in der Zwischenzeit, dass es ja gar nicht so schlimm sei, weil wir haben ja nix gemacht, wir wollen bloss spielen.

  • E
    Edelweiß

    Glauben sie wirklich, daß man in Wohnungen einbrechen muß, um den Staats-Trojaner auf einem Computer zu installieren? Doch auch so wird die Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 GG) mißachtet.

  • J
    jps-mm

    Das ist nichts anderes als Desinformation!

     

    Der Schäuble schafft bewußt - mit Billigung der Merkel - ein Klima von Angst und Einschüchterung. Seit 2005 hat sich die Menschenrechtslage in Deutschland - nicht zuletzt durch das BKA-Gesetz - drastisch verschlechtert, die Bürgerrechtsverletzungen schwerster Art werden - mit Billigung der Merkel - unverändert fortgesetzt. Hinzu kommt, dass die Merkel systematisch die Strafverfolgung der dafür verantwortlichen Rechtsbrecher hintertreibt.

     

    In Deutschland sind die Bürgerrechte schon vollständig ausgehöhlt und die letzten Restbestände der Verfassung faktisch außer Kraft gesetzt. Und immer noch leugnen CDU-Politiker - wider besseren Wissens - die drastische Verschlechterung der Menschenrechtslage und die fortgesetzte Missachtung von Bürgerrechten schwerster Art in Deutschland.

     

    Die Merkel muss weg.

  • Y
    YOyo

    was für ein dämlicher Artikel. Solange Gesetze in der Praxis noch keine Anwendung gefunden haben, ist es also scheißegal, was im Gesetzestext steht?

  • K
    kritiker

    Ja, wo sind sie denn nun? Die ganzen Leute, die geschrien haben, unter schwarz-gelb stünde uns ein weitaus schlimmeren Überwachungsstaat als unter der großen Koalition bevor?

     

    Ein großes Lob auf jeden Fall an die FDP dafür, daß sie scheinbar nicht alles vergessen hat, was vor der Wahl versprochen wurde. Danke dafür!

  • H
    hellacharlot

    Ist die taz so naiv oder tut sie nur so?

  • NB
    Nicht Bernd

    Na und-dann besorgt man sich einen Anti-Trojaner aus dem Ausland und schon isses vorbei mit dem BKA-Trojaner

  • E
    Ein.Kommentar

    "die Online-Durchsuchung für ein unverzichtbares polizeiliches Instrument"

     

    Also wenn es so unverzichtbar ist, dieses Instrument, welches in mein ausgelagertes Gehirn eindringen kann und meine aufgeschriebenen Gedanken lesen kann. Wieso wird es dann nicht eingesetzt?

     

    Doch nicht so unverzichtbar?

     

    Dann sollte man es aber schnellstens, bevor es mißbraucht wird, wieder abschaffen!

  • C
    couch

    Immer wieder schön zu sehen, wie dieses Foto falsch verwendet wird. Es handelt sich dabei nämlich um ein Kunstwerk an der Musikhochschule Freiburg. Und hat weder etwas mit dem BKa noch mit Überwachung zu tun. Sondern eben mit Musik.

  • MB
    Mr Burns

    "Ein Streit um Nichts"???

    Diese Überschrift verstehe ich nicht. Wie kann man in der taz ein solches Thema als "Nichts" bezeichnen. Ich weiß ja was gemeint ist, ich finde es aber eigentlich nur polemisch und doof.

  • FM
    Frank Miener

    Es wurde noch nicht online durchsucht - ja und? Dass, das Werkzeug nich nicht im Einsatz war, relativiert das Problem nicht. Es gibt einen Generalverdacht in Deutschland und die Privatsphäre wird ausgehebelt. Ich darf keinen fremden Computer knacken, das ist eine Straftat. Aber die Behörden sollen es relativ einfach dürfen? Das geht einfach nicht.

     

    Daher ist die Debatte in den Koalitionsverhandlungen richtig und kann nur dazu führen, dass die Grundrechte wieder ernstgenommen werden. Was mit der FDP vielleicht, mit der CDU wohl nicht möglich ist. Leider wird die Koalition daran nicht scheitern, so dass wir uns auf weitere Angriffe auf uns selbst einstellen müssen.

  • MS
    Mark Siebert

    und was möchte uns dieser artikel suggerieren?

     

    alles halb so wild, viel lärm um nichts, seht her; es wurde von diesen befugnissen kein gebrauch gemacht, also was soll die aufregung?

     

    gut, die freiheitsrechte werden stück für stück beschnitten, aber hey, ihr gewöhnt euch doch daran und es passiert euch ja nichts. nicht einmal, wenn ihr in bayern lebt und drogen verticken, kinder fi%$§!en oder einfach nur rasen wollt.

    und überhaupt, die debatte um die bewahrung unser aller freiheiten und die zügelung der staatsmacht war (ist) ein ,,Streit um Nichts".

    warum? na, dieses ,,Instrument scheint [..nur..] symbolische Bedeutung zu haben".

