Schwangerschaftsabbrüche in Flensburg: Streit über Versorgungslücke
Seit zwei Jahren fragt sich Flensburg, wie Frauen vor Ort Abtreibungen erhalten können. Nun hofft Bürgermeisterin Simone Lange auf Hilfe des Landes.
Fünf Praxen in der 90.000-Einwohner*innen-Stadt bieten heute Abtreibungen an, außerdem können Frauen den Eingriff im evangelischen Diako-Krankenhaus vornehmen lassen. Klar ist, dass sich die Lage verschlechtern wird. Denn die Diako fusioniert in wenigen Jahren mit dem katholischen St.-Franziskus-Hospital des Malteser-Ordens. Die neue Klinik wird – das ist eine Bedingung der katholischen Seite – keine Abtreibungen aus sozialen Gründen mehr vornehmen. Nur in medizinischen Notfällen steht das Krankenhaus dann noch zur Verfügung. Bekannt ist das seit Herbst 2019.
In der Realität sei die Lage für die Betroffenen schwieriger, als es die Zahlen darstellten, sagt Thorsten Prümm vom Beratungsverband Pro Familia: „Schon heute kann nicht jede Frau adäquat versorgt werden.“ Vor allem fehle es an Praxen, die Abbrüche per Medikament anbieten. Diese Methode gilt als schonender als operative Eingriffe.
Auch Doris Scharrel, Landesvorsitzende des Berufsverbandes der Frauenärzte, bedauert, dass zu wenige Praxen medikamentöse Abbrüche anbieten, landesweit sind es rund 40. Das Problem verschärfe sich, wenn in den nächsten Jahren Niedergelassene, die bisher Abtreibungen vornahmen, in den Ruhestand gingen. Ihrer Meinung nach gibt es bisher keinen Engpass, „aber er droht“. Doch eine Arbeitsgruppe auf Landesebene arbeite bereits an Lösungen.
Abtreibung per Tablette
Das Ziel ist, dass mehr Praxen Abtreibungen anbieten. Denn in Schleswig-Holstein fände gut die Hälfte aller Abtreibungen in Kliniken statt, weit mehr als in anderen Ländern. Sinnvoll sei es, Ärzt*innen, die eine Praxis übernehmen, besser zu informieren, welche Genehmigungen und Ausstattung sie brauchen. Dazu würden bereits Fortbildungen angeboten.
Scharrel wünscht sich außerdem, die bürokratischen Hürden für medikamentöse Abbrüche zu senken: Die vergleichsweise sanfte Abtreibung per Tablette gilt als Operation, Praxen müssen entsprechendes Personal vorhalten. „Ich kann mir vorstellen, dass künftig die Kooperation mit einem Operateur reicht, ohne dass dieser vor Ort sein muss“, sagt Scharrel.
In Flensburg wird inzwischen die Verantwortung dafür herumgeschoben: Pastor Dirk Outzen als Vorstandsvorsitzender der Diako verweist darauf, dass für Krankenhäuser „weder eine Pflicht noch ein Versorgungsauftrag“ besteht, Abtreibungen anzubieten: „Es ist eine ambulante Leistung.“ Dennoch sei es der Diako wichtig, auch in Zukunft eine gute Versorgung zu gewährleisten.
Simone Lange betont, die Stadt wolle sich nicht entziehen, aber es sei eigentlich Sache des Landes, die Versorgung sicherzustellen. Doch das Land sieht keinen Grund zum Handeln: „Wir verfolgen die Entwicklungen der Versorgungssituation aufmerksam“, teilt der Sprecher des Kieler Gesundheitsministeriums auf Anfrage mit. „Aus Sicht des Landes besteht eine Gefährdung der Versorgung zum jetzigen Zeitpunkt in Flensburg nicht.“ Lange dazu: „Wenn das so ist, dann haben wir einen Dissenz.“ Eine Lösung aber hat sie nicht.
Befragung zu Bedürfnissen
Dabei gab es bereits im Jahr 2019 Ideen. Etwa, dass die Stadt eine eigene Facharztstelle schafft, etwa als Teil des Gesundheitsamtes oder in einem Medizinischen Versorgungszentrum (MVZ), also einer Gemeinschaftspraxis, die von der Stadt betrieben wird. Solche kommunalen MVZs gibt es bereits in zahlreichen Städten in Schleswig-Holstein, um Lücken der Versorgung zu schließen.
Im Jahr 2020 nahmen die Pläne in Flensburg konkrete Form an: So sollte nahe der neuen Klinik ein „Gesundheitscampus“ mit zahlreichen Angeboten entstehen. Auf die Frage, wie weit diese Pläne gediehen seien, antwortet Simone Lange inzwischen ausweichend: „Es gehört in den Auftrag der Arbeitsgruppe, dieses Konstrukt zu prüfen.“ Outzen ergänzte, dass die Gründung eines MVZs „nicht trivial“ sei. Auch diese Erkenntnis ist nicht neu.
Geplant ist nun, dass die Flensburger Europa-Universität eine Befragung startet, um „die Bedürfnisse der Frauen“ zu ermitteln. Ergebnisse sollen in rund einem Jahr vorliegen.
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