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Schwangerschaftsabbrüche in FlensburgImmer noch Unterversorgung

Durch die Fusion von Kliniken fallen in Flensburg Kapazitäten für Abtreibungen weg. Das ist lange bekannt, aber es gibt nach wie vor keine Lösung.

Zurück zur Engelmacherin? Demonstration gegen die christliche Klinikfusion 2019 in Flensburg Foto: Michael Staudt

Neumünster taz | Wenn in Flensburg das diakonische und das katholische Krankenhaus zur ersten ökumenischen Klinik Deutschlands verschmelzen, wird es dort nur noch in medizinischen Notfällen Schwangerschaftsabbrüche geben. Seit rund zwei Jahren befasst sich ein Arbeitskreis mit der Frage, wie auch Frauen geholfen werden kann, die aus sozialen Gründen abtreiben wollen. Oberbürgermeisterin Simone Lange (SPD) schlägt nun ein Ambulantes Operationszentrum in der Nähe der neuen Klinik vor – und hofft, dass das Land bei der Finanzierung und Einrichtung hilft. Denn ein solches Zentrum wäre teuer.

„Die Versorgung in Flensburg und Umland wird immer prekärer“, sagt Clemens Schmidt, Fraktionsvorsitzender der Grünen im Stadtrat. Es seien schon Frauen im Krankenhaus abgewiesen worden. Gleichzeitig schieden im ganzen Land ältere Gy­nä­ko­lo­g*in­nen aus den Praxen aus, die Erfahrung mit Abbrüchen hätten. Jüngere würden dagegen weniger nachrücken. Ähnlich schildert die Beratungsstelle Pro Familia die Lage. Und auch der Arbeitskreis, der unter Moderation der Oberbürgermeisterin tagt, kommt zum selben Schluss.

Doch wie die Lösung aussehen könnte, ist weiter unklar. „Alles ist noch in der Schwebe“, sagt Rathaussprecher Christian Reimer. Generell ist eine Abtreibung ein ambulanter Eingriff. Allerdings wählen in Schleswig-Holstein vergleichsweise viele Frauen die Klinik. „Wenn diese Möglichkeit fehlt, haben wir natürlich irgendwann ein Problem“, sagt Reimer. Laut dem Schwangerschaftskonfliktgesetz sei das Land zuständig. Doch das Gesundheitsministerium von Heiner Garg (FDP) sieht keine Notwendigkeit, etwas zu unternehmen.

Dass sich die Beratungen im Kreis drehen, ärgert auch die Stadtverordneten: „Wir hören immer wieder dieselben Punkte“, sagte Gabriele Stappert (CDU) bei einer Anhörung im Rat. Sie warnte davor, „Frauen und Mädchen zu verunsichern“.

Die neueste Idee des Arbeitskreises ist nun, ein Ambulantes Operationszentrum einzurichten. Dafür müsse das Land „entsprechende Ärztestellen schaffen“, heißt es in einer Mitteilung der Stadt.

Fachleute wünschen sich mehr Abbrüche mit Medikamenten

Allerdings können Ärztestellen nicht einfach „geschaffen“ werden: Wie viele Ärz­t*in­nen einer bestimmten Fachrichtung sich in einer Region ansiedeln dürfen, ist festgelegt. „Für die Genehmigung eines Zentrums, egal wer der Betreiber ist, müssten freie Sitze da sein“, sagt Marco Dethlefsen, Sprecher der Kassenärztlichen Vereinigung in Schleswig-Holstein (KVSH). Eine Anfrage der Stadt Flensburg, ob mittelfristig eine passende Stelle frei werde, gebe es aber nicht.

Fraglich ist auch, ob ein Operationszentrum sinnvoll ist, das vor allem Abtreibungen vornimmt. „Aus fachlicher Sicht bräuchte es das nicht“, sagt Doris Scharrel, Vorsitzende des Berufsverbandes der Frauenärzte in Schleswig-Holstein. Sie wünscht sich, dass noch mehr Frauen die Schwangerschaft medikamentös unterbrechen, aus fachärztlicher Sicht die schonendste Methode.

Aktuell, darauf verweist auch die Stadt, gibt es einige Hürden, warum nicht mehr Praxen Abbrüche per Tablette ermöglichen. So bestehen Lieferengpässe bei den Medikamenten. Zudem sind die Hürden für eine Praxis vergleichsweise hoch, sich als „Einrichtung zur Durchführung eines Schwangerschaftsabbruches“ registrieren zu lassen. Als drittes Hindernis sieht Scharrel, dass größere Praxisverbünde Arztsitze aufkaufen, darunter auch gynäkologische. „Wenn diese Verbunds-Praxen keine Abbrüche mehr durchführen, fehlen Kapazitäten.“

Allerdings existiert noch eine dritte Variante in den Richtlinien: Auch Träger wie die Beratungsstelle Pro Familia könnten eine „Einrichtung“ gründen, in der eine ungewollte Schwangerschaft beendet wird – so ein Zentrum gibt es etwa in Bremen.

In Flensburg wurde diese Idee offenbar noch nicht besprochen. Aber der Arbeitskreis wird weiter beraten, so der Rathaussprecher: „Es wird ja noch Zeit vergehen, bis die Fusion tatsächlich ansteht.“

Allerdings sind die ersten zwei Jahre bereits vergangen – ohne Lösung.

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