     

    eines hat der autor allerdings vergessen;

    es gibt auch noch eine dritte seite, nämlich uns bürger. für uns haben derartige auswüchse mehr als nur symbolischen charakter. sie stellen eine reale gefahr dar, denn jedes weitere ,,symblische Instrument" lässt den polizei- und geheimdienst- staat real existieren.

     

    Schäuble: ,,Niemand hat die Absicht einen Polizeistaat zu errichten"

  • F
    franziska.qu

    Mein Gott, Herr Rath, man kann solche Meldungen der Regierungen durchaus einmal kritisch reflektieren. Recherchieren soll immer noch nicht verboten sein, auch bei der taz nicht.

     

    Beim Lesen dieses Artikels erinnerte ich mich an ein Interview des damaligen bayer Innenministers Beckstein im Deutschlandfunk vom 6.09.2007 . Er äußerte sich zur Beschattung der Sauerlandgruppe.

    Titel: Beckstein: Online-Durchsuchung hätte bei Terrorermittlungen geholfen.

    Beckstein beschreibt die Beobachtung der Verdächtigen als Rechtskonform.

    Einer der Hauptverdächtigen hätte auf verbotene Internetseiten zugegriffen und die Polizei hätte dies aufgrund einer " zulässigen herkömmlichen Überwachungsform" festgestellt.

    Die Polizei hätte auch gerne die Inhalte der Internetseite gewußt, aber dafür hätte es der ( damals noch verbotenen) Online-Durchsuchung bedurft.

    Frage des Interviewers:

    "Aber sie haben doch auch die E-Mails gelesen, die die Beteiligten geschrieben haben. Auf welcher Grundlage?"

    Darauf geht Beckstein nicht ein und schweift ab.

    Wer Lust hat: ist im Netz nachzulesen.

     

    Es gäbe für jemanden, der es wissen möchte, sicherlich weitere Indizien für etwas, dass es offiziell nicht gegeben hat.

    Orwells 1984 ist real.

    Sogar mein konservatives Heimatblättchen ist inzwischen bei manchen Thematiken reflexiver als bestimmte Autoren der taz.

  • JF
    Jonas F

    Es wundert mich ehrlich gesagt, dass noch keine Online-Durchsuchungen vorgenommen wurden. So wie Stasi-Schäuble das Gesetz voran getrieben hat, hätte ich erwartet, dass die ersten 1000 Anträge schon im Druck sind.

     

    Vorneweg: Ich mag weder die CDU noch die FDP. Aber solange die Christdemokraten hier den Überwachungsstaat etablieren wollen, bin ich froh, die FDP in der Regierung zu haben.

     

    Es kommt mir einfach falsch vor, wenn der Rechtsstaat hinter dem Rücken seiner Bürger in deren privaten Unterlagen rumschnüffeln kann. Auf meinem Rechner fände er bsw. kein illegales Material, aber dafür Urlaubsfotos, Texte und viele andere Dinge, die mich und vielleicht 1-2 weitere Personen etwas angehen. Aber sonst niemanden und da bestehe ich auf meine Privatssphäre.

     

    Abschließend noch: Ich hab auch bei Erlass des "BKA-Gesetzes" TAZ gelesen und entgegen dem sehr ruhigen Tonfall des heutigen Artikels hatte der Autor damals ein Messer zwischen den Zähnen und Schaum vorm Mund. Das Gesetz muss weg und es hätte besser in eine Linie mit den vorangegangenen Artikeln gepasst, wenn auch heute wieder eine Abschaffung dieser Spionageklausel gefordert worden wäre.

     

    Wer Freiheit gegen Sicherheit tauscht, wird weder das eine noch das andere erhalten!

  • MN
    Mein Name

    Die nächste Frage wäre, ob der BKA denn überhaupt schon technisch in der Lage dazu ist. Eine "Online-Durchsuchung" durchzuführen setzt vorraus:

     

    a) Kenntniss der IP-Adresse

    b) Eine Möglichkeit, eventuell vorhandende NATs und Firewalls zu überwinden

    c) Eine Möglichkeit, in den End-Host einzudringen

     

    Die anwendbaren Methoden für b) und c) sind zudem spezifisch für jeden Einzelfall, spätestens an c) wird es in vielen Fällen endgültig scheitern.

     

    Ohne speziell auf die anscheinend sowieso nicht nennenswert vorhandene IT-Kompetenz des BKA einzugehen, würde ich annehmen, dass es ganz einfach an der Technik scheitert und man sich beim BKA dessen auch bewusst ist.